Rz. 45

Die Rechtsbeschwerde ist begründet, wenn die Entscheidung des Beschwerdegerichts auf einer Verletzung des Rechts beruht (§ 72 Abs. 1 S. 1 FamFG). Recht im Sinne dieser Vorschrift ist jede Rechtsnorm. Es gehören alle Gesetze im formellen und materiellen Sinne, also alle Bundes- und Landesgesetze, Rechtsverordnungen, Staatsverträge,[77] Europäisches Gemeinschaftsrecht,[78] autonome Satzungen und das Gewohnheitsrecht dazu; ebenso das fortgeltende Recht der ehemaligen DDR. Ebenso unterliegen Allgemeine Geschäftsbedingungen der Prüfung und Auslegung durch das Rechtsgeschäft, wenn es auf deren Anwendung ankommt.[79] Es können zwingende Vorschriften oder Ordnungsvorschriften sein, sachlich-rechtliche wie verfahrensrechtliche. Auch die GBV ist eine revisibele Rechtsverordnung,[80] Statuten und ähnliche Normen sind Recht im Sinne des § 78 GBO, soweit die Unterwerfung unter sie auf gesetzlichem Zwang beruht. Deshalb unterliegen Satzungen der Kapitalgesellschaften und öffentlichen Kreditanstalten der Nachprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht;[81] nicht indes rein innerdienstliche, das Gericht nicht bindende Verwaltungsanweisungen[82] sowie allgemeine Erfahrungssätze oder rechtsgeschäftliche Bestimmungen zwischen den Parteien.

 

Rz. 46

Die Rechtsbeschwerde kann auch auf die Verletzung ausländischen Rechts gestützt werden, denn die Beschränkung des früheren § 545 ZPO auf Bundesrecht ist durch das FGG-RG aufgehoben worden.[83] Nicht gestützt werden kann die Rechtsbeschwerde darauf, dass das Grundbuchamt seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen hat (§ 72 Abs. 2 FamFG). Anderes gilt auch dann nicht, wenn die Rechtsbeschwerde gerade zur Klärung der Zuständigkeit zugelassen worden ist.[84] Dagegen kann gerügt werden, dass der Rechtspfleger des Grundbuchamts für die Entscheidung funktionell unzuständig war.[85]

 

Rz. 47

Die Revisibilität von Kann- und Sollvorschriften lässt sich nicht einheitlich beurteilen. Bezweckt die Vorschrift mit ihrer Fassung, dass ihre Nichtbeachtung eine Unwirksamkeit zur Folge hat, so rechtfertigt ein Verstoß die weitere Beschwerde. Bedeutet die Kann- oder Sollfassung aber nur, dass eine Entscheidung in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestellt wird, dann ist eine Verletzung im Rechtsbeschwerdeverfahren nur beschränkt nachprüfbar. Insoweit gelten dieselben Grundsätze wie für richterliche Ermessensentscheidungen.

 

Rz. 48

Tritt nach Erlass der Beschwerdeentscheidung eine Gesetzesänderung ein, so ist diese vom Rechtsbeschwerdegericht zu beachten. Es kommt nicht auf eine subjektive Rechtsverletzung der Tatsacheninstanz, sondern darauf an, dass die Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts objektiv mit dem Gesetz in Einklang steht. Deshalb ist grundsätzlich das im Zeitpunkt der Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts geltende Recht maßgebend. Das gilt jedoch nicht, wenn der Verfahrensgegenstand nach dem zeitlichen Geltungsbereich des neuen Rechts von der Änderung nicht betroffen wird. Diese bereits im Bereich der ZPO und der freiwilligen Gerichtsbarkeit allgemein anerkannten Grundsätze[86] sind auch in Grundbuchsachen anzuwenden. Änderungen des Verfahrensrechts ergreifen grundsätzlich, wenn keine gegenteiligen Übergangsvorschriften ergangen sind, anhängige Verfahren, sind also vom Gericht der Rechtsbeschwerde zu berücksichtigen.

[77] BGH NJW 1973, 417.
[78] Hügel/Kramer, § 78 Rn 164; Meikel/Schmidt-Räntsch, § 78 Rn 50.
[79] BGH MDR 1974, 293.
[80] BayObLGZ 1957, 322, 328; BayObLGZ 1956, 196, 203; KG JFG 4, 312; OLG Hamm Rpfleger 1962, 274.
[81] BGHZ 9, 281; 14, 36; BayObLGZ 1985, 391, 393; BayObLG NJW-RR 1988, 140; OLG Düsseldorf Rpfleger 1989, 374.
[82] BGH MDR 1970, 210; BayObLGZ 1982, 29, 31.
[83] Demharter, § 78 Rn 34; Hügel/Kramer, § 78 Rn 164; a.A.: BGH NJW 2013, 3656; Bauer/Schaub/Budde, § 78 Rn 25, unter Hinweis auf die Gesetzesmaterialien zum FGG-RG; vgl. auch OLG Köln, Beschl. v. 24.4.2012 – 4 UF 185/10, BeckRS 2012, 09517.
[84] BGH NJW 2009, 1974; Demharter, § 78 Rn 34.
[86] St. Rspr. z.B. BGH NJW 1973, 417; BGH NJW 1971, 981; BGH NJW 1962, 961; BGH NJW 1953, 1629; BGH NJW 1953, 941; BayObLGZ 1987, 369, 371; BayObLGZ 1980, 347, 349; BayObLG MittBayNot 1980, 111; BayObLG Rpfleger 1977, 327; BayObLG NJW 1971, 1464; BayObLGZ 1952, 311 = NJW 1953, 826; KG FGPrax 1996, 12; KG FGPrax 1995, 24; OLG Hamburg FamRZ 1959, 255; OLG Hamm FamRZ 1977, 742; OLG Hamm FamRZ 1972, 309.

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