Entscheidungsstichwort (Thema)

Betreten der Fahrbahn durch einen Fußgänger vor einem erkennbar herannahenden Fahrzeug

 

Normenkette

StVO § 25 Abs. 3

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Aktenzeichen 24 O 277/07)

 

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt einstimmig, die Berufung durch Beschluss gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

2. Der Berufungskläger erhält Gelegenheit zur Stellungnahme binnen einer Frist von zwei Wochen ab Zugang dieses Beschlusses.

 

Gründe

Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg. Der Senat folgt den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung, die durch die Berufungsbegründung nicht entkräftet worden sind. Ergänzend wird auf Folgendes hingewiesen:

I. Nach § 513 Abs. 1 ZPO kann die Berufung nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) beruht oder die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Beides ist nicht der Fall.

1. Die Klägerin meint auf S. 2 der Berufungsbegründung, das LG habe es dahinstehen lassen, von welcher Seite sie die Fahrbahn betreten habe.

Dies ist ausweislich der Urteilsgründe falsch.

Denn auf S. 4 des angefochtenen Urteils ist ausgeführt:

"Vielmehr hat die Klägerin zur Überzeugung des Gerichts die Straße vom Mittelstreifen aus überquert, ist zwischen dem vor einer roten Ampel haltenden Verkehr hindurch gelaufen und hat somit durch ihr Betreten der Fahrbahn die Kollision mit dem Beklagten selbst schuldhaft verursacht ..."

Diese Überzeugung stützt das LG dann auf die Aussage des als Zeugen vernommenen Busfahrers L; nach dessen Aussage vor dem LG am 23.4.2008 in Verbindung mit dessen schriftlicher Erklärung ggü. der Polizei vom 5.7.2007 ist die Klägerin am 1.7.2007 von links vom Mittelstreifen kommend unmittelbar vor seinem Bus vorbei gelaufen.

2. Die Klägerin wendet sich ferner gegen die Auffassung des LG (UA 4 f.), sie als Fußgänger hätte gegen ihre Pflichten aus § 25 Abs. 3 StVO grob fahrlässig verstoßen.

Sie meint, der Schutzzweck der Vorschrift liege nicht darin, das Überqueren in einem Abstand von 43 m vor einer Ampel mit Fußgängerüberweg zu verbieten, wenn "erkennbar sämtliche Fahrzeuge auf der Straße vor einer Ampel stehen" (S. 3 der Berufungsbegründung).

Diese Auffassung teilt der Senat nicht.

a) Nach § 25 Abs. 3 StVO dürfen Fußgänger - wenn es die Verkehrslage erfordert - die Fahrbahn nur an Kreuzungen oder Einmündungen, an Lichtzeichenanlagen innerhalb von Markierungen oder auf Fußgängerüberwegen (Zeichen 293) überschreiten.

Zutreffend hat das LG (UA 5) festgestellt, dass die Klägerin gegen diese Vorschrift grob fahrlässig verstoßen hat.

Die Wahl der Übergangsstelle ist für den Fußgänger dann beschränkt, wenn es die Verkehrslage erfordert, also bei dichtem Fahrverkehr, hoher Geschwindigkeit der Fahrzeuge, Beschränkung der Sichtverhältnisse oder wenn das Überqueren aus sonstigen Gründen mit besonderen Schwierigkeiten und Gefahren verbunden ist (vgl. Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 39. Aufl., StVO § 25 Rz. 43; Janiszewski u.a., Straßenverkehrsrecht, 19. Aufl., StVO § 25 Rz. 13).

Im Streitfall herrschte zweifellos dichter Fahrverkehr, der sich vor roter Ampel gestaut hatte; allein der Umstand, dass mehrere, nicht alle, Fahrzeuge standen (nach Aussage der Klägerin vor dem LG kam der Bus des Zeugen L "in der rechten Geradeausspur angefahren" und "fuhr gerade langsam an die davor haltenden Busse heran") machte die Situation nicht weniger gefährlich; denn auch vor roter Ampel verkehrsbedingt haltende Fahrzeuge können jederzeit vorrücken oder wieder anfahren, wobei der Fußgänger den entsprechenden Zeitpunkt nicht abschätzen kann, so dass es erfahrungsgemäß wiederholt zu Unfällen kommt, wenn Fußgänger unmittelbar vor der Front haltender Fahrzeuge die Fahrbahn überqueren (vgl. nur KG, Urteil vom 10.11.1997 - 12 U 5774/96, VersR 1999, 504 = DAR 1999, 115 = NZV 1999, 329; KG, Urt. v. 21.12.2006 - 22 U 94/05).

Zwar hat sich dieses Risiko hier nicht verwirklicht, belegt aber die generelle Gefährlichkeit der Verkehrslage.

Diese ist nämlich auch dadurch gekennzeichnet, dass der Fußgänger, der zwischen haltenden größeren Fahrzeugen die Fahrbahn überquert, den nächsten Fahrstreifen nicht einsehen kann, was nach dem vom LG für bewiesen angesehen Unfallhergang hier zum Unfall geführt hat.

Erfordert nach § 25 Abs. 3 StVO die Verkehrslage das Überqueren der Fahrbahn durch Fußgänger an ampelgeregelten Fußgängerüberwegen, ist der Fußgänger verpflichtet, einen von der Unfallstelle nur 39 - 43 m entfernten ampelgeregelten Fußgängerüberweg zu benutzen (so BGH, Urt. v. 27.6.2000 - VI ZR 126/99, MDR 2000, 1189).

b) Selbst wenn aber die Klägerin aufgrund der gegebenen Verkehrslage nicht gehalten war, die Fahrbahn an dem ca. 15 bis 43 m entfernten Fußgängerüberweg zu überqueren, ist das angefochtene Urteil im Ergebnis richtig.

Die Auffassung der Klägerin in ihrer persönlichen Anhörung vor dem LG, sie habe das Überqueren der Straße in der ihr erinnerlichen Situation als völlig ungefährlich erachtet, hat sich als falsch erwie...

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