I. Rechtsnatur des Widerspruchs und die Anwendbarkeit des § 894 BGB

 

Rz. 97

Der Widerspruch sichert gem. § 899 Abs. 1 BGB den Grundbuchberichtigungsanspruch nach § 894 BGB. Er ist in seinem Bestand von diesem Anspruch abhängig, ebenso wie die Vormerkung von dem ihr zugrunde liegenden zu sichernden Anspruch auf eine Rechtsänderung.[243] Diese Akzessorietät ist der Hintergrund dafür, dass ein Widerspruch für einen anderen als den wahren Berechtigten keinen Erwerb nach § 892 Abs. 1 S. 1 BGB verhindern kann.[244]

 

Rz. 98

Der Amtswiderspruch nach § 53 Abs. 1 S. 1 GBO steht in seiner Wirkung einem Widerspruch im Sinne des § 899 BGB gleich (siehe § 53 GBO Rdn 33), ist jedoch kein Widerspruch nach § 18 Abs. 2 GBO, denn zum einen setzt jener schon keine Grundbuchunrichtigkeit voraus (siehe § 18 GBO Rdn 105 ff.) und zum anderen kommt diesem eine andere Wirkung zu. Wegen § 18 Abs. 2 S. 2 GBO ist für die Anwendung des Abs. 1 ohnehin kein Raum, da eine etwaige Löschung von Amts wegen zu erfolgen hat, so dass ein Antrag weder erforderlich noch zulässig ist.

 

Rz. 99

Ist ein Widerspruch zu Unrecht eingetragen, so ist das Grundbuch unrichtig im Sinne des § 894 BGB und damit auch im Sinne des Abs. 1,[245] denn der Widerspruch enthält eine den Inhaber des angegriffenen Rechts beeinträchtigende "Beschränkung". Insoweit besteht auch ein Bezug zur Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs, da der Widerspruch einen solchen zu verhindern in der Lage ist.

[243] Demharter, § 22 Rn 10; Staudinger/Picker, BGB, § 899 Rn 88 ff.
[244] Statt aller: Staudinger/Picker, BGB, § 892 Rn 132 m.w.N.; zur Rechtsnatur des Widerspruchs vgl. MüKo-BGB/Schäfer, § 899 Rn 20 m.w.N.
[245] Staudinger/Picker, BGB, § 894 Rn 42; MüKo-BGB/Schäfer, § 894 Rn 18.

II. Inhaltliche Unzulässigkeit der Eintragung

 

Rz. 100

Der Widerspruch ist nach § 53 Abs. 1 S. 2 GBO als inhaltlich unzulässig von Amts wegen zu löschen (siehe § 2 Einl. Rdn 128, § 53 GBO Rdn 35 f., 40 ff.), wenn sich aus dem Inhalt des Grundbuchs (Eintragungsvermerk oder in Bezug genommene Bewilligung) ohne Zuhilfenahme sonstiger Beweismittel ergibt, dass der Widerspruch seinen Zweck der Verhinderung eines Erwerbs kraft öffentlichen Glaubens (siehe § 6 Einl. Rdn 62) nicht erfüllen kann (zu Einzelfällen siehe § 6 Einl. Rdn 60); eine Grundbuchunrichtigkeit im Sinne des § 22 Abs. 1 GBO ist in diesem Fall hingegen nicht gegeben, da die Löschung schon von Amts wegen erfolgen muss. Die Eintragung ist gleichfalls inhaltlich unzulässig, wenn dem Eintragungsvermerk ein wesentliches Erfordernis fehlt, insbesondere die Person nicht genannt wird, zu deren Gunsten der Widerspruch gegen den Buchstand protestiert (vgl. § 53 GBO Rdn 30, 51).[246]

[246] Meikel/Böttcher, § 22 Rn 6.

III. Unrichtigkeit wegen Fehlens oder Fortfalls der Entstehungsvoraussetzungen oder sonstiger Erlöschensgründe

 

Rz. 101

Der eingetragene Widerspruch macht das Grundbuch unrichtig, wenn eine seiner materiellen Voraussetzungen fehlt oder wegfällt (siehe § 6 Einl. Rdn 65).[247] Neben dem Bestehen des akzessorischen Anspruchs aus § 894 BGB (vgl. Rdn 97) ist eine wirksame Bewilligung oder einstweilige Verfügung zur Eintragung nötig (§ 899 Abs. 2 S. 1 BGB). Die einstweilige Verfügung erlischt insbesondere infolge einer Antragsrücknahme entsprechend § 269 Abs. 3 S. 1 Hs. 2 ZPO, der Widerspruch ist dann aufgrund eines Beschlusses entsprechend § 269 Abs. 4 ZPO zu löschen (siehe § 25 GBO Rdn 21);[248] ein formgemäßer Nachweis für eine Löschung nach Abs. 1 S. 1 ist hier nicht möglich.

 

Rz. 102

Ferner führt eine Versäumung der Fristen nach § 929 Abs. 2, 3 ZPO zur Unzulässigkeit der Eintragung des Widerspruchs (siehe auch Rdn 80),[249] wobei für die Frist des § 929 Abs. 2 ZPO der Eingang beim Amtsgericht maßgebend ist (vgl. Rdn 80). Wird das Grundbuch z.B. nach § 185 Abs. 2 BGB richtig (wodurch der Anspruch nach § 894 BGB entfällt), stellt ein gegen diese nun richtige Eintragung protestierender Widerspruch eine Grundbuchunrichtigkeit dar.

 

Rz. 103

Ein Widerspruch nach § 34 Abs. 1 S. 8 VermG, der für den vorherigen Berechtigten eingetragen wird, nachdem das Recht auf den Begünstigten eines für sofort vollziehbar erklärten Rückübertragungsbescheides umgeschrieben wurde, erlischt gem. § 34 Abs. 1 S. 9 VermG mit dem Eintritt der Unanfechtbarkeit jenes Bescheides (siehe § 25 GBO Rdn 39).[250]

[247] Staudinger/Picker, BGB, § 899 Rn 88 ff.
[248] BayObLGZ 1978, 15, 16; 2004, 118, 122 = Rpfleger 2004, 563, 564; OLG Frankfurt Rpfleger 1996, 21, 22 = NJW-RR 1995, 1298; Demharter, § 25 Rn 3.
[249] Böhringer, Rpfleger 1995, 51, 58; Staudinger/Picker, BGB, § 899 Rn 90.
[250] Bauer/Schaub/Schäfer, § 25 Rn 70, 72.

IV. "Übergang des Widerspruchs"

 

Rz. 104

Geht das Recht, zu dessen Schutze (d.h. für dessen Inhaber) der Widerspruch eingetragen ist, auf einen anderen über, so erwirbt er auch den Anspruch nach § 894 BGB und ist damit zugleich der Berechtigte des Widerspruchs (vgl. Rdn 97). Das Grundbuch ist dann auch hinsichtlich des Widerspruchs unrichtig (siehe § 6 Einl. Rdn 64, wie beim Übergang des durch eine Vormerkung gesicherten rechtsgeschäftlichen Anspruchs, siehe Rdn 88, § 6 Einl. Rdn 12). Solche Rechtsübergänge hat das GBA zwar zu beachten, wenn es den Widerspruch aufgrund Bewilligung des (noch) eingetragenen Widerspruchsberechtigten löschen soll...

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