Entscheidungsstichwort (Thema)

Zuständigkeitsprüfung. Gerichtsstand. Rechtsbeschwerdeverfahren. Erweiterung der Prüfungskompetenz des Rechtsbeschwerdegerichts

 

Leitsatz (amtlich)

a) § 576 Abs. 2 ZPO schließt eine Prüfung der örtlichen Zuständigkeit des Gerichts des ersten Rechtszugs im Rahmen eines Rechtsbeschwerdeverfahrens aus. Dies gilt auch, wenn in Frage steht, ob sich die örtliche Zuständigkeit aus einer Gerichtsstandsvereinbarung (hier § 18 Nr. 1 VOB/B) ergibt.

b) Die Zulassung der Rechtsbeschwerde durch das Beschwerdegericht zur Klärung der von ihm vertretenen Auffassung zur örtlichen Zuständigkeit kann die gesetzlich festgelegte Prüfungskompetenz des Rechtsbeschwerdegerichts nicht erweitern.

 

Normenkette

ZPO § 576 Abs. 2, § 38 Abs. 1; VOB/B § 18 Nr. 1

 

Verfahrensgang

OLG Dresden (Beschluss vom 25.08.2008; Aktenzeichen 9 W 806/08)

LG Dresden (Entscheidung vom 27.06.2008; Aktenzeichen 44 HKOH 1/08)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des 9. Zivilsenats des OLG Dresden vom 25.8.2008 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Gegenstandswert: 2.152,84 EUR

 

Gründe

I.

[1] Die Antragstellerin, eine GmbH, hat bei dem LG D. die Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens gegen die Antragsgegnerin, eine GmbH & Co. KG, beantragt. Diesen Antrag hat das LG wegen fehlender örtlicher Zuständigkeit zurückgewiesen. Es hat angenommen, die Parteien hätten wegen Einbeziehung der VOB/B in ihr Vertragsverhältnis gem. § 18 Nr. 1 VOB/B einen ausschließlichen Gerichtsstand bei dem LG K. vereinbart. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin hatte keinen Erfolg. Mit der vom Beschwerdegericht zur Klärung der Frage zugelassenen Beschwerde, ob § 18 Nr. 1 VOB/B auch für den privaten Auftraggeber gilt, verfolgt die Antragstellerin ihren Antrag auf Durchführung des selbständigen Beweisverfahrens vor dem LG D. weiter.

II.

[2] Die gegen die Entscheidung des Beschwerdegerichts gerichtete Rechtsbeschwerde ist zwar statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO) und auch im Übrigen zulässig. Obwohl der Senat anderer Auffassung ist als das Beschwerdegericht und meint, dass § 18 Nr. 1 VOB/B nach seiner Entstehungsgeschichte und nach seinem Sinn und Zweck auf private Auftraggeber nicht anwendbar ist (vgl. BGH, Urt. v. 18.4.1985 - VII ZR 359/83, BGHZ 94, 156 [158]; OLG Brandenburg BauR 1997, 1071 = ZfBR 1997, 307; Heiermann in Heiermann/Riedl/Rusam, VOB, 11. Aufl., B § 18 Rz. 2; a.A. Joussen in Ingenstau/Korbion, 16. Aufl., § 18 Nr. 1 VOB/B Rz. 17 f. m.w.N.), ist die Rechtsbeschwerde jedoch als unbegründet zurückzuweisen.

[3] Gemäß § 576 Abs. 2 ZPO kann die Rechtsbeschwerde nicht darauf gestützt werden, dass das Gericht des ersten Rechtszugs seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen oder verneint hat. Der BGH hat für das Revisionsverfahren entschieden, dass § 545 Abs. 2 ZPO im Interesse der Verfahrensbeschleunigung und Entlastung der Revisionsgerichte jede Prüfung der Zuständigkeit des Gerichts des ersten Rechtszugs - mit Ausnahme der internationalen Zuständigkeit - ausschließt (BGH, Beschl. v. 5.3.2007 - II ZR 287/05, NJW-RR 2007, 1509; Urt. v. 7.3.2006 - VI ZR 42/05, NJW-RR 2006, 930). Diese Vorschrift ist - wie auch schon die Vorgängerregelung des § 549 Abs. 2 ZPO a.F. - auch auf Fälle anzuwenden, in denen Streit darüber besteht, ob sich die örtliche Zuständigkeit aus einer Gerichtsstandsvereinbarung ergibt (vgl. BGH, Beschl. v. 24.5.2000 - III ZR 300/99, NJW 2000, 2822 [2823]).

[4] Für die im Beschwerdeverfahren anzuwendende, dem § 545 Abs. 2 ZPO entsprechende Vorschrift des § 576 Abs. 2 ZPO gilt nichts anderes. Unerheblich ist, dass das Beschwerdegericht die Rechtsbeschwerde zur Klärung der von ihm vertretenen Auffassung zur Zuständigkeit zugelassen hat (vgl. BGH, Urt. v. 7.3.2006 - VI ZR 42/05, a.a.O., m.w.N.). Die vom Gesetz festgelegte Prüfungskompetenz des Rechtsbeschwerdegerichts kann durch die Zulassungsentscheidung nicht erweitert werden (BGH, Urt. v. 28.4.1988 - I ZR 27/87, NJW 1988, 3267).

 

Fundstellen

NJW 2009, 1974

BGHR 2009, 574

BauR 2009, 1001

EBE/BGH 2009

IBR 2009, 244

ZAP 2009, 496

ZfIR 2009, 304

MDR 2009, 460

ZfBR 2009, 353

BauSV 2009, 78

NJW-Spezial 2009, 172

NZBau 2009, 309

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