Entscheidungsstichwort (Thema)

Anwaltsgebühren bei Verbindung mehrerer Anfechtungsprozesse nach § 246 Abs. 3 S. 3 AktG

 

Normenkette

AktG § 246 Abs. 3 S. 3; RVG § 15 Abs. 2 S. 2

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Beschluss vom 20.06.2007; Aktenzeichen 90 O 82/06)

 

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin zu 1. vom 23.7./29.8.2008, die sofortige Beschwerde des Klägers zu 2. vom 8./29.8.2008 und die sofortige Beschwerde der Klägerin zu 3. vom 22./29.8.2008 wird der Beschluss des LG Berlin vom 20.6.2007 - 90 O 82/06 - teilweise geändert:

Die nach dem Beschluss des LG Berlin vom 8.1.2007 von den Klägern als Gesamtschuldner an die Beklagte zu erstattenden, in den Anträgen vom 16.1.2007 berechneten Kosten werden auf 8.978,40 EUR - in Worten: achttausendneunhundertachtundsiebzig, 40/100 EUR - nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozent über dem Basiszinssatz seit dem 17.1.2007 festgesetzt.

Die Klägerin zu 4. hat der Beklagten darüber hinaus 2.724 EUR - in Worten: zweitausendsiebenhundertvierundzwanzig EUR - nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozent über dem Basiszinssatz seit dem 17.1.2007 zu erstatten.

2. Die weitergehenden Beschwerden der Kläger zu 1. bis 3. werden zurückgewiesen.

3. Die sofortige Beschwerde der Beklagten vom 24.8.2007 gegen den Beschluss des LG Berlin vom 20.6.2007 - 90 O 82/06 - wird zurückgewiesen.

4. Hinsichtlich der Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen von den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten der Beklagten die Kläger zu 1. bis 3. als Gesamtschuldner 41 % und die Beklagte 59 %; von den außergerichtlichen Kosten der Kläger zu 1. bis 3. tragen diese 46 % und die Beklagte 54 %; die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu 4. trägt die Beklagte.

5. Der Wert des Beschwerdeverfahrens beträgt 17.099,60 EUR, wobei 10.562 EUR auf die sofortigen Beschwerden der Kläger zu 1. bis 3. entfallen, für die Klägerin zu 4. jedoch - entsprechend dem Wert der sofortigen Beschwerde der Beklagten - 6.537,60 EUR.

6. Die Rechtsbeschwerde wird für die Kläger zu 1.-3. zugelassen, soweit Entstehung und/oder Erstattunsfähigkeit der Verfahrensgebühren im Streit sind.

 

Gründe

I. Die sofortigen Beschwerden der Kläger zu 1.-3. und der Beklagten sind gem. § 11 Abs. 1 RpflG i. V. mit § 104 Abs. 3 S. 1 ZPO zulässig. Die sofortigen Beschwerden der Kläger, die sich gegen die Festsetzung von vier (1,3) Verfahrensgebühren - statt einer Verfahrensgebühr - für die (vor mündlicher Verhandlung) verbundenen aktienrechtlichen Anfechtungsverfahren und gegen ihre gesamtschuldnerische Inanspruchnahme richten, ist teilweise begründet. Die sofortige Beschwerde der Beklagten, mit der die Festsetzung von vier Terminsgebühren - statt einer - erstrebt wird, ist unbegründet.

1. Soweit sich die Kläger zu 1. bis 3. dagegen wenden, dass die Kosten gegen sie als Gesamtschuldner festgesetzt worden sind, verbleibt es dabei, dass die Kläger nach dem Beschluss des LG vom 8.1.2007 die Kosten des Rechtstreits als Gesamtschuldner zu tragen haben. An diese Kostengrundentscheidung ist das Kostenfestsetzungsverfahren gebunden (vgl. z.B. Herget in Zöller, ZPO, 26. Aufl., § 91 Rz. 12).

2. Das LG hat die Verfahrensgebühren hinsichtlich der zunächst selbständigen Verfahren dem Grunde nach zu Recht, jedoch überhöht festgesetzt.

a) Werden zwei Verfahren, die zunächst selbständig waren, zu einem verbunden, so bleiben einmal entstandene Gebühren aus den getrennten Verfahren bestehen (§ 15 Abs. 4 RVG, § 15 Abs. 2 S 2 RVG, OLG Stuttgart OLGReport Stuttgart 2001, 270, Juris-Rz. 7). Gebühren, die ein Anwalt einmal verdient hat, kann dieser nicht mehr verlieren (vgl. z.B. Müller-Rabe in: Gerold/Schmidt, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 18. Aufl. 3100 VV, Rz. 81 - vgl. auch zum GKG: Hartmann: Kostengesetze, 37. Aufl., § 35 Rz. 12 "Prozessverbindung").

Soweit der Senat in einem früheren Beschluss die Auffassung erwogen hat, dass es sich bei mehreren Anfechtungsprozessen nach § 246 Abs. 3 S. 3 AktG für den Anwalt der beklagten Aktiengesellschaft um eine einzige Angelegenheit handele (KG, Beschl. v. 23.1.2008 - 5 W 206/07, KGReport Berlin 2008, 486-487), wird dies nicht aufrecht erhalten. Vielmehr waren die Prozessbevollmächtigten der Beklagten bis zur Verbindung in vier verschiedenen Angelegenheiten tätig (Hartmann, Kostengesetze, 37. Aufl., § 15 RVG, Rz. 37 m.w.N.;, vgl. auch Hansens, Kostenfestsetzung gegen Streitgenossen; Angelegenheit in nachträglich verbundenen aktienrechtlichen Anfechtungs-und Nichtigkeitsklagen, RVGreport, 2008, 138, 139; OLG Koblenz MDR 2005, 1017 zu den Gerichtsgebühren in aktienrechtlichen Anfechtungsklagen vor der Verbindung). Dies entspricht auch dem Wortlaut des § 246 Abs. 3 S. 3 AktG. Somit handelt es sich bis zur Verbindung um mehrere Prozesse, d.h. um mehrere gebührenrechtliche Angelegenheiten i.S.v. § 15 Abs. 2 S. 2 RVG.

b) Die angefallenen Verfahrensgebühren der Prozessbevollmächtigten der Beklagten sind von den Klägern gem. § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO als zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendige Kosten zu tragen. Soweit der Senat in der o.a. Entscheidung ...

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