Leitsatz (amtlich)

Eine nach der einschlägigen Ermächtigungsnorm erforderliche Begründung einer Rechtsverordnung muss spätestens im Zeitpunkt ihres Inkrafttretens öffentlich bekannt gemacht worden sein.

Der Gesetzgeber hat bei dem Genehmigungsvorbehalt nach § 250 Abs. 1 S. 1 BauGB keine von § 878 BGB abweichende Sonderregelung getroffen. Ist ein Antrag auf Vollzug einer Teilungserklärung vor dem Inkrafttreten einer Rechtsverordnung nach § 250 Abs. 1 S. 3 BauGB gestellt worden, besteht insoweit keine Grundbuchsperre (im Anschluss an Senat, Beschluss vom 16. November 2021 - 1 W 347/21)

 

Normenkette

BauGB § 250 Abs. 1; BGB § 878; UmwandlungsVO Fassung: 2021-08-03; UmwandlungsVO Fassung: 2021-09-21; WEG § 8 Abs. 1

 

Tenor

Die Zwischenverfügung wird im angefochtenen Umfang aufgehoben.

 

Gründe

1. Das Rechtsmittel ist zulässig, § 71 Abs. 1 GBO. Die Beschwerde richtet sich allein gegen Punkt 2 der Zwischenverfügung vom 20. August 2021, was nicht zu beanstanden ist. Jede einzelne, in einer Zwischenverfügung aufgeführte Beanstandung bildet eine Entscheidung im Sinne von § 71 Abs. 1 GBO und kann für sich allein angefochten werden (Demharter, GBO, 32. Aufl., § 71, Rdn. 34)

2. Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Punkt 2 der angefochtenen Zwischenverfügung ist nicht gemäß § 18 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 GBO veranlasst, denn das beanstandete Eintragungshindernis besteht nicht. Eine Genehmigung des Bezirksamts nach § 250 Abs. 1 S. 1 BauGB ist nicht erforderlich.

a) Die Begründung oder Teilung von Wohnungseigentum oder Teileigentum bedarf der Genehmigung, wenn das bereits mit einem Gebäude bebaute Grundstück in einem Gebiet mit angespanntem Wohnungsmarkt im Sinne von § 201a S. 3 und 4 BauGB belegen ist, das als ein solches Gebiet durch landesrechtliche Rechtsverordnung bestimmt worden ist, § 250 Abs. 1 S. 1 BauGB. Dementsprechende Eintragungen in das Grundbuch darf das Grundbuchamt nur vornehmen, wenn ihm die Genehmigung oder das Nichtbestehen der Genehmigungspflicht nachgewiesen ist, § 250 Abs. 5 S. 1 BauGB.

aa) Der Senat von Berlin hat mit der Verordnung über einen Genehmigungsvorbehalt gemäß § 250 Absatz Satz 1 des Baugesetzbuchs für die Begründung oder Teilung von Wohnungseigentum oder Teileigentum in Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten (Umwandlungsverordnung nach § 250 BauGB) vom 3. August 2021 (GVBl. S. 932, im Folgenden: UmwandlungsVO1) das gesamte Land Berlin als ein Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt bestimmt, § 1 S. 1 UmwandlungsVO1. Die Verordnung ist einen Tag nach ihrer Verkündung im Gesetz- und Verordnungsblatt für Berlin vom 5. August 2021 in Kraft getreten, § 3 S. 1 UmwandlungsVO1.

Der Antrag der Beteiligten auf Vollzug der Teilungserklärung vom 4. August 2021 ist bei dem Grundbuchamt erst danach am 9. August 2021 eingegangen, § 13 Abs. 2 und 3 GBO. Gleichwohl bedarf es hier nicht des Nachweises einer Genehmigung nach § 250 Abs. 1 S. 1 BauGB.

bb) Die UmwandlungsVO1 ist, unabhängig davon, dass sie zwischenzeitlich bereits wieder außer Kraft getreten ist, § 3 Abs. 1 S. 2 der Verordnung über einen Genehmigungsvorbehalt gemäß § 250 Absatz Satz 1 des Baugesetzbuchs für die Begründung oder Teilung von Wohnungseigentum oder Teileigentum in Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten (Umwandlungsverordnung nach § 250 BauGB) vom 21. September 2021 (GVBl. S. 1175, im Folgenden: UmwandlungsVO2), nichtig. Damit lagen im Zeitpunkt des Antragseingangs die Voraussetzungen für einen Genehmigungsvorbehalt nach § 250 Abs. 1 S. 1 BauGB nicht vor.

Die UmwandlungsVO1 war von ihrer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage nicht gedeckt. Eine Rechtsverordnung nach § 250 Abs. 1 S. 3 BauGB erfordert eine Begründung, § 250 Abs. 1 S. 4 BauGB. Die Begründungsverpflichtung dient dem Grundrechtsschutz, indem sie den Verordnungsgeber dazu zwingt, eine Verhältnismäßigkeitsprüfung durchzuführen und deren Voraussetzungen zu belegen (vgl. BGH, NJW 2019, 2844 ff. zur Nichtigkeit der Hessischen Mietbegrenzungsverordnung vom 17. November 2015 wegen Begründungsmangels). Dem Begründungsgebot wohnt die Verpflichtung inne, die Begründung in zumutbarer Weise öffentlich bekannt zu machen (BGH, a.a.O., 2847). Auch wenn es nicht erforderlich sein mag, die Begründung zusammen mit der Verordnung im Gesetz- und Verordnungsblatt zu veröffentlichen (BGH, a.a.O.; NZM 2020, 551, 558 zur Berliner Mietenbegrenzungsverordnung vom 28. April 2015), erfordert die Begründungspflicht zumindest eine zeitnahe Veröffentlichung nach Erlass der Rechtsverordnung (vgl. BT-Drs. 19/24334, S. 74 zu § 28a Abs. 5 IfSG). Die Veröffentlichung erst nach Inkrafttreten der Verordnung genügt hingegen nicht.

Die Begründung zur UmwandlungsVO1 wurde erst am 13. August 2021 im Amtsblatt von Berlin (S. 2823 ff.) veröffentlicht, also eine Woche nach Inkrafttreten der Verordnung und 10 Tage nach ihrem Erlass durch den Senat von Berlin.

Die Pflicht zur Begründung einer Rechtsverordnung nach § 250 Abs. 1 S. 3 BauGB ist Bestandteil der Ermächtigungsgrundlage, § 250 Abs. 1 S. 4 BauGB. Eine Rechtsverordnu...

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