Entscheidungsstichwort (Thema)

Einfahren aus einem Parkbereich auf einem Mittelstreifen in den fließenden Verkehr

 

Leitsatz (amtlich)

Das Einfahren aus einem Parkbereich auf einem Mittelstreifen ist erst dann abgeschlossen, wenn sich der Einfahrende endgültig in den fließenden Verkehr eingeordnet hat und jede Einflussnahme des Anfahrvorgangs auf das weitere Verkehrsgeschehen ausgeschlossen ist (vgl. OLG Köln v. 4.2.1986 - 22 U 159/85, VersR 1986, 666).

Auf eine konkrete Fahrstrecke zwischen Anfahren und Kollision kommt es nicht zwingend entscheidend an.

 

Normenkette

StVO § 10

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Aktenzeichen 24 O 175/05)

 

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen.

2. Der Berufungskläger erhält gem. § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO Gelegenheit, hierzu binnen drei Wochen Stellung zu nehmen.

 

Gründe

Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg, die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern keine Entscheidung des Berufungsgerichts, § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO.

Nach § 513 Abs. 1 ZPO kann die Berufung nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) beruht oder die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen.

Beides ist nicht der Fall.

1. Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO hat das Berufungsgericht seiner Entscheidung die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen zugrunde zu legen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen.

a. Dies ist nicht der Fall, wenn sich das Gericht des ersten Rechtszuges bei der Tatsachenfeststellung an die Grundsätze der freien Beweiswürdigung des § 286 ZPO gehalten hat und das Berufungsgericht keinen Anlass sieht, vom Ergebnis der Beweiswürdigung abzuweichen (s. KG, Urt. v. 11.3.2004 - 12 U 285/02, DAR 2004, 387; NZV 2004, 632; Urt. v. 8.1.2004 - 12 UU 184/02, KGReport Berlin 2004, 269, vgl. auch BGH, Urt. v. 9.3.2005 - VIII ZR 266/03, MDR 2005, 945 m. Anm. Fellner = BGHReport 2005, 864 m. Anm. Heßler = NJW 2005, 1583).

§ 286 ZPO fordert den Richter auf, nach seiner freien Überzeugung zu entscheiden. Das bedeutet, dass er lediglich an Denk- und Naturgesetze sowie an Erfahrungssätze und ausnahmsweise Beweisregeln gebunden ist, ansonsten aber die im Prozess gewonnenen Erkenntnisse nach seiner individuellen Einschätzung bewerten darf. Dabei darf er insb. auch einer Partei mehr glauben, als einem Zeugen, auch wenn dieser beeidet wurde, oder trotz mehrerer bestätigender Zeugenaussagen das Gegenteil der Beweisbehauptung feststellen, sofern dies nach der aus den übrigen Beweismitteln bzw. dem Akteninhalt gewonnenen Erkenntnisse seiner Überzeugung entspricht (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 25. Aufl., § 286 Rz. 13).

Die leitenden Gründe und die wesentlichen Gesichtspunkte für seine Überzeugungsbildung hat das Gericht nachvollziehbar im Urteil darzulegen. Dabei ist es nicht erforderlich, auf jedes einzelne Parteivorbringen und alle Beweismittel ausführlich einzugehen, es genügt, wenn nach der Gesamtheit der Gründe eine sachentsprechende Beurteilung stattgefunden hat (Thomas/Putzo, ZPO, 27. Aufl., § 286 Rz. 3; KG, Urt. v. 12.1.2004 - 12 U 211/02, DAR 2004, 223 = KGReport Berlin 2004, 291).

b) An diese Grundsätze der freien Beweiswürdigung hat sich das LG in dem angefochtenen Urteil gehalten.

Es hat auf den Seiten 5 bis 10 der Urteilsabschrift die Aussagen der vernommenen Zeugen ausführlich gewürdigt und dargelegt, weshalb es auf Grund dieser Zeugenaussagen die Überzeugung gewonnen hat, dass der streitgegenständliche Verkehrsunfall in unmittelbarem örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dem Ausparkmanöver des Zeugen P. stand und damit nach § 10 StVO zu beurteilen war.

Das LG hat dabei vor allem dargelegt, dass und weshalb es der Aussage des den ausparkenden Wagen steuernden Zeugen Prochilo entnommen hat, dass das Fahrzeug vor dem Unfall nicht bereits eine Entfernung von ca. 150m zurückgelegt hatte und sich deshalb noch nicht wieder soweit in den fließenden Verkehr eingereiht hatte, dass der Anfahrvorgang bereits beendet gewesen sei. Die Beweiswürdigung des LG ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

c) Der Senat folgt der Würdigung des LG bezüglich dieser und der weiteren Zeugenaussagen auch in der Sache.

Die Angriffe der Berufung hinsichtlich der Frage, wo das von dem Zeugen P..... gesteuerte Fahrzeug im Verhältnis zum späteren Unfallort geparkt gewesen sei und ob das LG die Zählweise der Hausnummern am Kurfürstendamm nicht zutreffend wiedergegeben habe, sind nicht erfolgreich.

Soweit die Berufung den Aussagen der Zeugen insoweit etwas anderes entnehmen will, als das LG und hierfür anführt, die von der Polizei angefertigte Unfallskizze sei im Verhältnis der Lage des Unfallortes zu den Hausnummern nicht maßstabsgerecht, ändert dies an der rechtlichen Bewertu...

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