Rz. 8

Die Versicherungsfreiheit ist tätigkeitsbezogen (Wiester, in: Brackmann, SGB VII, § 4 Rz. 33; Schmitt, SGBVII, § 4 Rz. 7; Riebel, in: Hauck, SGB VII, § 4 Rz. 19). § 4 erfasst nur Tätigkeiten, die zugleich sowohl versorgungsrechtliche als auch unfallversicherungsrechtliche Ansprüche auslösen. Durch den Wortlaut "soweit für sie die beamtenrechtlichen Unfallfürsorgevorschriften gelten" kommt zum Ausdruck, dass ausschließlich die versorgungsrechtlich gesicherte Tätigkeit versicherungsfrei ist. Nicht versicherungsfrei ist daher eine Tätigkeit, die kraft Gesetzes nach § 2, kraft Satzung gemäß § 3 oder freiwillig versichert nach § 6 ist. 4 Gesichtspunkte sind zu beachten:

1. Auf die Geltung, d. h. die grundsätzliche Anwendbarkeit der beamtenrechtlichen Unfallfürsorge ist abzustellen. Versicherungsfreiheit besteht auch dann, wenn im Einzelfall wegen eines Ausschlusstatbestandes nach § 44 BeamtVG keine Leistung gewährt wird.
 
Praxis-Beispiel

Ein Feuerwehrbrandmeister löscht ohne angeordnete Schutzausrüstung den Brand gefährlicher Chemikalien, um die Dienstunfähigkeit herbeizuführen. Er erleidet schwere Verätzungen.

2. Weiterhin entscheidet allein die Geltung zur Zeit des Versicherungsfalles. Verliert der Beamte seinen Status, so bleibt er versicherungsfrei, die Unfallversicherung tritt nicht nachträglich ein.
 
Praxis-Beispiel

Ein Polizeibeamter beteiligt sich an einem bewaffneten Überfall und wird dabei verletzt. Aufgrund rechtskräftiger Verurteilung zu einer 2-jährigen Freiheitsstrafe wird er aus dem Dienst entlassen. Er bleibt ohne Unfallversicherungsschutz.

3. Es muss ein Dienstunfall vorliegen, d. h., die Verrichtung muss der versorgten Tätigkeit zugeordnet werden können. Das für den Dienstunfallbegriff konstitutive Merkmal "in Ausübung des Dienstes" i. S. v. § 31 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG ist in aller Regel erfüllt, wenn der Beamte während der Dienstzeit in dem Dienstgebäude, in dem er Dienst zu leisten hat, zu Schaden kommt (BVerwG, Urteil v. 15.11.2007, 2 C 24/06, NVwZ-RR 2008 S. 269). Zur versorgten Tätigkeit gehört der Dienst im engeren Sinne. Aber auch dienstliche Veranstaltungen, die materielle und formelle Dienstbezogenheit aufweisen, also mit dem Dienst zusammenhängen und dienstlich angeboten werden. Umgekehrt rechtfertigen es nur Verhaltensweisen, die mit der Dienstausübung schlechthin nicht in Zusammenhang gebracht werden können, einen Unfall, der sich während der regelmäßigen Arbeitszeit im Dienstgebäude ereignet hat, von der Unfallfürsorge auszuschließen. Dabei ist insbesondere an Verhaltensweisen zu denken, die den wohlverstandenen Interessen des Dienstherrn erkennbar zuwiderlaufen oder von diesem sogar ausdrücklich verboten sind (BVerwG, Urteile v. 24.10.1963, 2 C 10.62, BVerwGE 17 S. 59, 62 f.).
 

Beispiele:

  • "Exerzitien" oder "Rüstzeiten" der Bundeswehr; Informationsabende für Soldaten, die in einer Bundeswehrfachschule organisiert und von Privatunternehmen durchgeführt werden (vgl. BSG, Urteil v. 15.7.1992, 9a RV 15/91, SGb 1993 S. 131 mit abl. Anm. Kunze).
  • Ein Zollhauptsekretär springt während der Dienstzeit vom Schreib­tisch auf, um einer Passantin, welche auf der Straße vor dem Dienstgebäude um Hilfe ruft, zu helfen. Es liegt ein Dienstunfall vor. Kein Unfallversicherungsschutz (BVerwG, Urteile v. 24.10.1963, 2 C 10.62, BVerwGE 17 S. 59, 62 f.).
4. Weiterhin werden Mehrfach- oder Nebentätigkeiten selbständig beurteilt. Sie unterliegen der Unfallversicherung nach den allgemeinen Vorschriften, zumeist § 2 (vgl. zu § 104: BSG, Urteil v. 16.5.1984, 9b RU 68/82, BSGE 56 S. 279, 281) .
 

Beispiele:

  • Ein Beamter ist am Abend als Kellner in der Gaststätte seiner Frau tätig, versichert nach § 2 Abs. 1 Nr. 1.
  • Ein Dienstordnungsangestellter der Berufsgenossenschaft ist in seinem Urlaub als Verkäufer tätig, versichert nach § 2 Abs. 1 Nr. 1.
  • Ein Beamter wird als Lebensretter tätig, versichert nach § 2 Abs. 1 Nr. 13a.
  • Versicherungsfrei ist dagegen ein Beamter, der im Interesse und auf Veranlassung seiner Behörde eine Nebentätigkeit ausübt: Ein hauptamtlicher Richter unterrichtet Rechtsreferendare.
5. § 4 Abs. 1 Nr. 1 gilt nicht für Teilnehmer an einer sportlichen Eignungsprüfung für eine Beamtentätigkeit. Sie haben bei einem Unfall keine Ansprüche aus der gesetzlichen Unfallversicherung, da diese nicht zur Aufnahme einer versicherten Tätigkeit erforderlich ist (vgl. LSG Schleswig-Holstein, Urteil v. 24.11.2008, L 8 U 69/08, UV-Recht Aktuell 2009 S. 712).
 
Praxis-Beispiel

Ein Teilnehmer an einer sportlichen Eignungsprüfung für den Polizeidienst hat bei einem Unfall keine Ansprüche aus der gesetzlichen Unfallversicherung, da diese nicht zur Aufnahme einer versicherten Tätigkeit erforderlich ist. Auch § 2 Abs. 1 Nr. 3 ist einer erweiternden Auslegung nicht zugänglich.

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