Verfahrensgang

LG Dortmund (Beschluss vom 22.10.1985; Aktenzeichen 9 T 625/85)

AG Dortmund (Beschluss vom 03.10.1985)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluß und – auf die Erstbeschwerde vom 11. Oktober 1985 – der Beschluß des Amtsgerichts Dortmund vom 3. Oktober 1985 werden aufgehoben.

Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des Amtsgerichts – Grundbuchamts – … wird angewiesen, dem Beteiligten einen vollständigen Grundbuchauszug, betreffend das eingangs bezeichnete Grundbuchblatt, zu erteilen.

 

Gründe

Die weitere Beschwerde ist formgerecht eingelegt worden und auch sonst zulässig nach §§ 78, 80 GBO. Sie ist auch sachlich begründet, weil das Landgericht – ebenso wie der Richter des Amtsgerichts und zuvor der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle – die Erteilung des beantragten Grundbuchauszuges zu Unrecht abgelehnt hat.

Die verfahrensmäßige Behandlung des erwähnten Antrages durch den Urkundsbeamten, den Richter des Amtsgerichts und das Landgericht steht mit den einschlägigen Vorschriften (§ 12 GBO in Vb. mit § 4 der VO zur Ausführung der GBO vom 8.8.1935 – AVO GBO – und mit § 71 GBO) in Einklang und ist nicht zu beanstanden.

Jedoch sind in der Sache selbst die Voraussetzungen für die beantragte Erteilung eines Grundbuchauszuges zu unrecht verneint worden.

Gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 GBO ist die Einsicht des Grundbuches jedem gestattet, der ein berechtigtes Interesse darlegt. Soweit diese Einsicht gestattet ist, kann eine Abschrift gefordert werden, die auf Verlangen auch zu beglaubigen ist.

Der Begriff des „berechtigten” Interesses ist nach der Entstehungsgeschichte des Gesetzes (vgl. dazu BayObLG, Rpfleger 1975, 361) weiter als der des „rechtlichen” Interesses, aber enger als der des Interesses schlechthin. Es genügt also nicht jedes beliebige Interesse, insbesondere nicht die bloße Neugier oder gar der Wunsch nach Ausnutzung der Kenntnis zu mißbräuchlichen Zwecken.

Nach neuerer, im Vordringen befindlicher Rechtsanschauung geht die Zielrichtung des § 12 GBO gerade auf Publizität und nicht auf irgendeinen Geheimnisschutz; mit der Pflicht zur Darlegung eines berechtigten Interesses soll lediglich verhindert werden, daß das Grundbuchamt in Anspruch genommen werden soll, ohne daß ein verständiges, durch die Sachlage gerechtfertigtes Interesse verfolgt wird (so VGH Mannheim und BVerwG in BWNotZ 1981, 22 und 23). Für die Ansicht, daß die Geheimhaltungsbelange des Eigentümers im Rahmen des § 12 GBO keine Bedeutung haben, spricht auch die Entscheidung des BGH vom 6.3.1981 (Rpfleger 1981, 287), daß der Eigentümer am Verfahren nach § 12 GBO nicht zu beteiligen ist, insbesondere auch kein Beschwerderecht hat.

Nach einer Entscheidung des OLG … (Die Justiz 1983, 80) ist im Hinblick auf den öffentlichen Glauben des Grundbuches demjenigen die Einsicht zu gestatten, der sie nicht nur aus Neugier oder zu unbefugten Zwecken, sondern aus sachlichen Gründen begehrt (ebenso LG …, Rpfleger 1982, 414).

Der Senat kann sich dieser Auffassung nicht verschließen. Auf diesem Boden ist dem Antragsteller der gewünschte Grundbuchauszug zu erteilen. Denn er hat sachliche Gründe für sein Begehren dargetan, welche die Annahme reiner Neugier oder der Verfolgung unbefugter Zwecke ausschließen. Unerheblich ist auch, ob er den Mietvertrag über eine Wohnung in dem Hause, das sich auf dem eingangs bezeichneten Grundstück befindet, bereits im Zeitpunkt der landgerichtlichen Tatsachenentscheidung abgeschlossen hatte oder erst danach abgeschlossen hat. Sowohl für die Entschließung über eine Anmietung als auch für weitere Dispositionen nach der Anmietung – etwa, wie vom Beteiligten geltend gemacht, hinsichtlich finanzieller Aufwendungen für Schönheitsreparaturen, Anschaffung eingepaßter Einbaumöbel, von Teppichboden u. dergl. – kann die Kenntnis des Antragstellers vom Grundbuchinhalt von Bedeutung sein. Das gilt einmal für die Frage, ob der Vermieter mit dem Grundstückseigentümer identisch ist, zum anderen auch im Hinblick auf den Belastungszustand des Grundbuches und daraus für den Mieter resultierende Risiken. Mag die dahingehende Besorgnis des Antragstellers auch nicht durch konkrete Anhaltspunkte belegt sein, so läßt sie sich doch nicht von der Hand weisen und kann erst die Kenntnis vom Grundbuchinhalt dem Antragsteller die angestrebte Gewißheit verschaffen.

Unter Aufhebung der Entscheidungen des Land- und des Amtsgerichts mußte demnach der Urkundsbeamte des Grundbuchamts zur Erteilung des beantragten Grundbuchauszuges angewiesen werden.

Nebenentscheidungen über Verfahrenskosten oder den Gegenstandswert sind nicht veranlaßt.

 

Unterschriften

Dr. Kuntze, Saggel, Arps

 

Fundstellen

Haufe-Index 1721206

DNotZ 1986, 497

OLGZ 1986, 148

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