Leitsatz

  1. Auch nach Vollzug eines angefochtenen Beschlusses besteht ein Rechtschutzbedürfnis für die Beschlussanfechtungsklage, solange Auswirkungen der Anfechtung auf Folgeprozesse nicht sicher auszuschließen sind
  2. Hat ein Eigentümer einem Beschluss über eine ordnungsgemäße Instandhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahme nicht zugestimmt und hat auch seine Beschlussanfechtungsklage Erfolg, kann er keine anteilige Kostenfreistellung analog § 16 Abs. 6 Satz 1, 2. Halbsatz WEG fordern, wenn die Maßnahme bereits durchgeführt ist und nicht mehr rückgängig gemacht werden kann
  3. Gebotene Beiladung des Verwalters
 

Normenkette

§§ 16 Abs. 6 Satz 1 Halbsatz 2, 46 und 48 WEG

 

Kommentar

  1. Ein Rechtschutzbedürfnis für eine Beschlussanfechtungsklage kann dann fehlen, wenn der Beschluss nicht rückgängig gemacht werden und eine Ungültigerklärung auch sonst keine Auswirkungen mehr haben kann (h.M.). Verfolgt ein Anfechtungskläger hinsichtlich eines Fassadensanierungsbeschlusses – wie vorliegend – erklärtermaßen nicht das Ziel einer Folgenbeseitigung, sondern will die eigene Belastung mit Kosten verhindern bzw. Schadensersatzansprüche vorbereiten, gehen die Meinungen darüber auseinander, ob der angefochtene Beschluss noch Auswirkungen haben kann.

    Nach einer vertretenen Ansicht entfällt das Rechtschutzbedürfnis, weil in einem etwaigen Schadensersatzprozess inzident geprüft werden könne, ob der Beschluss rechtmäßig sei; die Bestandskraft eines Beschlusses stehe dem nicht entgegen, weil die Wohnungseigentümer mögliche Ansprüche einzelner Eigentümer nicht konstitutiv verändern könnten.

    Nach der Gegenmeinung bleibt das Rechtschutzbedürfnis für eine Anfechtungsklage regelmäßig bestehen. Überwiegend wird dies damit begründet, dass eine erfolgreiche Anfechtung die Kostenfreistellung des überstimmten Wohnungseigentümers gemäß § 16 Abs. 6 Satz 1 Halbsatz 2 WEG in direkter oder analoger Anwendung zur Folge habe. Teilweise wird auch auf die mögliche Bindungswirkung einer Entscheidung über die Anfechtungsklage in weiteren Prozessen verwiesen.

    Im Ergebnis ist nach Ansicht des Senats die zweite Auffassung vorzuziehen. Das Rechtschutzbedürfnis entfällt i.d.R. nicht allein durch den Vollzug eines Beschlusses (hier: eine entsprechend durchgeführte Sanierung).

  2. Allerdings lässt sich dieses Ergebnis nicht auf eine Kostenbefreiung des überstimmten Eigentümers gemäß § 16 Abs. 6 Satz 1 Halbsatz 2 WEG nach erfolgreicher Anfechtung stützen. § 16 Abs. 6 WEG ist auf Maßnahmen nach § 22 Abs. 1 WEG (bauliche Veränderungen) bezogen und kann deshalb nicht auf Maßnahmen einer ordnungsgemäßen Instandhaltung und Instandsetzung im Sinne von § 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG – wie hier – direkt zur Anwendung gelangen. Insoweit gilt bei Sanierungen die Pflicht zur anteiligen Kostentragung gemäß § 16 Abs. 2 WEG.

    Aber auch eine analoge Anwendung von § 16 Abs. 6 Satz 1 Halbsatz 2 WEG kommt nicht in Betracht, selbst wenn weitgehend bisher vertreten wurde, dass sich nach erfolgreicher Beschlussanfechtung der Eigentümer nicht an Kosten zu beteiligen habe, wenn der Beschluss nicht mehr – nach Durchführung – rückgängig zu machen sei. Verwiesen wird insoweit auf einen in dieser Gesetzesbestimmung zum Ausdruck kommenden Rechtsgedanken, dass derjenige, der einer kostenauslösenden Maßnahme nicht zustimmen müsse und auch nicht zugestimmt habe, keine Kosten zu tragen habe. Diese Auffassung teilt der Senat nicht. Im Hinblick auf § 16 Abs. 2 WEG fehlt es an einer Regelungslücke. Anteilige Kostentragung besteht ohne Rücksicht auf das Abstimmungsverhalten und die Entscheidung des Gesetzgebers für das Mehrheitsprinzip; § 16 Abs. 2 WEG kann nur durch Vereinbarung oder Beschluss unter den in § 16 Abs. 3 und 4 WEG bestimmten Voraussetzungen, nicht aber mittels einer Analogie verändert werden. Im Übrigen sind auch die Regelungsgegenstände grundlegend unterschiedlich, weil bauliche Veränderungen in § 22 Abs. 1 WEG gerade dadurch definiert sind, dass sie über Maßnahmen der ordnungsgemäßen Instandhaltung und Instandsetzung hinausgehen. Wird im Rahmen einer Beschlussanfechtungsklage festgestellt, dass eine Instandsetzungsmaßnahme nicht ordnungsgemäßer Verwaltung entsprach, wird sie dadurch nicht – wie die Revision meint – zur baulichen Veränderung (so aber OLG Hamm, ZMR 2009 S. 58, 61). Eine analoge Anwendung von § 16 Abs. 6 Satz 1 Halbsatz 2 WEG wäre angesichts der Vielfalt möglicher Anfechtungsgründe auch in der Sache unangemessen. Eine erfolgreiche Anfechtung muss auch keineswegs zwingend zur Folge haben, dass die durchgeführten Maßnahmen unbrauchbar sind.

  3. Das Rechtschutzbedürfnis für die Anfechtungsklage besteht aber aus anderen Gründen regelmäßig fort. Zunächst entspricht es h.M., dass ein Rechtsschutzbedürfnis in Beschlussanfechtungsverfahren im Regelfall nicht zu prüfen ist, weil das Anfechtungsrecht dem Interesse der Gemeinschaft an einer ordnungsgemäßen Verwaltung dient (vgl. zuletzt BGH v. 15.1.2010, V ZR 114/09). Es kann deshalb nur ausnahmsweise entfallen, wenn ein Erfolg der Klage den Eigentümern oder der ...

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