Leitsatz (amtlich)

Soweit die Beschwerde nicht darauf gestützt werden kann, dass das Gericht des ersten Rechtszuges seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen hat, gilt diese Vorschrift nicht für die Fälle, in denen der Rechtspfleger in Überschreitung seiner funktionellen Zuständigkeit ein Geschäft wahrgenommen hat, das ihm weder übertragen werden kann, noch übertragen worden ist (hier: Ernennung von Liquidatoren auf Antrag eines Beteiligten nach erfolgter Löschung).

 

Normenkette

FamFG § 65 Abs. 4, § 394; GmbHG § 66 Abs. 5; RpflegerG § 3 Nr. 2 d, § 8 Abs. 4 S. 1, § 17 Nr. 2b; GG Art. 101 Abs. 1 S. 2

 

Verfahrensgang

AG Kleve (Beschluss vom 29.04.2010; Aktenzeichen HRB 8194)

 

Tenor

Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

 

Gründe

I. Die Gesellschaft firmierte ursprünglich als "H. -R. - GmbH" mit Sitz in Lübeck.

Durch Gesellschaftervertrag vom 30.3.2006 wurde die Firmenänderung in M. GmbH und die Sitzverlegung nach Kleve beschlossen. Eine Anmeldung zum Gewerberegister erfolgte nicht. Unter dem 4.7.2007 wies der Beteiligte zu 1) als damaliger Geschäftsführer der Gesellschaft darauf hin, dass diese sich in Liquidation befinde. Das Finanzamt K. teilte am 27.10.2008 mit, dass gegen eine Löschung der Gesellschaft keine Einwendungen erhoben werden, da diese nach den dort vorliegenden Bilanzen seit dem 31.12.2006 vermögenslos sei.

Am 20.5.2009 wurde die Gesellschaft im Handelsregister gelöscht.

Die Beteiligte zu 2) hat am 20.8.2009 beantragt, Nachtragsliquidation anzuordnen und geltend gemacht, es sei noch ein Kostenfestsetzungsantrag vom 19.5.2009 beim LG in Lübeck anhängig. Das Registergericht hat daraufhin dem Beteiligten zu 1) mitgeteilt, dass es beabsichtige, ihn erneut zum Abwickler der Gesellschaft zu bestellen. Der Beteiligte zu 1) hat daraufhin geltend gemacht, eine Nachtragsliquidation sei nicht angezeigt, da sich der von der Beteiligten zu 2) erwirkte Titel nicht gegen die Gesellschaft richte, sondern gegen die H. GmbH. Zudem sei die Beteiligte zu 2) mit ihrer Forderung ausgeschlossen, weil sie es verabsäumt habe, die Forderung rechtzeitig binnen Jahresfrist anzumelden.

Durch den angefochtenen Beschluss hat das AG - Rechtspfleger - sodann den Beteiligten zu 3) zum Liquidator bestellt.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die von dem Beteiligten zu 1) für die Gesellschaft eingelegte Beschwerde.

Durch Beschluss vom 8.11.2010 hat das AG der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem OLG zur Entscheidung vorgelegt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

II. Die gem. § 58 FamFG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung.

1) Die Beschwerde ist als im Namen der Gesellschaft eingelegt zu sehen. Der Beteiligte zu 1) ist als ehemaliger Liquidator befugt, die beschwerdeberechtigte Gesellschaft im Verfahren über die Bestellung eines Nachtragsliquidators zu vertreten; insoweit wird die mit der Löschung der Gesellschaft entfallene Vertretungsbefugnis als weiterhin bestehend unterstellt (OLG München NJW-RR 2005, 1561 f.; BayObLGZ 1983, 130 f.).

2) Das Rechtsmittel ist auch begründet.

Gemäß § 66 Abs. 5 GmbHG findet, wenn die Gesellschaft durch Löschung wegen Vermögenslosigkeit aufgelöst ist, eine Liquidation nur statt, wenn sich nach der Löschung herausstellt, dass Vermögen vorhanden ist, das der Verteilung unterliegt. Die Liquidatoren sind auf Antrag eines Beteiligten durch das Gericht zu ernennen. Funktionell zuständig für die Bestellung ist der Richter.

Zwar sind dem Rechtspfleger gem. § 3 Nr. 2d) u.a. die Geschäfte in Handelsregistersachen übertragen, jedoch nur vorbehaltlich der in den §§ 14 - 19b dieses Gesetzes aufgeführten Ausnahmen. Nach § 17 Nr. 2b RPflG bleiben dem Richter vorbehalten die Ernennung von Liquidatoren auf Antrag eines Beteiligten, wenn eine Löschung nach § 394 FamFG erfolgt ist. (vgl. Keidel/Heinemann, FamFG, § 394 Rz. 35; Bumiller/Harders, FamFG, § 394 Rz. 10; OLG Schleswig NJW-RR 2000, 769). Von der in § 19 RPflG vorgesehenen Ermächtigung zur Aufhebung des Richtervorbehalts hat das Land Nordrhein-Westfalen keinen Gebrauch gemacht.

Hat - wie im vorliegenden Fall - der Rechtspfleger ein Geschäft des Richters wahrgenommen, das ihm nach dem RPflG weder übertragen ist, noch übertragen werden kann, so ist das Geschäft gem. § 8 Abs. 4 Satz 1 unwirksam (BGH NZI 2010, 977; BGH NJW-RR 2005, 1299; OLG Frankfurt, 20 W 176/10; OLG Zweibrücken 3 W 178/02 = NJOZ 2003, 250; Bumiller/Harders, FamFG, § 2 Rz. 20; Keidel/Sternal, FamFG Einl., Rz. 91; Herrmann/Rellermeyer, RPflgG, § 8 Rz. 1).

Eine solchermaßen unwirksame Handlung des Rechtspflegers ist im Rechtmittelverfahren unabhängig von ihrer inhaltlichen Richtigkeit aufzuheben (BGH NZI 2010, 977; BGH NJW-RR 2005, 1299; OLG Zweibrücken, a.a.O.).

Soweit nach § 65 Abs. 4 FamFG die Beschwerde nicht darauf gestützt werden kann, dass das Gericht des ersten Rechtszuges seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen hat, gilt diese Vorschrift jedenfalls nich...

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