Leitsatz (amtlich)

Fahrspuren auf Parkplätzen dienen grundsätzlich nicht dem fließenden Verkehr, so dass sie - vorbehaltlich der Umstände des Einzelfalls - keine Vorfahrt gewähren und auch § 10 StVO nicht gilt, sondern alle Fahrzeugführer zur gegenseitigen Rücksichtnahme nach § 1 StVO verpflichtet sind.

Etwas anderes kann jedoch gelten, wenn die angelegten Fahrspuren zwischen den Parkplätzen eindeutig Straßencharakter haben und sich aus ihrer baulichen Anlage ergibt, dass sie nicht dem Suchen von Parkplätzen dienen, sondern der Zu- und Abfahrt der Fahrzeuge.

Im Falle der Kollision eines Pkw, der aus einer kleinen Durchfahrtsgasse zwischen Parkplätzen mit ca. 45 km/h auf einen breiten Zufahrtsweg einfährt, mit einem von links kommenden Kfz kommt die Alleinhaftung des einfahrenden Pkw in Betracht.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Aktenzeichen 24 O 700/05)

 

Tenor

Der Senat beabsichtigt, die Berufung nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen.

 

Gründe

1. Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg, die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern keine Entscheidung des Berufungsgerichts, § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO.

Nach § 513 Abs. 1 ZPO kann die Berufung nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) beruht oder die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen.

Beides ist nicht der Fall.

Das LG hat die Beklagten mit dem angegriffenen Urteil zu Recht verurteilt, der Klägerin den ihr auf Grund des Unfalls vom 5.6.2005 mit ihrem Fahrzeug Opel Corsa entstandenen Schaden, soweit er schlüssig dargelegt war, in voller Höhe zu ersetzen.

Die hiergegen von den Beklagten gerichtete Berufung, mit welcher sie das Urteil lediglich insoweit angreifen, als sie zu einer mehr als 50%igen Haftung verurteilt worden sind, hat keine Aussicht auf Erfolg.

a) Die Berufung greift zu Unrecht die Ausführungen des LG an, soweit dieses davon ausgegangen ist, dass § 10 StVO hier zu Lasten des Beklagten zu 1. analog anzuwenden ist, wonach er dem Fahrer des klägerischen Fahrzeugs den Vorrang hätte lassen müssen.

Grundsätzlich dienen Fahrspuren auf Parkplätzen nicht dem fließenden Verkehr, weshalb im Regelfall davon auszugehen ist, dass sie keine Vorfahrt gewähren und auch für den Ausparkenden ggü. dem eine Fahrspur bereits Befahrenden § 10 StVO nicht gilt (vgl. Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 40. Aufl., § 8 StVO, Rz. 31a). Die den Parkplatz befahrenden Fahrzeugführer haben deshalb hohe Sorgfaltspflichten und sind sich zur gegenseitigen Rücksichtnahme gem. § 1 StVO verpflichtet (vgl. KG, Urt. v. 4.2.2002 - 12 U 111/01, KGReport Berlin 2002, 364 = VM 2003 Nr. 11 = VRS 104, 24 = NZV 2003, 381; OLG Frankfurt, Urt. v. 9.6.2009 - 3 U 211/08, NJW 2009, 3038).

Etwas anderes kann gelten, wenn die angelegten Fahrspuren zwischen den Parkplätzen eindeutig Straßencharakter haben und sich bereits aus ihrer baulichen Anlage ergibt, dass sie nicht dem Suchen von Parkplätzen dienen, sondern der Zu- und Abfahrt der Fahrzeuge. Handelt es sich bei einer bzw. mehreren der Zufahrtswege um eine ggü. den Durchfahrtsgassen zwischen den Parkplätzen nochmals baulich größer und breiter ausgestalteten Zufahrtsstraße, so kann § 10 StVO - jedenfalls wie das LG zutreffend ausgeführt hat analog - zur Anwendung kommen (vgl. hierzu auch OLG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 28.7.2006 - 10 U 28/06 - VerkMitt 2007, Nr. 43).

Entgegen den Ausführungen der Berufung ist die von dem klägerischen Fahrer befahrene Zufahrtsstraße bereits baulich deutlich ggü. den Zufahrtsgassen zu den einzelnen Parkplätzen abgesetzt. Es handelt sich um eine zweispurige Straße mit gestrichelter Mittellinie, an der sich selbst keine Parkplätze befinden. Sie dient allein als Zubringer zu den Zufahrtsgassen, an denen sich sodann erst die Parkplätze befinden. Zudem ist sie, was das LG ebenfalls richtig ausgeführt hat, jeweils durch bauliche Anlagen mit kleinen Hecken und Büschen gestaltet, was - wie sich auf der Luftbildaufnahme deutlich erkennen lässt - den beiden Zufahrtsstraßen einen eindeutigen Straßencharakter verleiht. Dies ist entgegen den Ausführungen der Beklagten für die Zufahrtsgassen nicht der Fall. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass es möglich ist, unter kreuzen der beiden Hauptzufahrtsstraßen von einem Ende des Parkplatzes zum anderen zu gelangen.

b) Ebenfalls zutreffend hat das LG ausgeführt, dass der Grundsatz "rechts vor links" nach § 8 Abs. 1 Satz 1 StVO im Verhältnis Beklagter zu 1. zum klägerischen Fahrer nicht galt.

In der Rechtsprechung wird die Frage, ob § 8 StVO ("rechts vor links") auf Parkplätzen anwendbar ist, für gleichartige Fahrspuren mit eindeutigem Straßencharakter sowie auch für sonstige baulich gleich gestaltete Fahrspuren bejaht (vgl. Hentschel, a.a.O.; OLG Hamm, Urt. v. 15.2.2001 - 6 U 202/00 - Schaden-Praxis 2001, 229; LG Bochum, Urt. v. 15.11.2002 - 5 S 209/02 - Schade...

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