Entscheidungsstichwort (Thema)

Beweisgebühr bei Einholung eines Sachverständigengutachtens durch die Parteien selbst auf Anregung des Gerichts

 

Leitsatz (amtlich)

1. Regt das Gericht die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu einer beweisbedürftigen Tatsache durch die Parteien selbst an und wird das von ihnen eingeholte Gutachten anschließend in den Prozess eingeführt, so erwächst ihren Prozessbevollmächtigten gem. § 31 Abs. 1 Nr. 3 BRAGO eine Beweisgebühr.

2. Die Beweisgebühr fällt gem. § 34 Abs. 2 BRAGO auch dadurch an, dass das Gericht die in dem Gutachten enthaltenen Feststellungen einer Beweiswürdigung unterzieht.

 

Normenkette

BRAGO § 31 Abs. 1 Nr. 3, § 34 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Beschluss vom 19.01.2001; Aktenzeichen 31 O 234/99)

KG Berlin (Aktenzeichen 21 U 42/01)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten des Beklagten nach einem Wert bis 1.000 DM zurückgewiesen.

 

Tatbestand

Gegenstand des vorangegangenen Prozesses war die Zahlung von Werklohn u.a. für den Einbau einer Heizungsanlage. Der Beklagte war der Klage im Wesentlichen mit der Behauptung entgegengetreten, die von der Klägerin eingebaute Heizungsanlage sei mangelhaft, insb. sei ihre Heizleistung gegenüber dem errechneten Wärmebedarf zu niedrig. Auf Vorschlag des Gerichts verpflichteten sich die Parteien in der mündlichen Verhandlung am 30.11.1999, gemeinsam mit einem von ihm bestimmten Sachverständigen die streitgegenständliche Heizungsanlage zu besichtigen und ihn zu beauftragen, deren Funktionstüchtigkeit zu prüfen, zu den vom Beklagten behaupteten Mängeln Stellung zu nehmen und für festgestellte Mängel Möglichkeiten der Beseitigung und eventuelle Minderungsbeträge aufzuzeigen. Ferner verpflichteten sie sich, den Vorschuss für den Sachverständigen je zur Hälfte zu zahlen. Seine Kosten sollten wie die Kosten des Rechtsstreits verteilt werden. Das Gericht schlug den Parteien sodann einen Sachverständigen vor und übersandte ihm die Akten unter Bezeichnung des Beweisthemas mit dem Hinweis, dass kein Beweisbeschluss vorliege und er von den Parteien direkt beauftragt werde. Nach Eingang des Gutachtens bei dem Gericht nahmen die Parteien durch ihre Prozessbevollmächtigten Stellung. Das Gericht gab der Klage statt, wobei es sich in den Urteilsgründen mit dem Sachverständigengutachten auseinander setzte. Der Beklagte nahm seine Berufung gegen das Urteil zurück, nachdem das Berufungsgericht den Sachverständigen ergänzend angehört hatte. Gegen die antragsgemäß festgesetzte Beweisgebühr für das Verfahren erster Instanz wendet sich der Beklagte mit der Begründung, eine Beweisaufnahme habe nicht stattgefunden, jedenfalls sei vereinbart worden, keine Beweisgebühr abzurechnen.

 

Entscheidungsgründe

Die sofortige Beschwerde ist gem. §§ 11 Abs. 1 RpfG, 104 Abs. 3, S. 1 ZPO zulässig. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin ist die festgesetzte Beweisgebühr erwachsen, denn er hat die Klägerin in einem Beweisaufnahmeverfahren i.S.v. § 31 Abs. 1 Nr. 3 BRAGO vertreten. Die Beweisgebühr ist der Klägerin vom Beklagten auch zu erstatten.

1. Beweisaufnahme im gebührenrechtlichen Sinne ist die Tätigkeit des Gerichts innerhalb eines gerichtlichen Verfahrens, die zum Ziel hat, beweisbedürftige, also zwischen den Parteien str., entscheidungserhebliche Umstände durch Heranziehung von Beweismitteln zu klären; sie erfolgt mithin zu dem Zweck, das Gericht von der Wahrheit oder Unwahrheit einer Tatsache oder eines Umstands zu überzeugen. Dabei kommt es nach wohl einhelliger Auffassung nicht darauf an, ob eine Beweisaufnahme nach den Vorschriften der ZPO ordnungsgemäß durchgeführt worden ist, etwa ein förmlicher Beweisbeschluss ergangen ist. Entscheidend ist allein, ob sich die Verfahrensweise des Gerichts nach objektiven Kriterien als Beweisaufnahme darstellt (vgl. KG JurBüro 1986, 64; OLG Celle AGS 1999, 9; OLG Düsseldorf JurBüro 2001, 636; OLG Hamm JurBüro 2000, 411; OLG Hamburg v. 8.2.2000 – 8 W 17/00, OLGReport Hamburg 2000, 438; OLG Koblenz JurBüro 1992, 607; von Eicken in Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert, BRAGO, 15. Aufl., § 31 Rz. 83, 110). Auch ist unerheblich, ob das Gericht selbst die Vorstellung hatte, Beweis erhoben zu haben, und etwa im Tatbestand seines Urteils festgestellt hat, dass eine Beweisaufnahme nicht stattgefunden hat (vgl. OLG München AnwBl. 1979, 32; von Eicken in Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert, BRAGO, 15. Aufl., § 31 Rz. 90 m.w.N.).

Ausgehend von vorstehenden Grundsätzen ist die – hier gegebene – Fallgestaltung zu beurteilen, dass das Gericht die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu einer beweisbedürftigen Tatsache durch die Parteien selbst anregt und das von ihnen eingeholte Gutachten anschließend in den Prozess eingeführt wird. Hierzu werden in der veröffentlichten Rspr. unterschiedliche Auffassungen vertreten: Nach Auffassung des OLG München (OLG München JurBüro 1979, 539) liegt keine Beweisaufnahme, insb. kein Sachverständigenbeweis, vor, weil der Sachverständige nicht vom Gericht bes...

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