I. Wesen und Wirkungen des Widerspruchs

 

Rz. 57

Der Widerspruch ist kein dingliches Recht, aber ein sachenrechtliches Sicherungsmittel, das als "Schutzeintragung" den Widerspruchsberechtigten gegen die aus § 892 BGB drohenden Gefahren eines unrichtig eingetragenen anderen Rechts schützt.[167] Er ist keine Verfügungsbeschränkung und keine Grundbuchsperre. Er wird als grundbuchmäßiges Recht im Sinne der GBO behandelt.

 

Rz. 58

Gemeinsamkeiten bestehen mit den Widersprüchen nach §§ 1139; 1157 BGB und vor allem dem Amtswiderspruch nach § 53 Abs. 1 S. 1 GBO.

[167] Staudinger/Picker, BGB, § 899 Rn 4.

II. Rechtsgrundlagen

 

Rz. 59

Die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für einen Widerspruch sowie seine Wirkungen ergeben sich aus §§ 899, 894, 892 Abs. 1 BGB. Zu den grundbuchverfahrensrechtlichen Voraussetzungen der Eintragung siehe nachfolgend Rdn 68 ff.), zur Löschung siehe § 25 GBO, zur Grundbuchberichtigung siehe § 22 GBO Rdn 97 ff.

III. Unzulässigkeit eines Widerspruchs

 

Rz. 60

Aus dem Wesen des Widerspruchs ergibt sich, dass seine Eintragung unzulässig ist, wenn er sich gegen eine keinem gutgläubigen Erwerb zugängliche Eintragung richten würde.

 

Beispiele:

Widerspruch gegen eine Vormerkung, die nicht gutgläubig erworben werden kann, z.B. Vormerkung für einen nichtigen Anspruch (siehe hierzu Rdn 20);[168] Widerspruch gegen Widerspruch;[169] Widerspruch gegen Verfügungsbeschränkung;[170] Widerspruch gegen eine nicht eintragungsfähige Vereinbarung über das Schuldverhältnis zwischen Grundstückseigentümer und Erbbauberechtigten (siehe § 3 Einl. Rdn 195). Widerspruch gegen die Eintragung einer Verfügungsbeschränkung; dagegen ist ein Widerspruch zulässig gegen die zu Unrecht erfolgte Löschung einer Verfügungsbeschränkung (siehe § 22 GBO Rdn 108).[171]

Zu den Folgen der unzulässigen Eintragung siehe § 2 Einl. Rdn 120 ff.; zur Unrichtigkeit eines Widerspruchs vgl. § 22 GBO Rdn 97 ff.

 

Rz. 61

Widerspruch und Vormerkung haben die gleiche Rechtsnatur und für bestimmte Voraussetzungen gleiche rechtliche Regelungen (§§ 899 Abs. 2, 885 BGB). Trotzdem bestehen Wesensunterschiede:[172] Die Vormerkung dient der Verwirklichung eines schuldrechtlichen Anspruchs auf eine dingliche Rechtsänderung (siehe Rdn 3, 9), der Widerspruch dem Schutz eines dinglichen Berichtigungsanspruchs). Treffend wird bei Baur/Stürner formuliert:[173] "Die Vormerkung prophezeit (eine künftige Rechtsänderung), der Widerspruch protestiert (gegen die Richtigkeit des Grundbuchs)."

[168] KG OLGZ 1978, 122; BayObLG MittBayNot 2000, 38; OLG Düsseldorf DNotI-Report 2000, 113.
[169] RGZ 117, 352.
[170] Grüneberg/Herrler, BGB, § 899 Rn 2; Staudinger/Picker, BGB, § 899 Rn 41 ff.; Bauer/Schaub/Lieder, AT C Rn 202.
[171] Staudinger/Picker, BGB, § 899 Rn 41.
[172] Zur einstweiligen Verfügung auf Eintragung eines Widerspruchs, wenn sachlich eine Vormerkung geboten wäre, LG Cottbus, Urt. v. 16.6.2022 – 2 O 108/22, juris.
[173] Baur/Stürner, SachenR, § 20 Rn 12 mit Bezugnahme auf Reichel, DogmJ 46, 66.

IV. Wirkungen des Widerspruchs

 

Rz. 62

Der wirksame Widerspruch verhindert den gutgläubigen Erwerb des dinglichen Rechts, gegen das er gerichtet ist, durch Beseitigung der Fiktion des § 892 BGB, auf die sich ohne Eintragung des Widerspruchs nicht nur der Widerspruchsberechtigte, sondern auch jeder Dritte berufen kann.[174]

 

Rz. 63

Weitergehende materielle Wirkungen hat er nicht. Hinzuweisen ist aber auf die §§ 900 Abs. 1 S. 3, 902 Abs. 2, 927 Abs. 3 BGB. Der Widerspruch bewirkt keine Verfügungsbeschränkung und keine Grundbuchsperre,[175] beeinträchtigt weder das Bestehen[176] noch die Richtigkeitsvermutung des betroffenen Rechts.[177] §§ 879, 891, 892 BGB gelten für ihn nicht. Daher kommt ihm auch kein eigenes Rangverhältnis zu,[178] keine Vermutung der Richtigkeit[179] und kein Gutglaubensschutz bei Erwerb des Widerspruchs.[180]

 

Rz. 64

Der Widerspruch ist untrennbarer Bestandteil des von ihm geschützten dinglichen Rechts, teilt also dessen rechtliches Schicksal.[181]

[174] Staudinger/Picker, BGB, § 899 Rn 5.
[175] RGZ 117, 351, 352; Staudinger/Picker, BGB, § 899 Rn 17.
[176] BGHZ 25, 16, 26.
[177] BGH DNotZ 1970, 411, 412.
[178] RGZ 129, 124.
[179] Grüneberg/Herrler, BGB, § 899 Rn 7.
[180] RGZ 117, 352; BayObLGZ 1952, 26.
[181] BGH WM 1972, 384; RGZ 158, 40, 43; Staudinger/Picker, BGB, § 899 Rn 22; Bauer/Schaub/Lieder, AT C Rn 244.

V. Voraussetzungen der Wirksamkeit des Widerspruchs

 

Rz. 65

Der Widerspruch ist materiell nur wirksam, wenn folgende Voraussetzungen vorliegen und sich inhaltlich decken:

§ 899 Abs. 2 BGB: materielle Bewilligungserklärung desjenigen, dessen Recht durch die Grundbuchberichtigung betroffen wird oder einstweilige Verfügung oder vorläufig vollstreckbares Urteil (§ 895 ZPO; vgl. hierzu § 25 GBO Rdn 6 ff.).
Das betroffene Recht muss unrichtig (§ 894 BGB) sein, also mit der wirklichen Rechtslage nicht in Einklang stehen und einem gutgläubigen Erwerb durch einen Dritten zugänglich sein (dazu siehe § 22 GBO Rdn 97 ff.).[182]
Der Widerspruchsberechtigte muss einen dinglichen Anspruch nach § 894 BGB auf Berichtigung des vom Widerspruch betroffenen Rechts haben.[183]
Eintragung des Widerspruchs im Grundbuch mit dem vorgeschriebenen Inhalt (siehe Rdn 71 ff.).
 

...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge