Leitsatz (amtlich)

Jedenfalls mit In-Kraft-Treten des Anhörungsrügengesetz am 1.1.2005 ist auch im Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit die außerordentliche Beschwerde nicht mehr statthaft (im Anschluss an BGH v. 7.3.2002 - IX ZB 11/02, BGHReport 2002, 431 = MDR 2002, 901 = NJW 2002, 1577).

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Beschluss vom 04.06.2004; Aktenzeichen 87 T 740/01, 87 T 55/04)

AG Berlin-Mitte (Aktenzeichen 51-XVII K 470)

 

Tenor

Die sofortigen weiteren Beschwerden werden nach einem Wert von bis zu 2.000 Euro und von bis zu 1.000 Euro als unzulässig verworfen.

 

Gründe

1. Das Rechtsmittel der sofortigen weiteren Beschwerde ist nicht statthaft. Gegen Entscheidungen des Beschwerdegerichts, welche die Festsetzung von Betreuervergütung betreffen, ist die weitere Beschwerde (§ 27 FGG) nur eröffnet, wenn das Beschwerdegericht sie wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache zugelassen hat (§ 56g Abs. 5 S. 2 FGG). Dies ist hier nicht der Fall; vielmehr hat das Beschwerdegericht die Zulassung im Tenor und in den Gründen seiner Entscheidung ausdrücklich abgelehnt. Diese Nichtzulassung ist bindend; die Entscheidung über die Zulassung unterliegt nicht der Nachprüfung durch das höhere Gericht (Keidel/Engelhardt, FGG, 15. Aufl., § 56g Rz. 37; Jansen, FGG, 2. Aufl., § 19 Vorbem. Rz. 16; BayObLG FGPrax 2002, 270). Eine Nichtzulassungsbeschwerde gegen die Entscheidung des Beschwerdegerichts hat der Gesetzgeber nicht vorgesehen. Auch eine Zulassung durch das Rechtsbeschwerdegericht ist nicht möglich (OLG Köln v. 9.4.2003 - 16 Wx 95/03, OLGReport Köln 2003, 228). Allenfalls kommt eine ergänzende Zulassung der sofortigen weiteren Beschwerde durch das Beschwerdegericht unter den Voraussetzungen des § 321a ZPO auf Gegenvorstellung hin in Betracht (BGH, Beschl. v. 19.5.2004 - IXa ZB 182/03, BGHReport 2004, 1306 = MDR 2004, 1254, für die Rechtsbeschwerde nach § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO).

2. Das Rechtsmittel, mit dem der Beteiligte die Entscheidung des LG unter dem Gesichtspunkt der sog. greifbaren Gesetzeswidrigkeit anfechten will, ist hier auch nicht als außerordentliche Beschwerde zulässig.

In der Vergangenheit war im Zivilprozess ebenso wie im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit anerkannt, dass ein nach dem Verfahrensrecht unabänderlicher Beschluss dann anfechtbar sein muss, wenn die getroffene Entscheidung auf einer Verletzung grundrechtlich geschützter Verfahrensrechte, insb. des rechtlichen Gehörs, beruht oder sonst eine greifbare Gesetzwidrigkeit aufweist (BGH v. 8.10.1992 - VII ZB 3/92, BGHZ 119, 372 = MDR 1993, 80; KG v. 14.5.1996 - 1 W 2379/96, 1 W 2380/96, KGReport Berlin 1996, 186 = FGPrax 1996, 182, jeweils m.w.N.). Seit der Neuregelung der ZPO zum 1.1.2002 ist es jedoch für den Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit umstritten, ob der von der Rechtsprechung geschaffene Rechtsbehelf der außerordentlichen Beschwerde noch statthaft ist oder ob die Beteiligten statt dessen den Weg der Gegenvorstellung beschreiten müssen, um Rechtsschutz - speziell bei der Verletzung eines Verfahrensgrundrechts - zu erhalten.

Im Zivilprozess hat der BGH angesichts der Neuregelung des § 321a ZPO keine Möglichkeit gesehen, an der bisherigen Rechtsprechung festzuhalten, die bei "greifbar gesetzeswidrigen" Entscheidungen, insb. bei der Verletzung von Verfahrensgrundrechten, in eng begrenzten Ausnahmefällen eine außerordentliche Beschwerde zum BGH für zulässig gehalten hat (BGH, Beschl. v. 7.3.2002 - IX ZB 11/02, BGHReport 2002, 431 = MDR 2002, 901 = NJW 2002,1577). Mit dem neu geschaffenen § 321a ZPO sei erstmals eine förmliche Abhilfemöglichkeit für Verfahren vorgesehen, in denen eine Überprüfung bislang nicht möglich war. Dabei habe der Gesetzgeber dem Gedanken der Selbstkorrektur den Vorzug gegeben, wonach ein erheblicher Verfahrensverstoß durch das Gericht zu korrigieren ist, das ihn begangen hat (iudex a quo). Diese Grundentscheidung sei zu beachten und die Eröffnung einer weiteren Instanz mithin ausgeschlossen.

Künftig wird im Anschluss an die Rechtsprechung des BGH auch für das Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit keine Notwendigkeit mehr bestehen, mit der außerordentlichen Beschwerde einen Rechtsbehelf außerhalb des geschriebenen Rechts zuzulassen. Denn mit dem Anhörungsrügengesetz v. 28.10.2004, welches am 1.1.2005 in Kraft treten wird (BT-Drucks. 15/4061 und Plenarprotokolle des Deutschen Bundestages, 15. Wahlperiode, S. 12430), hat der Gesetzgeber auch für die freiwillige Gerichtsbarkeit ein förmliches Verfahren zur instanzinternen Behebung eines grundrechtsrelevanten Verfahrensfehlers, nämlich die Verletzung des rechtlichen Gehörs vorgesehen. Nach dem künftigen § 29a FGG ist auf die Rüge eines durch eine unanfechtbare bzw. nicht änderbare gerichtliche Entscheidung beschwerten Beteiligten das Verfahren fortzuführen, wenn das Gericht den Anspruch dieses Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat. Mit diesem Gesetz hat der Gesetzgeber auf den Gesetzgebungsauftrag des BVerfG in der Plenare...

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