Verfahrensgang

AG Berlin-Köpenick (Aktenzeichen 63 VI 946/22)

 

Tenor

1.1. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Amtsgerichts Köpenick - Nachlassgericht - vom 15. März 2023 geändert:

Die dem Erbscheinsantrag vom 7. November 2022 zugrundeliegenden Tatsachen werden für festgestellt erachtet.

 

Gründe

I. Die am 12. Januar 2022 in Berlin verstorbene Erblasserin war in zweiter Ehe verheiratet mit dem vorverstorbenen A. B. Aus dieser Ehe ist kein Kind hervorgegangen. Beide Ehegatten hatten jedoch Kinder aus ihren ersten Ehen: A. B. zwei Töchter und einen Sohn; die Erblasserin die Antragstellerin, die sie zusammen mit ihrem ersten Ehemann noch minderjährig an Kindes statt angenommen hatte.

Mit privatschriftlichem gemeinschaftlichem Testament vom 10./11. Juli 1997 verfügten die Eheleute wie folgt:

"Unser letzter Wille

1. Wir, die Eheleute A. und C. B., setzen uns gegenseitig zu Alleinerben ein. Aus der Ehe sind keine gemeinsamen Kinder hervorgegangen.

2. Zwischen den Eheleuten wurde vereinbart, daß die 3 Kinder aus der geschiedenen Ehe des A. B., D., E. und F. sowie die Tochter aus der geschiedenen Ehe der C. B., I., je 10.000, - DM vor Wirksamwerden des gemeinsam erstellten Testaments, erhalten. (s. beiliegende Zahlungsbelege) Mit dieser Vorableistung von insgesamt 40.000,- DM sind an den Überlebenden keine Forderungen auf ein Pflichtteil zu stellen. [...]"

Eine Ablichtung dieses eröffneten Testaments wurde der Antragstellerin mit Verfügung des Nachlassgerichts vom 22. Februar 2022 zugestellt. Unter dem 28. April 2022 schrieb das Amtsgericht Köpenick - Nachlassgericht - sie wegen eingegangener Unterlagen des Bestattungsinstituts als potentielle gesetzliche Erbin an. Anfang Mai 2022 meldete sich die Vermieterin der Erblasserin wegen eventueller Mietforderungen und Räumungskosten beim Nachlassgericht.

Am 13. Mai 2022 schlug die Antragstellerin das Erbe vor dem Amtsgericht Brandenburg an der Havel - Abteilung für Nachlasssachen - aus; hilfsweise focht sie die Annahme der Erbschaft durch Fristversäumnis an (Bl. 6 d.A.). Sie erklärte u.a. zu Protokoll:

"Ich habe Ende Februar ein Testament der Erblasserin vom 11.07.1997 bekannt gegeben bekommen. Mir wurden mit der Bekanntgabe keine weiteren Informationen zuteil. Das Nachlassgericht übersandte mir schlicht eine Abschrift des Testaments. [...] Ich hatte jedoch daraus nicht den Schluss gezogen, dass ich ihre Erbin sein könnte. Da ich seit vielen Jahren überhaupt nicht in Kontakt zu der Erblasserin stand, nahm ich an, sie hätte vielleicht eine weitere Person zu ihrer Erbin bestimmt, vielleicht deren Schwester. Möglicherweise war mir die Verfügung [...] nur bekannt gegeben worden, weil hierin ein Zahlungsanspruch zu meinen Gunsten erwähnt ist.

Ich sah mich aus diesen Gründen nicht veranlasst irgendetwas zu unternehmen.

Erst als ich das Schreiben des Nachlassgerichts vom 28.04.2022 erhielt und mit dem zuständigen Rechtspfleger am 09.05.2022 telefonierte, erfuhr ich, dass ich aus dem Testament hätte schließen sollen, dass ich gesetzliche Erbin geworden bin. Die Frist zur Ausschlagung einer Erbschaft [...] war bislang nicht bekannt. [...]

Die angefallene Erbschaft schlage ich aus jedem Berufungsgrunde aus, einerlei ob der Anfall aufgrund gesetzlicher Erbfolge erfolgt oder auf einer Verfügung von Todes wegen [...] beruht. Hilfsweise fechte ich die Annahme der Erbschaft durch Fristversäumnis aus den o.g. Gründen an. Hätte ich nach Erhalt der Post vom 22.02.2022 [...] gewusst, dass ich als Erbin in Betracht komme und diese Erbenstellung ausschlagen kann, hätte ich dies unmittelbar getan."

Dieses Protokoll ging am 17. Mai 2022 beim zuständigen Nachlassgericht ein. Mitte Juni 2022 teilte das Amtsgericht Köpenick - Nachlassgericht - der Vermieterin der Erblasserin mit, dass alle bekannt gewordenen Erben die Erbschaft ausgeschlagen hätten bzw. ausschlagen würden und Mittel zur Begleichung ihrer Ansprüche dem Nachlass (derzeit) nicht zur Verfügung stünden.

Ende Juni 2022 wurde die Antragstellerin sodann mündlich und schriftlich von dem ehemaligen Betreuer der Erblasserin darüber benachrichtigt, dass der Wert des Nachlasses etwa 350.000,00 EUR betrage (Bl. 60 d.A.). Seinem Rat folgend focht sie am 19. Juli 2022 die Ausschlagung der Erbschaft vor dem Amtsgericht Köpenick an (Bl. 22 d.A.). Sie erklärte wiederum wörtlich zu Protokoll:

"Ich habe in Unkenntnis über den Wert des Nachlasses am 13.05.2022 die Annahme der Erbschaft angefochten, nachdem ich mit Schreiben vom 22.02.2022 von Tod [sic] meiner Mutter durch Übersendung einer Abschrift des Testamentes informiert worden bin, Mit dem Schreiben des Gerichts konnte ich nichts anfangen. Die Ausschlagung erfolgte ohne Begründung aus allen Berufungsgründen, weil ich mit der Sache nichts zu tun haben wollte. [...] Im Übrigen verweise ich auf meine Stellungnahme, die als Anlage zum Protokoll genommen werden soll. [...]"

In der Anlage (Bl. 23 d.A.) heißt es auszugsweise:

"Dabei [bei der Ausschlagung] bin ich davon irrtümlich ausgegangen, das...

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