Leitsatz

  1. "Betriebskostenabrechnung" ohne Gesamtabrechnung widerspricht § 28 WEG
  2. Konkludente Änderung des Verteilerschlüssels in wiederholt genehmigten Jahresabrechnungen ohne Änderungsbewusstsein ist nicht rechtens
 

Normenkette

§§ 16, 28 WEG

 

Kommentar

  1. Eine bloße "Betriebskostenabrechnung" entspricht ohne vorgelegte Gesamtabrechnung nicht dem Mindestinhalt einer Jahresabrechnung im Sinne des § 28 WEG (h.M.). Einem Wohnungseigentümer kann nicht zugemutet werden, sich ggf. auch aus entsprechenden Erläuterungen die Gesamtabrechnung selbst zu erarbeiten. Auch eine Gesamtabrechnung muss mitbeschlossen werden.
  2. Selbst wenn eine Kostenverteilungsänderung früher beschlossen worden sein sollte, ist ein solcher Beschluss nichtig, da das Gesetz eine Abänderungsmöglichkeit im Beschlussweg für Kosten des Gemeinschaftseigentums erst seit der WEG-Reform 2007 überhaupt zulässt. Möglich wäre deshalb nur eine Abänderung über Vereinbarung aller Eigentümer gewesen. Insoweit sind an die Annahme einer konkludenten Abänderung im Vereinbarungsweg vor 2007 strenge Anforderungen zu stellen. Nicht jede langjährige Übung stellt daher eine konkludente Vereinbarung dar. Wiederholt genehmigte Jahresabrechnungen entgegen eines vereinbarten Verteilungsschlüssels rechtfertigen deshalb auch keine Beibehaltung dieser Praxis für die Zukunft (vgl. OLG Hamburg, ZMR 2005 S. 69). Somit entspricht es h.M., dass allein eine schweigende Hinnahme von Abrechnungen, die dem gesetzlichen Verteilungsmaßstab widersprechen, nicht ausreichend sei. Erforderlich ist vielmehr, dass sämtliche Eigentümer bewusst eine dauerhafte Änderungsregelung schaffen bzw. eine dauerhaft abweichende Praxis gestatten wollten. Hier muss feststehen, dass sämtliche Eigentümer eine solche jahrelange Praxis in dem Bewusstsein ausüben, die bisherige Regelung zu ändern und durch eine neue ersetzen zu wollen. Dabei muss die Änderungsvereinbarung den Eigentümern positiv bekannt sein. Im bloßen Dulden von Verstößen gegen eine bisherige Regelung ist eine Vereinbarung nicht zu sehen (vgl. auch OLG München, ZMR 2006 S. 870). Im vorliegenden Fall fehlt es daran, da – bedingt durch Eigentumswechsel – nicht von einem derartigen Bewusstsein sämtlicher Eigentümer auszugehen war. Selbst wenn also in einer Eigentümerversammlung im Jahr 2000 über eine solche Änderung gesprochen worden wäre, ist für neu hinzugetretene Eigentümer nicht ersichtlich, dass mit ihnen über die Abweichung vom gesetzlichen Verteilungsmaßstab gesprochen worden wäre.
 

Link zur Entscheidung

LG Dessau-Roßlau, Urteil v. 29.10.2009, 5 S 89/09, ZMR 2010 S. 471

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