Leitsatz (amtlich)

Der Nachweis der Erbfolge kann gegenüber dem Grundbuchamt mit der beglaubigten Abschrift eines Europäischen Nachlasszeugnisses geführt werden. Die formellen Voraussetzungen an eine solche beglaubigte Abschrift folgen aus dem Unionsrecht. Das nationale (Grundbuch-)Recht gebietet keine strengeren Anforderungen.

 

Normenkette

BeurkG §§ 1, 44; GBO §§ 29, 35; IntErbRVG § 34; EuErbVO-DVO Art. 1; EuErbVO Art. 63, 69

 

Tenor

Die Zwischenverfügung wird aufgehoben.

 

Gründe

I. Die in Abt. I lfd. Nr. 1 je zur Hälfte eingetragenen Eigentümer, die Eltern der Beteiligten, sind am 11. August 2021 bzw. am 23. Februar 2022 verstorben. Das Amtsgericht Wedding erteilte der Beteiligten am 14. Oktober 2022 ein Europäisches Nachlasszeugnis, das ihre Mutter als Erbin ihres Vaters ausweist - 60 VI 1349/21 -. Ein weiteres Europäisches Nachlasszeugnis des Amtsgerichts Wedding vom selben Tag weist die Beteiligte als Erbin ihrer Mutter auf - 60 VI 1023/22 -.

Die Beteiligte hat unter Beifügung durch das Nachlassgericht gefertigter beglaubigter Abschriften der beiden Europäischen Nachlasszeugnisse bei dem Grundbuchamt die Berichtigung des Grundbuchs beantragt. Mit Zwischenverfügung vom 22. November 2022 hat das Grundbuchamt unter Fristsetzung die Form der eingereichten Europäischen Nachlasszeugnisse beanstandet. Diese seien je "urkundlich zu verbinden". Hiergegen richtet sich die Beschwerde vom 19. Dezember 2022, der das Grundbuchamt mit Beschluss vom 22. 9. Dezember 2022 nicht abgeholfen hat.

II. 1. Die im Namen der Beteiligten erhobene Beschwerde ist zulässig, § 71 Abs. 1 GBO, und hat auch in der Sache Erfolg. Das von dem Grundbuchamt aufgezeigte Eintragungshindernis besteht nicht, so dass kein Anlass für den Erlass der angefochtenen Zwischenverfügung bestand, § 18 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 GBO. Diese ist folglich aufzuheben.

2. Der Nachweis der Erbfolge kann gegenüber dem Grundbuchamt nur durch einen Erbschein oder ein Europäisches Nachlasszeugnis geführt werden, § 35 Abs. 1 S. 1 GBO. Dabei ist dem Grundbuchamt der Erbschein entweder in Urschrift oder Ausfertigung vorzulegen (BGH, MDR 1982, 308). Der Ausfertigung eines Erbscheins entspricht die nach Art. 70 Abs. 1 Verordnung (EU) Nr. 650/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses (EuErbVO) dem Antragsteller auszustellende beglaubigte Abschrift der bei dem Nachlassgericht verbleibenden Urschrift des Europäischen Nachlasszeugnisses (BR-Drs 644/14, S. 56).

Solche beglaubigten Abschriften hat die Beteiligte zum Nachweis der Erbfolge nach ihren Eltern vorgelegt.

a) Bei der beglaubigten Abschrift eines Europäischen Nachlasszeugnisses handelt es sich um eine sonstige Eintragungsvoraussetzung im Sinne von § 29 Abs. 1 S. 2 GBO (Hertel, in: Meikel, GBO, 12. Aufl., § 29, Rdn. 510.2). Welche Förmlichkeiten bei der Ausstellung der Urkunde zu beachten sind, ist nicht in der Grundbuchordnung geregelt, sondern richtet sich nach den für die Erteilung des Zeugnisses maßgeblichen Vorschriften (OLG München, FGPrax 2019, 200, 201). Die sind vorliegend aber eingehalten worden.

Das für die Ausstellung des Europäischen Nachlasszeugnisses zuständige Nachlassgericht, Art. 64, 3 Abs. 2 EuErbVO, § 34 Abs. 4 S. 2 IntErbRVG, hat das Formblatt V in Anhang 5 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1329/2014 der Kommission vom 9. Dezember 2014 zur Festlegung der Formblätter nach Maßgabe der EuErbVO (EuErbVO-DVO) zu verwenden, Art. 1 Abs. 5 EuErbVO-DVO, 67 Abs. 1 S. 2, 81 Abs. 2 EuErbVO. Das ist vorliegend geschehen. Beide beglaubigten Abschriften der Europäischen Nachlasszeugnisse entsprechen dem Formblatt V, insbesondere sind die Beglaubigungsvermerke auf S. 7 unterschrieben und mit dem Siegel des Nachlassgerichts versehen worden.

Die Vollständigkeit der - nach dem Formblatt V immer aus einer Mehrzahl von Blättern bestehenden - beglaubigten Abschrift des europäischen Nachlasszeugnisses ergibt sich aus den auf Seite 1 bezeichneten Anlagen, der fortlaufende Paginierung der einzelnen Seiten sowie der Angabe ihrer Gesamtzahl auf Seite 7 (Krause/Weber, in: Meikel, a.a.O., § 35, Rdn. 58.1). Darüber hinaus sind die einzelnen Blätter der Zeugnisse mittels Heftung miteinander verbunden worden. Damit kann die Rechtsnachfolge nach den verstorbenen Eigentümern des Grundstücks - formell - nachgewiesen werden, §§ 35 Abs. 1 S. 1, 29 Abs. 1 S. 2 GBO.

b) Der von dem Grundbuchamt geforderten "urkundlichen Verbindung" der einzelnen Blätter bedarf es nicht.

aa) Für dieses - offenbar auf eine über die vorhandene Heftung hinausgehende physikalische Verbindung gerichtete, vgl. § 44 BeurkG - Verlangen besteht keine Rechtsgrundlage. Zutreffend weist die Beschwerde darauf hin, dass insbesondere die Regelungen des Beurkundungsgesetzes keine Anwendung finden. Die Vorschriften des Beurkundungsgesetzes gelte...

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