Rz. 222

Dem organisationsrechtlichen Teil der Satzung kommt bei der treuhänderischen Stiftung besondere Bedeutung zu. Während das Gesetz für die rechtsfähige Stiftung ein Mindestmaß an Organisationsrecht vorsieht, ist es bei der treuhänderischen Stiftung Stifter und Träger überlassen, im Stiftungsvertrag eine geeignete organisatorische Struktur festzulegen, die die Erfüllung des Stiftungszwecks bzw. des Stifterwillens sichert. Gleichzeitig sind in der Satzung an Stelle der staatlichen Aufsicht geeignete Instrumente der externen oder Binnenkontrolle vorzusehen. Damit soll nicht nur sichergestellt werden, dass der Träger das Vermögen bzw. dessen Erträge nicht zweckwidrig verwendet. Wichtiger noch dürfte sein, dass durch ein beratendes und kontrollierendes Gremium Effizienz und Effektivität der Mittelverwendung regelmäßig überprüft werden können. Zudem kann sich der Stifter zu Lebzeiten in einem solchen Gremium ein Mitsprache- oder Letztentscheidungsrecht vorbehalten und so die Stiftungsarbeit vorbildhaft prägen.

 

Rz. 223

Eine sachgerechte Organisationsstruktur muss für jede Stiftung maßgeschneidert werden. Die nachfolgenden Gestaltungsvorschläge sind daher nur als Grundstruktur zu verstehen, die jeweils den besonderen Verhältnissen des Einzelfalls angepasst werden muss.

Verbreitet ist eine duale Struktur, in der dem Träger ein beratendes und/oder mitentscheidendes Gremium zur Verfügung gestellt wird. Die Bezeichnung des Beratungsgremiums variiert; im Folgenden wird vom "Stiftungsrat" gesprochen. Andere übliche Bezeichnungen sind "Kuratorium", "Beirat" oder auch "Vorstand".[278]

 

Rz. 224

Die rechtliche Stellung des Stiftungsrats im Verhältnis zum Träger wird in Stiftungsvertrag und Satzung geregelt. Da die treuhänderische Stiftung keine eigene Rechtspersönlichkeit besitzt, handelt es sich beim Stiftungsrat nicht um ein vertretungsberechtigtes "Organ" im Rechtssinne. Nach außen tritt rechtlich allein der Träger in Erscheinung. Es ist jedoch möglich, den Stiftungsrat oder einzelne Mitglieder vertraglich oder im Einzelfall zur Vertretung des Trägers zu bevollmächtigen. Im Regelfall dürfte es ausreichen, den Träger im Stiftungsvertrag dazu zu verpflichten, die Beschlüsse des Stiftungsrats auszuführen, soweit sich diese innerhalb seiner satzungsgemäßen Kompetenzen halten, mit der Satzung vereinbar (und ggf. gemeinnützigkeitsrechtlich zulässig) sind und ausreichende Mittel zur Verfügung stehen. Ist die Stiftung – wie meist – im Wege der Schenkung unter Auflage errichtet, stellen sich rechtlich die satzungsgemäßen Befugnisse des Stiftungsrats gegenüber dem Träger als die Berechtigung dar, den Vollzug der Schenkungsauflage im Sinne von § 525 BGB zu verlangen;[279] der Schenkungsvertrag ist insofern echter Vertrag zugunsten Dritter im Sinne von § 328 BGB.[280]  

 

Empfehlung:

Die Satzung sollte vorsehen, dass ein Vertreter des Trägers an allen Sitzungen des Stiftungsrats mit beratender Stimme teilnehmen soll. Auf diese Weise können rechtliche Schwierigkeiten mit möglicherweise undurchführbaren Beschlüssen etc. frühzeitig vermieden werden.

 

Rz. 225

Der Stiftungsrat ist primär dafür zuständig, den Stifterwillen in konkreten Programmen, Projekten oder Förderentscheidungen zu verwirklichen. Dabei kommt ihm eine doppelte Aufgabe zu: Zum einen muss er entscheiden, auf welche konkrete Weise der Stiftungszweck jeweils verwirklicht werden soll. Zum anderen muss er regelmäßig prüfen, ob die bisherige Art der Zweckverwirklichung auch angesichts eines sich zuweilen rasch wandelnden Umfelds noch der Intention des Stifters entspricht. Diese Prüfung kann ergeben, dass das bisherige Förderprogramm zugunsten einer neuen Strategie aufgegeben werden muss, um den Stifterwillen optimal zu verwirklichen.

 

Rz. 226

Aus diesen Aufgaben ergeben sich Hinweise für eine kluge Zusammensetzung des Stiftungsrats. Regelmäßig wird es sich anbieten, dass der Stifter zunächst selbst dort Mitglied wird und den Vorsitz übernimmt. Auf diese Weise kann er die Arbeit des Stiftungsrats vorbildhaft für die Zeit prägen, in der er die Aufgabe nicht mehr selbst wahrnehmen kann oder möchte. Zu den Mitgliedern können auch Personen aus dem Umfeld des Stifters gehören, die in besonderer Weise mit seinem persönlichen Anliegen vertraut sind. So wird langfristig eine authentische Interpretation des Stifterwillens garantiert. Ein weiteres Kriterium kann die Fachkompetenz auf dem Gebiet sein, auf dem die Stiftung ihre Fördertätigkeit entfalten soll. Um die stetige inhaltliche Erneuerung der Stiftung auch über lange Zeiträume zu gewährleisten, kann es angezeigt sein, Vertreter bestimmter Einrichtungen, die in diesem Gebiet aktiv sind, in den Stiftungsrat zu berufen.

 
Praxis-Beispiel

Wissenschaftler im Stiftungsrat

Eine Stiftung soll die Wissenschaft auf einem bestimmten medizinischen Gebiet fördern. Hier kann es hilfreich sein, wenn dem Stiftungsrat immer ein Mitglied einer entsprechenden Ärzteorganisation, wissenschaftlichen Gesellschaft oder Forschungseinrichtung angehört. Auf diese Wei...

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