Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundbucheinsicht durch Pflichtteilsberechtigten

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein berechtigtes Interesse an der Grundbucheinsicht steht in der Regel dem Pflichtteilsberechtigten zu, der nach dem Tode des im Grundbuch eingetragenen Erblassers seine erbrechtlichen Ansprüche prüfen will; das gilt auch, wenn inzwischen der Erbe als Rechtsnachfolger eingetragen ist.

2. Zur Darlegung des berechtigten Interesses genügt in einem solchen Falle der Hinweis auf die Stellung als gesetzlicher Erbe, einer schlüssigen Darlegung der etwa geltend zu machenden Pflichtteilsansprüche oder konkreter, von der Grundbucheinsicht abhängender Entschließungen bedarf es nicht.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Beschluss vom 06.05.2003; Aktenzeichen 86 T 542/03)

AG Berlin-Hohenschönhausen (Beschluss vom 20.03.2003; Aktenzeichen Grundbuch von Frohnau Bl. 5848)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss und der Beschluss des AG Hohenschönhausen vom 20.3.2003 werden aufgehoben.

Das AG Hohenschönhausen (Grundbuchamt) wird angewiesen, dem Beteiligten eine unbeglaubigte Grundbuchabschrift zu erteilen.

Der Beschwerdewert wird auf 3.000 Euro festgesetzt.

 

Gründe

Die weitere Beschwerde ist gem. §§ 78 bis 80 GBO zulässig. Sie ist auch begründet, denn die angefochtene Entscheidung beruht auf einem Rechtsfehler (§ 78 GBO, §§ 561 ff. ZPO).

Das LG hat angenommen, dem Beteiligten sei eine Grundbuchabschrift gem. § 12 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 GBO nicht zu erteilen, da er ein berechtigtes Interesse an der Grundbucheinsicht nicht dargelegt habe. Das unterliegt durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

Ein berechtigtes Interesse i.S.v. § 12 Abs. 1 S. 1 GBO ist gegeben, wenn zur Überzeugung des Grundbuchamts ein verständiges, durch die Sachlage gerechtfertigtes Interesse des Antragstellers dargelegt wird, wobei auch ein bloß tatsächliches, insb. wirtschaftliches Interesse das Recht auf Grundbucheinsicht begründen kann (KG v. 19.6.2001 – 1 W 132/01, KGReport Berlin 2001, 320 = NJW 2002, 223 [224]; Beschl. v. 20.3.2001 – 1 W 9339/00; BayObLG RPfleger 1999, 216 [217]; Demharter, GBO, 24. Aufl., § 12 Rz. 7 ff.; Meikel/Böttcher, Grundbuchrecht, 9. Aufl., § 12 Rz. 4, jeweils m.w.N.). § 12 Abs. 1 GBO bezweckt nicht in erster Linie einen Geheimnisschutz, sondern zielt auf eine Publizität, die über die rein rechtliche Anknüpfung an die Vermutungs- und Gutglaubensvorschriften der §§ 891 ff. BGB hinausgeht (KG, Beschl. v. 20.3.2001 – 1 W 9339/00). Andererseits genügt nicht jedes beliebige Interesse des Antragstellers; die Verfolgung unbefugter Zwecke oder reiner Neugier muss ausgeschlossen und die Kenntnis vom Grundbuchstand für den Antragsteller aus sachlichen Gründen für sein künftiges Handeln erheblich erscheinen (so i.E. BayObLG RPfleger 1999, 216 [217]; RPfleger 1998, 338; v. 9.12.1992 – 2Z BR 98/92, BayObLGReport 1993, 41 = NJW 1993, 1142 [1143]; OLG Stuttgart RPfleger 1970, 92; OLG Hamm v. 18.12.1985 – 15 W 417/85, MDR 1986, 506 = DNotZ 1986, 497 [498]; vgl. auch OLG Düsseldorf FGPrax 1997, 258; Meikel/Böttcher, Grundbuchrecht, 9. Aufl., § 12 Rz. 4, 7; Eickmann in K/E/H/E, Grundbuchrecht, 5. Aufl., § 12 Rz. 3, die darüber hinaus die Ermöglichung eines konkreten rechtlichen Handelns verlangen). Das folgt aus dem durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützten, zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht gehörenden Recht auf informationelle Selbstbestimmung (vgl. BVerfG v. 15.12.1983 – 1 BvR 209/83, 1 BvR 269/83, 1 BvR 362/83, 1 BvR 420/83, 1 BvR 440/83, 1 BvR 484/83, BVerfGE 65, 1) der durch die Grundbucheinsicht Betroffenen, welches bei der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs einzubeziehen ist (BVerfG v. 28.8.2000 – 1 BvR 1307/91, MDR 2001, 146 = NJW 2001, 503 [505]; KG v. 19.6.2001 – 1 W 132/01, KGReport Berlin 2001, 320 = NJW 2002, 223; OLG Zweibrücken v. 18.10.1988 – 3 W 115/88, NJW 1989, 531). Die Darlegung des berechtigten Interesses erfordert einen nachvollziehbaren Vortrag von Tatsachen in der Weise, dass dem Grundbuchamt daraus die Überzeugung von der Berechtigung des geltend gemachten Interesses verschafft wird, denn es hat in jedem Einzelfall genau zu prüfen, ob durch die Einsichtnahme das schutzwürdige Interesse der Eingetragenen verletzt werden könnte, Unbefugten keinen Einblick in ihre Rechts- und Vermögensverhältnisse zu gewähren (KG, Beschl. v. 20.3.2001 – 1 W 9339/00; BayObLG v. 9.12.1992 – 2 Z BR 98/92, BayObLGReport 1993, 41 = NJW 1993, 1142; Demharter, GBO, 24. Aufl., § 12 Rz. 13 f.; Meikel/Böttcher, Grundbuchrecht, 9. Aufl., § 12 Rz. 8).

Das LG hat bei der Anwendung dieser Grundsätze rechtsfehlerhaft allein auf das geltend gemachte Verwandtschaftsverhältnis zu dem eingetragenen Eigentümer abgestellt und außer Acht gelassen, dass der Beteiligte darüber hinaus bereits mit Schriftsätzen vom 20. und 25.2.2003 dargetan hat, er sei einziger Sohn und Erbe der am 6.2.1982 verstorbenen F., ggf. sei das Erbrecht zu prüfen. … war von 1969 bis 1982 als Bruchteilseigentümerin des Grundstücks eingetragen, welches bis 1985 im Grundbuch von F. Blatt … gebucht ...

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