Rz. 156

Voraussetzungen und Durchführung eines Insolvenzverfahrens sind gesetzlich in dem Insolvenzgesetz und Durchführungsverordnungen geregelt, Insolvency and Bankrupcty Code von 2016 (IBC). Vor Inkrafttreten dieses Regelwerkes im Jahr 2016 bestand kein im westlichen Sinne strukturiertes modernes Insolvenzrecht. Die wenigen gesetzlichen Regelungen stammten aus der Kolonialzeit. Dieses in Indien daher grundlegend neue Rechtsgebiet ist noch dabei, sich bei den Beteiligten durchzusetzen, für die praktische Handhabung bestehen daher zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Beitrages nur begrenzte Erfahrungswerte.

 

Rz. 157

Insolvenzverfahren können eingeleitet werden durch Gläubiger oder durch die Gesellschaft. Voraussetzung für die Einleitung durch einen Gläubiger ist ein Zahlungsverzug der Gesellschaft und erfolglose Fristsetzung und Androhung des Insolvenzantrages, in jeweils im Detail vorgeschriebener Form unter Beifügung von Nachweisen. In dem Antrag kann auch bereits eine Person benannt werden, die als vorläufiger Insolvenzverwalter (Interim Resolution Professional) bestellt werden soll.

 

Rz. 158

Der für einen Antrag erforderliche Mindestbetrag der ausstehenden Forderung ist im Gesetz festgelegt mit 100.000 INR; im Zuge von Durchführungsverordnungen kann dieser Betrag zeitweise oder dauerhaft auf bis zu 10 Mio. INR erhöht werden, um kleine Unternehmen zu schützen. Von dieser Möglichkeit wurde zuletzt im Zusammenhang mit der Coronakrise Gebrauch gemacht.

 

Rz. 159

Die freiwillige Einleitung eines Verfahrens durch die Gesellschaft selbst erfordert ebenfalls den Rückstand mit einer Zahlungsverpflichtung in der angegebenen Höhe.

 

Rz. 160

Die zuständige Behörde (National Company Law Tribunal) hat laut Gesetz binnen 14 Tagen über den Antrag zu entscheiden und leitet im Falle der Annahme des Antrages das Verfahren ein. Der vorläufige Insolvenzverwalter übernimmt sodann die Kontrolle über den Geschäftsbetrieb und die Befugnisse des Board of Directors sind damit ausgesetzt. Es wird auch eine einstweilige Einstellung von Vollstreckungs- oder Beitreibungsmaßnahmen angeordnet sowie das Aussetzen der Kündigungsmöglichkeit wesentlicher Verträge. Im Wege öffentlicher Bekanntmachung werden die Gläubiger ermittelt. Der vorläufige Insolvenzverwalter hat auf dieser Basis die Aufgabe, den Gläubigerausschuss zu konstituieren.

 

Rz. 161

Gläubiger im Finanzbereich (insb. Darlehensgeber) sind im Gläubigerausschuss stets stimmberechtigt vertreten; Gläubiger von Forderungen aus dem operativen Geschäftsbetrieb (Forderungen aus Lieferungen und Leistungen) haben nur Beobachterstatus, und dies auch nur, sofern die jeweilige Forderung mindestens 10 % der Außenstände ausmacht. Der Gesellschaft nahestehende Personen (wie etwa beherrschende Gesellschafter) haben jedoch keinen Zugang zum Gläubigerausschuss und auch kein Stimmrecht. Sofern keine Gläubiger im Finanzbereich vorhanden sind oder sofern diese als nahestehende Personen kein Stimmrecht haben, sind die 18 größten Gläubiger aus dem operativen Geschäftsbetrieb im Gläubigerausschuss stimmberechtigt sowie näher definierte Arbeitnehmervertreter.

 

Rz. 162

Der Gläubigerausschuss beschließt über das weitere Verfahren mit einer Mehrheit von 75 %. Dazu gehört auch die Bestellung des Insolvenzverwalters für das weitere Verfahren.

 

Rz. 163

Der Insolvenzverwalter nimmt Vorschläge für einen Insolvenzplan entgegen. Dieser bedarf der Zustimmung von 66 % der Stimmen der Gläubigerversammlung und wird nach Genehmigung durch das National Company Law Tribunal für alle Beteiligten verbindlich.

 

Rz. 164

Für das Verfahren steht ein Zeitraum von maximal 180 Tagen zur Verfügung, mit der Möglichkeit der einmaligen Verlängerung um 90 Tage.

 

Rz. 165

Das National Company Law Tribunal beurteilt den Insolvenzplan daraufhin, ob die Interessen der Beteiligten darin in angemessener Weise gewahrt werden.

 

Rz. 166

Sofern (1) der Insolvenzplan die Liquidation der Gesellschaft vorsieht oder (2) der Insolvenzplan durch das National Company Law Tribunal als nicht ausreichend gesehen wird oder (3) ein Insolvenzplan nicht binnen der gesetzlichen Fristen vorgelegt wird, ordnet das National Company Law Tribunal die Liquidation der Gesellschaft an. Hierfür wird in der Regel der Insolvenzverwalter zum Liquidator bestellt. Die Liquidation soll binnen zwei Jahren abgeschlossen sein.

 

Rz. 167

Die Anfechtung von Geschäftsvorfällen durch den Insolvenzverwalter oder Liquidator ist möglich für im Gesetz näher definierte Fallgruppen unangemessener oder nachteiliger Transaktionen. Prüfungsmaßstab ist hierbei, ob im Falle der Liquidation aus dem jeweiligen Vorgang eine Bevorzugung der betreffenden Partei gegenüber anderen Gläubigern resultierte. Dabei können für Geschäftsvorfälle mit fremden Dritten Transaktionen angefochten werden, welche in dem Jahr vor Eröffnung des Verfahrens stattfinden. Im Falle von Geschäftsvorfällen mit nahestehenden Personen beträgt der maßgebliche Zeitraum zwei Jahre.

 

Rz. 168

Eine persönliche Haftung jedweder Dritter wird im Gesetz ausdrückl...

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