Verfahrensgang

LG Berlin (Entscheidung vom 15.11.2010)

 

Tenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 15. November 2010 wird nach § 349 Abs. 2 StPO verworfen.

Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

 

Gründe

Das Amtsgericht Tiergarten in Berlin hat den Angeklagten des Erschleichens von Leistungen schuldig gesprochen und ihn zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 15 Euro verurteilt. Das Landgericht hat die Berufung des Angeklagten unter Abänderung der Tagessatzhöhe verworfen. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung sachlichen Rechts. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

1. Das Landgericht hat zum Tathergang die folgenden Feststellungen getroffen:

"Der Angeklagte nutzt die öffentlichen Verkehrsmittel in Berlin ständig bewusst ohne Bezahlung. So ist er auch zur hiesigen Berufungsverhandlung mit der U-Bahn gefahren, ohne einen Fahrschein bezahlt zu haben.

Zu den folgenden Zeitpunkten wurde er von Kontrolleuren der Berliner Verkehrsbetriebe angetroffen, als er jeweils mit der U-Bahn unterwegs war, ohne zuvor einen Fahrschein, insbesondere einen Einzelfahrschein im Wert von 2,10 Euro gelöst zu haben oder im Besitz eines gültigen Fahrausweises wie z.B. einer Monatskarte zu sein, weil er die Auffassung vertritt, für diese Leistung nicht zahlen zu wollen. Beim Betreten der U-Bahn-Wagen und während der Fahrt trug er an seiner Kleidung etwa in Brusthöhe ein Schild etwa in Größe einer Scheckkarte mit dem Aufdruck ‚Für freie Fahrt in Bus und Bahn’ und ‚Ich zahle nicht’ sowie in der Mitte einem Foto augenscheinlich von drei Bussen der BVG mit dem Querdruck ‚Streik’. Dabei handelt es sich um folgende Tage:

1. am 17. September 2009 um 17.34 Uhr festgestellt in der U-Bahn der Linie 8 in Höhe des U-Bahnhofes Pankstraße

2. am 25. September 2009 um 15.14 Uhr festgestellt in der U-Bahn der Linie 9 in Höhe des U-Bahnhofes Hansaplatz

3. am 8. Oktober 2009 um 9.48 Uhr festgestellt in der U-Bahn der Linie 8 in Höhe des U-Bahnhofes Gesundbrunnen.

Die Berliner U-Bahn erlaubt den Fahrgästen einen barriere- und kontrollfreien Zugang zu den Bahnsteigen und den Zügen. Allerdings hat der Fahrgast beim Antritt der Fahrt im Besitz eines gültigen Fahrausweises zu sein, um zur Fahrt mit der U-Bahn oder anderer Verkehrsmittel aus dem Verkehrsverbund berechtigt zu sein."

2. Das Landgericht hat nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zu Recht angenommen, dass sich der Angeklagte des Erschleichens von Leistungen schuldig gemacht hat.

a) Indem er die U-Bahn nutzte, hat der Angeklagte in der Absicht, das Entgelt nicht zu entrichten, die Beförderung durch ein Verkehrsmittel in Anspruch genommen.

b) Sein Verhalten stellt entgegen dem Revisionsvorbringen ein Erschleichen der Beförderung dar. Eine Beförderung wird dann im Sinne von § 265 a Abs. 1 StGB erschlichen, wenn der Täter ein Verkehrsmittel unberechtigt benutzt und sich dabei allgemein mit dem Anschein umgibt, er erfülle die nach den Geschäftsbedingungen des Betreibers erforderlichen Voraussetzungen (vgl. BGH NStZ 2009, 211; OLG Frankfurt NJW 2010, 3107; OLG Hamburg NStZ 1991, 587; OLG Düsseldorf NStZ 1992, 84; NJW 2000, 2120; OLG Stuttgart NStZ 1991, 41; BayObLG StV 2002, 428; OLG Naumburg StraFo 2009, 343). Dafür ist nicht erforderlich, dass er gerade gegenüber dem Beförderungsbetreiber oder dessen Bediensteten einen Anschein ordnungsgemäßer Erfüllung der Geschäftsbedingungen hervorruft, es genügt vielmehr, dass er sich allgemein mit einem entsprechenden Anschein umgibt (vgl. BGH aaO.; OLG Stuttgart aaO.; BayObLG aaO.). Auch der Überwindung einer konkreten Schutzvorrichtung oder der Umgehung einer Kontrolle bedarf es zur Erfüllung des Tatbestandes nicht (vgl. BGH aaO.; OLG Stuttgart aaO.; OLG Hamburg aaO.).

Ob ein "täuschungsähnliches Moment" (vgl. dazu BGH aaO. Rdn. 12) erforderlich ist, braucht der Senat nicht zu entscheiden. Dagegen ließe sich allerdings die gesetzliche Verwendung des Begriffes des Erschleichens in anderen strafrechtlichen Zusammenhängen anführen. Während § 265 a Abs. 1 StGB die Tatbestandsverwirklichung alleine vom bloßen Erschleichen der Beförderung abhängig macht, ist in anderen Straftatbeständen das Hinzutreten weiterer, konkretisierender Merkmale erforderlich. So wird im Außenwirtschaftsrecht nach § 34 Abs. 8 AWG nur eine durch unrichtige oder unvollständige Angaben erlangte Genehmigung, im Bereich der Stammzellenforschung in § 13 Abs. 1 Satz 2 StZG lediglich eine durch vorsätzlich falsche Angaben erworbene Genehmigung und im Bereich des Ausländerzentralregisters in § 42 Abs. 2 Nr. 1 AZRG ausschließlich durch unrichtige Angaben die Übermittlung personenbezogener Angaben erschlichen. Die Beförderungserschleichung weist hingegen gerade keine weitergehenden, den Anwendungsbereich einschränkenden Erfordernisse auf. Demzufolge ist der Wortlaut - entsprechend der Funktion als Auffangtatbestand (vgl. BVerfG aaO.; BGH aaO.; Fischer aaO. Rdn. 1 m.w.Nachw.) - einer weiten Auslegung zugänglich (vgl. BVerfG aa...

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