Entscheidungsstichwort (Thema)

Kollision nach Anfahren vom Fahrbahnrand

 

Normenkette

StVO § 10

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Beschluss vom 06.09.2006; Aktenzeichen 24 O 482/05)

 

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen.

2. Der Berufungskläger erhält gem. § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO Gelegenheit, hierzu binnen zwei Wochen Stellung zu nehmen.

 

Gründe

1. Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg, die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern keine Entscheidung des Berufungsgerichts, § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO.

Nach § 513 Abs. 1 ZPO kann die Berufung nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) beruht oder die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen.

Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO hat das Berufungsgericht seiner Entscheidung die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen zugrunde zu legen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen.

Die ist nicht der Fall, wenn das Gericht des ersten Rechtszuges sich bei der Tatsachenfeststellung an die Grundsätze der freien Beweiswürdigung des § 286 ZPO gehalten hat und das Berufungsgericht keinen Anlass sieht, vom Ergebnis der Beweisaufnahme abzuweichen.

Das LG hat die Klage zu Recht abgewiesen, da der Kläger für den streitgegenständlichen Verkehrsunfall allein haftet. Das LG hat sich an die Grundsätze der freien Beweiswürdigung gehalten und der Senat sieht auch in der Sache keinen Anlass, von dem Ergebnis der Beweisaufnahme abzuweichen.

Das LG ist zutreffend davon ausgegangen, dass vorliegend die Grundsätze des Anscheinsbeweises zu Lasten des Klägers anzuwenden sind, weil dieser auch nach seinem eigenen Vorbringen vom Fahrbahnrand angefahren ist.

Kommt es bei dem Anfahren eines Kfz vom Fahrbahnrand zu einer Kollision mit einem Fahrzeug im fließenden Verkehr, spricht der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass der Unfall dadurch zustande gekommen ist, dass der vom Fahrbahnrand Anfahrende die ihm nach § 10 StVO obliegende gesteigerte Sorgfalt nicht hinreichend beachtet hat (OLG Brandenburg, Urt. v. 6.3.2002 - 14 U 119/01 = DAR 2002, 307; OLG Düsseldorf, Urt. v. 2.2.1978 - 12 U 169/77 = VersR 1978, 852).

Wer vom Fahrbahnrand anfährt, hat sich nach § 10 StVO so zu verhalten, dass eine Gefährdung des fließenden Verkehrs ausgeschlossen ist. Der Anfahrende darf nicht darauf vertrauen, dass der rechte Fahrstreifen frei bleibt, sondern muss stets mit einem Fahrstreifenwechsel eines Teilnehmers des fließenden Verkehrs rechnen (Senat, Beschl. v. 4.1.2006 - 12 U 202/05 -). Kommt es in unmittelbarem zeitlichen und räumlichen Zusammenhang mit dem Anfahren vom Fahrbahnrand zu einer Kollision mit einem Fahrzeug des fließenden Verkehrs, das nach rechts den Fahrstreifen wechselt, ohne den Anfahrenden rechtzeitig erkennen zu können, so haftet der Anfahrende allein, denn der Schutzzweck des § 7 Abs. 5 StVO dient nicht dem ruhenden Verkehr oder dem vom Fahrbahnrand Anfahrenden (Senat, Urt. v. 11.3.2004 - 12 U 285102 = DAR 2004, 387 = NZV 2004, 632; OLG München, Urt. v. 25.3.1994 - 10 U 4856/93 = NJW-RR 1994, 1442).

Geschieht ein Unfall derart beim Anfahren vom Fahrbahnrand, dass zwischen dem Vorgang des Einfahrens in Richtung Fahrbahnmitte und der Kollision mit dem durchgehenden Verkehr ein unmittelbarer räumlicher und zeitlicher Zusammenhang besteht, so spricht der Beweis des ersten Anscheins für ein Verschulden des Anfahrenden, wobei ein Zusammenstoß nach etwa 10 bis 12 m vom Ort des Anfahrens für einen unmittelbaren Zusammenhang ausreichend sind (OLG Düsseldorf, Urt. v. 2.2.1978 - 12 U 169/77 = VersR 1978, 852; Senat, a.a.O.).

Der Einfahrvorgang endet nämlich erst, wenn sich das Fahrzeug endgültig in den fließenden Verkehr eingeordnet hat (OLG Köln, Urt. v. 19.7.2005 - 4 U 35/04 = DAR 2006, 27 = VRS 109, 99; OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.10.1980 - 1 U 42/80 = VersR 1981, 754; vgl. auch Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 39. Aufl., § 10 StVO Rz. 4). Dabei muss jede Einflussnahme des Anfahrvorgangs auf das weitere Verkehrsgeschehen ausgeschlossen sein (Senat, Beschl. v. 29.12.2006 - 12 U 94/06 -; OLG Köln VersR 1986, 666).

Das LG ist unter Berücksichtigung dieser Grundsätze zu Recht zu der Beurteilung gekommen, dass sich der Unfall bereits nach dem eigenen Vorbringen des Klägers im Zusammenhang mit dessen Anfahren vom Straßenrand ereignete. Auch die Berufung trägt hierzu nichts Erhebliches vor, insb. dass der Kläger entgegen seiner eigenen Bekundungen bereits eine derart weite Fahrtstrecke hätte, dass von einem räumlichen Zusammenhang mit seinem Anfahren zum Zeitpunkt des Unfalls nicht mehr ausgegangen werden könne.

Weiterhin richtig führt das LG aus, dass der Kläger den gegen ihn sprechenden Anscheinsbeweis nicht zu entkräften vermochte. Die Ze...

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