Leitsatz

Die Jahresabrechnung ist auf entsprechende Rüge hin insgesamt für ungültig zu erklären, wenn sie für einen durchschnittlichen Eigentümer ohne sachkundige Hilfe nicht vollständig und nachvollziehbar ist. Das ist regelmäßig bei fehlender rechnerischer Schlüssigkeit der Fall, wenn also eine Diskrepanz zwischen tatsächlicher Kontenentwicklung und der Einnahmen- und Ausgabendarstellung anhand der Abrechnung beziehungsweise den darin enthaltenen Erläuterungen nicht aufgeklärt werden kann.

 

Fakten:

Der Verwalter hatte in der vergangenen Wirtschaftsperiode dem Rücklagenkonto einen höheren Betrag entnommen, um damit Ölrechnungen zu bezahlen. Unabhängig davon, dass dieses Vorgehen den Bestimmungen der Teilungserklärung mit Gemeinschaftsordnung widersprach, lag der eigentliche Fehler darin, dass sich der Abfluss vom Rücklagenkonto nur aus der Kontenübersicht am Ende der Jahresabrechnung ergibt, die Summe jedoch im Einnahmen- und Ausgabenteil der Abrechnung nicht auftaucht. Die Abbuchung vom Rücklagenkonto hätte aber als Einnahme bei der Einnahmen- und Ausgabenrechnung der Abrechnung erfasst werden müssen. Die Abflüsse vom Rücklagenkonto als Einnahme zu buchen, wäre vorliegend umso wichtiger gewesen, als umgekehrt die Zuflüsse zur Rücklage als Ausgabe gebucht wurden. Dadurch, dass einerseits die Zuflüsse zur Rücklage als Ausgabe gebucht werden, andererseits die Abflüsse von der Rücklage jedoch nicht als Einnahme erfasst werden, wird das Ergebnis der Jahresabrechnung verfälscht.

Darüber hinaus war die Jahresabrechnung auch hinsichtlich der Position "Heizungskosten" fehlerhaft. Erfasst wurden zunächst nur die Kosten für den tatsächlichen Verbrauch in der konkreten Wirtschaftsperiode. Das ist im Hinblick auf die in der Heizkostenverordnung geforderte verbrauchsabhängige Abrechnung grundsätzlich zulässig. Mit dieser Darstellung geht jedoch notwendigerweise eine Diskrepanz zwischen der Kontendarstellung und der Einnahmen- und Ausgabendarstellung einher: Die Einnahmen- und Ausgabendarstellung beinhaltet nur die Kosten für die tatsächlich in der Wirtschaftsperiode verbrauchten Brennstoffe, während die Kontodarstellung sämtliche in der Wirtschaftsperiode tatsächlich bezahlten - und damit vom Konto abgebuchten - Heizkosten (unabhängig von dem Verbrauch) offenbart. Dieser Unterschied muss in der Jahresabrechnung erläutert werden. Es muss ein Rechnungsabgrenzungsposten gebildet werden, anhand dessen erklärt wird, wie groß die sich aus der Heizkostendarstellung ergebende Diskrepanz zwischen der Einnahmen- und Ausgabenrechnung und der Kontendarstellung ist und woher sie rührt. Nur so ist die Abrechnung in sich schlüssig und vor allem für den durchschnittlichen Wohnungseigentümer noch aus sich heraus verständlich. An einer solchen Erläuterung fehlte es in der Jahresabrechnung, weshalb sie auch insoweit unschlüssig und nicht mehr ohne Weiteres verständlich war.

 

Link zur Entscheidung

LG München I, Urteil vom 30.11.2009, 1 S 23229/08LG München I, Urteil vom 30.11.2009 – 1 S 23229/08

Fazit:

Eine Ungültigskeiterklärung nur einzelner Teile der Abrechnung war vorliegend nicht möglich, weil damit das Problem, dass die Abrechnung insgesamt nicht mehr nachvollzogen werden konnte, nicht gelöst worden wäre. Das Rechenwerk war insgesamt für ungültig zu erklären, da es für einen durchschnittlichen Eigentümer nicht mehr vollständig und nachvollziehbar war. Die erforderliche Übersichtlichkeit ist dabei dann nicht gewährleistet, wenn der einzelne Wohnungseigentümer die Gesamtabrechnung und den Vermögensstatus gar nicht oder nur dann nachvollziehen kann, wenn er sich das Maßgebende erst selbst beschafft.

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