Entscheidungsstichwort (Thema)

Haftung des vor Aufleuchten des Grünpfeils sorgfaltswidrig abbiegenden Linksabbiegers

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Aktenzeichen 59 O 177/07)

 

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt einstimmig, die Berufung durch Beschluss gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

2. Die Berufungskläger erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme binnen einer Frist von zwei Wochen ab Zugang dieses Beschlusses.

 

Gründe

1. Der Kläger nimmt die Beklagten auf Schadensersatz nach einer Quote von 100 % in Anspruch aus einem Verkehrsunfall vom 28.1.2007, der sich auf einer ampelgeregelten Kreuzung mit grünem Linksabbiegerpfeil ereignet hat, die der Kläger als Geradeausfahrer überqueren wollte, während die Zweitbeklagte aus dem Gegenverkehr nach links abbog.

Das LG hat der Klage nach Beweisaufnahme nach einer Quote von 2/3 stattgegeben mit der Begründung, es sei bewiesen, dass der Kläger bei "frühem" Rot in den Kreuzungsbereich eingefahren sei (UA 7-9); ebenfalls sei jedoch bewiesen, dass die Zweitbeklagte vor Aufleuchten des Grünpfeils nach links abgebogen sei. (UA 10-12).

Da der Linksabbieger gehalten sei, mit hoher Aufmerksamkeit den herannahenden bevorrechtigten Gegenverkehr zu beachten und durchfahren zu lassen, sei nach § 17 StVG eine Quote von 2/3 zu 1/3 zu Lasten des Linksabbiegers angemessen.

Dagegen wenden sich die Beklagten mit ihrer Berufung, wobei sie ihre Mithaftung nach einer Quote von 30 % anerkennen.

Sie machen geltend, Beweiswürdigung und Haftungsabwägung des LG seien fehlerhaft; richtigerweise sei eine Mithaftungsquote von 70 % zu Lasten des Klägers angemessen; das LG habe die Anhörung der Zweitbeklagten nicht zutreffend gewichtet; nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme bestehe kein Zweifel daran, dass die Zweitbeklagte ggü. dem Kläger vorfahrtberechtigt gewesen sei.

2. Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg.

Nach § 513 Abs. 1 ZPO kann die Berufung nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) beruht oder die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen.

Beides ist nicht der Fall.

Der Senat folgt den im Wesentlichen zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung, die durch die Berufungsbegründung nicht entkräftet worden sind. Ergänzend wird auf Folgendes hingewiesen:

a) Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO hat das Berufungsgericht seiner Entscheidung die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen zugrunde zu legen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen.

Dies ist nicht der Fall, wenn sich das Gericht des ersten Rechtszuges bei der Tatsachenfeststellung an die Grundsätze der freien Beweiswürdigung des § 286 ZPO gehalten hat und das Berufungsgericht keinen Anlass sieht vom Ergebnis der Beweiswürdigung abzuweichen (st. Rspr., vgl. KG, Urt. v. 8.1.2004 - 12 U 184/02; vgl. auch KG [22. ZS], KGReport Berlin 2004, 38 = MDR 2004, 533; KG, Urt. v. 8.1.2004 - 12 U 184/02, KGReport Berlin 2004, 269).

§ 286 ZPO fordert den Richter auf, nach seiner freien Überzeugung zu entscheiden. Das bedeutet, dass er lediglich an Denk- und Naturgesetze sowie an Erfahrungssätze und ausnahmsweise gesetzliche Beweisregeln gebunden ist, ansonsten aber die im Prozess gewonnenen Erkenntnisse nach seiner individuellen Einschätzung bewerten darf. So darf er beispielsweise einer Partei mehr glauben als einem beeideten Zeugen oder trotz mehrerer bestätigender Zeugenaussagen das Gegenteil einer Beweisbehauptung feststellen (Zöller/Greger, ZPO, 26. Aufl. 2007, § 286 Rz. 13).

Die leitenden Gründe und die wesentlichen Gesichtspunkte für seine Überzeugungsbildung hat das Gericht nachvollziehbar im Urteil darzulegen. Dabei ist es nicht erforderlich, auf jedes einzelne Parteivorbringen und Beweismittel ausführlich einzugehen; es genügt, dass nach der Gesamtheit der Gründe eine sachentsprechende Beurteilung stattgefunden hat (Thomas/Putzo, ZPO, 28. Aufl. 2007, § 286 Rz. 3, 5).

b) An diese Regeln der freien Beweiswürdigung hat das LG sich im angefochtenen Urteil gehalten; der Senat folgt der Beweiswürdigung auch in der Sache.

aa) Zwar kann der Eindruck entstehen, als habe das LG auf S. 7 und auf S. 10 des angefochtenen Urteils jeweils die Beweislast verkannt; denn nach höchstrichterlicher Rechtsprechung muss im Falle einer Kollision auf ampelgeregelter Kreuzung mit grünem Abbiegepfeil nicht der Geradeausfahrer beweisen, dass er bei Grün in die Kreuzung eingefahren ist, und nicht der Linksabbieger, dass er erst nach Aufleuten des Grünpfeils abgebogen ist; vielmehr muss in einem solchen Fall der Linksabbieger den Rotlichtverstoß des Geradeausfahrers und der Geradeausfahrer beweisen, dass der Linksabbieger vor Aufleuten des Grünpfeils abgebogen ist, wenn er daraus für sich günstige Rechtsfolgen herleiten will (vgl. nur BGH, Urt. v. 13.2.1996 - VI ZR 126/95, NJW 1996, 1405 = VersR 1996, 513 = NZV 1996, 231 = MDR 1996, 907; KG, Urt. v. 10.5.1999 - 12 U 9612/97, NZ...

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