Leitsatz (amtlich)

Auch nach dem Urteil des EuGH vom 4. Juli 2019 (C-377/17) ist in einem Zivilrechtsstreit zwischen einem Architekten und seinem Auftraggeber das Mindestpreisgebot nach Art. 10 §§ 1, 2 MRVG, § 7 Abs. 3 und 5 HOAI weiter anzuwenden.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Aktenzeichen 5 O 182/17)

 

Tenor

1. Die Parteien erhalten Gelegenheit, zu den nachfolgenden Hinweisen, die Beklagte und ihr Streithelfer außerdem zu den Schriftsätzen der Klägerin 13. und 14. August 2019 bis zum 10. September 2019 Stellung zu nehmen.

2. (...)

 

Gründe

I. Die Klägerin, eine Architektin, macht gegenüber der Beklagten einen Honoraranspruch geltend.

Die Beklagte ist Eigentümerin eines größeren Areals in ... K..., auf dem sich ein denkmalgeschütztes Gebäude befindet, das aus mehreren Bauteilen besteht. Die Beklagte ist im Februar 2017 durch Umwandlung aus der V... KG entstanden. Diese Rechtsvorgängerin wird im Folgenden ebenfalls als Beklagte bezeichnet. Streithelfer der Beklagten ist der frühere Geschäftsführer der Komplementärin der V... KG.

Die Beklagte hatte die Klägerin bereits in den Jahren 2006 bis 2008 mit der Planung der Umgestaltung des Bestandsgebäudes in ein Hotel beauftragt. Diese Pläne wurden nicht realisiert. Die Parteien führten im Anschluss einen Prozess um das Honorar der Klägerin und beendeten ihn durch Vergleich. Die Beklagte zahlte die Vergleichssumme an die Klägerin.

Anfang 2015 beabsichtigte die Beklagte erneut, die Gebäude zu sanieren, dieses Mal allerdings mit dem Ziel einer Wohnnutzung. Die Beklagte schloss mit der Klägerin daher am 13. Januar 2015 eine Vereinbarung über bestimmte Leistungen, insbesondere die Überarbeitung ihrer früheren Planungen gegen ein Honorar von 10.000,00 EUR. Daneben sah diese Vereinbarung vor, dass die Beklagte der Klägerin weitere Teilaufträge "durch jeweils einen eigenständigen Vertrag zu den Bedingungen dieses Rahmenvertrages" gegen ein Stundenhonorar von 96,00 EUR erteilen könne. Zu den Einzelheiten vgl. die Anlage K 9.

In der Folgezeit führte die Beklagte Verhandlungen mit der Gemeinde K... über die Bebaubarkeit des Areals mit einer Wohnanlage. In diesem Zusammenhang erbrachte die Klägerin der Beklagten unterschiedliche Leistungen, allerdings wohl vordringlich mit Bezug auf die Änderung des Bebauungsplans durch die Gemeinde und erhielt dafür ein Honorar von über 115.000,00 EUR (netto, vgl. Schriftsatz des Streitverkündeten vom 15. Oktober 2018, S. 6). Daneben verhandelten die Parteien zumindest bis Ende 2016 über den Abschluss eines Architektenvertrags betreffend die Sanierung und Modernisierung des auf dem Grundstück befindlichen Altbaus, kamen aber nicht zu einer Einigung. In der ersten Jahreshälfte 2017 endete die Zusammenarbeit der Parteien im Streit.

Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagte habe sie hinsichtlich des Vorhabens Umbau und Sanierung der Bestandsgebäude auf dem Areal mit dem Ziel einer Wohnnutzung jedenfalls mit der Objektplanung der Leistungsphasen 1 bis 4 beauftragt. Auf dieser Grundlage errechnet sie eine bei anrechenbaren Kosten von insgesamt rund 6,9 Mio. EUR und der Honorarzone IV eine Kündigungsvergütung von 528.777,98 EUR, die sie mit ihrer Klage geltend macht.

Die Beklagte meint, die Klage sei unbegründet. Soweit die Klägerin Leistungen aufgrund der Vereinbarung vom 13. Januar 2015 erbracht habe, sei sie vollständig bezahlt. Daneben hätten die Parteien keinen Architektenvertrag geschlossen. Ihre dahingehenden Verhandlungen seien gerade nicht zu einem Abschluss gekommen. Soweit die Klägerin Leistungen der Objektplanung erbracht habe, handele es sich um Akquiseleistungen, die nicht zu vergüten sind.

Das Landgericht hat sich mit Urteil vom 28. Januar 2019 dieser Argumentation angeschlossen und die Klage abgewiesen. Dagegen wendet sich die Klägerin mit der Berufung.

II. 1. Verbindlicher Architektenvertrag über Objektplanungsleistungen kommt in Betracht

Beim aktuellen Verfahrensstand spricht Vieles dafür, dass die Beklagte entgegen der Annahme des Landgerichts der Klägerin einen Architektenauftrag über die Planung von Umbau und Sanierung jedenfalls einzelner Bestandsgebäude erteilt hat, wobei sodann der genaue Umfang dieses Auftrags zu klären wäre.

Es ist unstreitig, dass die Klägerin Architektenleistungen erbracht hat, die jedenfalls den Leistungsphasen 1 und 2 eines solchen Auftrags zuzuordnen sind. Dies hat der Streithelfer im Schriftsatz vom 22. Oktober 2018 eingeräumt (dort S. 6 f). Ferner ergibt es sich aus seinem Schreiben vom 11. Januar 2017 (Anlage K 15) und dem Entwurf für den Architektenvertrag (Anlage SV 16). Diesem hat offenbar die Beklagte (Korrekturfarbe blau) eine explizite Regelung über die offenbar bereits erbrachten Leistungen der Klägerin aus den Leistungsphasen 1 und 2 hinzugefügt, wobei diese als vergütet gelten sollten (vgl. Anlage SV 16, Punkt 5.10).

Damit ist möglicherweise weiter anzunehmen, dass die Klägerin nicht nur einzelne Teilleistungen, sondern die vollständigen Leistungen der Phasen 1 und 2 erbracht hat.

Dass die Beklagte diese Lei...

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