Verfahrensgang

LG Berlin (Entscheidung vom 16.07.2018; Aktenzeichen (509 KLs) 284 Js 302/18 (31/18))

 

Tenor

Der Haftbefehl des Landgerichts Berlin vom 16. Juli 2018 - (509 KLs) 284 Js 302/18 (31/18) - wird aufgehoben.

 

Gründe

Die Staatsanwaltschaft Berlin legt dem Angeklagten zur Last, sich im Zeitraum von Sommer 2016 bis September 2017 in sechs Fällen des schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes schuldig gemacht zu haben, indem er viermal an dem 13-jährigen Geschädigten H sowie einmal an dem noch elfjährigen Geschädigten S den Oralverkehr ausgeführt und in einem Fall durch den Zeugen H den Analverkehr an sich habe ausführen lassen. Ferner habe er an dem zur Tatzeit 14-jährigen Zeugen A gegen Entgelt den Oralverkehr ausgeführt, dem Zeugen S das Bild seines erigierten Penis gezeigt sowie diesen Geschädigten dazu gebracht, ihm ein Foto von dessen Penis zu schicken, und schließlich in einem weiteren Fall an dem Penis des Zeugen S onanierende Handlungen ausgeführt.

Wegen der Einzelheiten der Tatvorwürfe nimmt der Senat auf den Inhalt der am 15. Juni 2018 zum Landgericht Berlin erhobenen Anklageschrift vom 9. Juni 2018 Bezug.

Die Ermittlungsergebnisse zu den Mitte November 2017 bekannt gewordenen Tatvorwürfen hatte die Polizei nach zügig durchgeführten Ermittlungen mit Zwischenberichten vom 27. November 2017, 17. Dezember 2017 und 29. Januar 2018 dargelegt, bevor es ihr schließlich auch gelang, den Angeklagten als Tatverdächtigen zu identifizieren. Dies führte zu der mit weiterem Zwischenbericht vom 31. Januar 2018 vorgebrachten Anregung, gegen den Angeklagten einen Haftbefehl sowie einen Beschluss über die Durchsuchung seiner Wohnung zu erlassen. Lediglich in Bezug auf den (später als Fall 5 angeklagten) Vorwurf des Analverkehrs durch den Zeugen H hatte die Polizei auf eine noch ausstehende ergänzende Vernehmung dieses Zeugen hingewiesen. Wegen der den dringenden Tatverdacht tragenden Ermittlungsergebnisse verweist der Senat auf die genannten Zwischenberichte.

Den Anträgen der Staatsanwaltschaft entsprechend erließ das Amtsgericht Tiergarten am 1. Februar 2018 einen Durchsuchungsbeschluss sowie einen (nur) acht Vorwürfe umfassenden Haftbefehl (352 Gs 304/18). Dieser bildete nach der Festnahme des Angeklagten, die am 14. Februar 2018 an dessen Wohnanschrift erfolgte, zunächst die Grundlage für die seitdem ununterbrochen vollzogene Untersuchungshaft in dieser Sache.

In seiner polizeilichen Beschuldigtenvernehmung am 14. Februar 2018 ließ sich der Angeklagte im Wesentlichen geständig ein, verwies jedoch auf seine abstruse Anschauung, wonach die Geschädigten ja ebenfalls aktiv geworden seien und "das" auch gewollt hätten.

Nach der Festnahme des Angeklagten erfolgte noch die bereits am 31. Januar 2018 in Aussicht genommene Nachvernehmung des Zeugen H, wobei der Senat den ihm zugeleiteten - jedenfalls betreffend den Vernehmungsband unvollständigen - Aktendoppeln nicht entnehmen kann, weshalb dies erst am 5. März 2018 geschah und welchen genauen Inhalt die Zeugenaussage hatte. Aus dem Schlussbericht der Polizei sowie einem zusammenfassenden Vermerk über die fragliche Vernehmung ergibt sich jedoch, dass die Nachvernehmung den Vorfall betreffend den Analverkehr mit näheren Ausführungen des Geschädigten bestätigt hat.

Zutreffend hat schon die Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren die forensisch-psychiatrische Begutachtung des Angeklagten in die Wege geleitet. Der von ihr beauftragte Sachverständige Dr. F hatte sich in einem bereits am 15. Februar 2018 geführten Telefonat mit dem sachbearbeitenden Dezernenten zur Übernahme des Begutachtungsauftrages bereit erklärt. Die förmliche Beauftragung des Sachverständigen erfolgte jedoch erst gut zwei Wochen später, mit Verfügung vom 2. März 2018. Das vorläufige schriftliche Gutachten, in dem sich keine Hinweise auf das Vorliegen der Eingangsvoraussetzungen der §§ 20, 21 StGB finden, lag am 7. Mai 2018 vor; sein Inhalt veranlasste die Staatsanwaltschaft indessen, (erst) mit der Anklage gegenüber dem Landgericht die ergänzende Begutachtung des Angeklagten im Hinblick auf die Voraussetzungen des § 66 StGB zu beantragen.

Seit der Anfang März 2018 durchgeführten Nachvernehmung des Zeugen H und der Beauftragung des Sachverständigen durch die Staatsanwaltschaft sind weitere Ermittlungshandlungen, die Eingang in die Anklageschrift gefunden hätten, nicht erfolgt. Der bis zur Anklagefertigung am 9. Juni 2018 eingetretene Zeitablauf von mehr als drei Monaten war vielmehr dem Umstand geschuldet, dass am 14. Februar 2018 bei der Wohnungsdurchsuchung sichergestellte Geräte (zwei Handys, ein Netbook sowie eine 500 GB-Festplatte) gemäß KT-Aufträgen vom 28. Februar 2018 ausgewertet werden sollten. Da die Auslesung der Geräte bzw. die Öffnung der ausgelesenen Dateien Schwierigkeiten bereitete, auch weil der Angeklagte zum Teil benötigte Entsperrcodes nicht preisgab, nahm die Auswertung längere Zeit in Anspruch. Die erforderliche Aufbereitung der Daten war Anfang Mai abgeschlossen. Nach deren anschli...

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