Rz. 1

Mit dem Begriff "Stiftung" werden verschiedene, wenn auch verwandte Institutionen bezeichnet, die sich in ihrer juristischen Konstruktion, ihrer gesellschaftlichen Rolle und ihren funktionellen Eigenarten unterscheiden.

 

Rz. 2

Einem herkömmlichen Stiftungsbegriff dürfte am ehesten eine funktionelle Beschreibung entsprechen. Danach zeichnet sich eine Stiftung durch die folgenden Elemente aus:

  • Die Existenz der Stiftung ist ausgerichtet auf einen bestimmten, zumeist selbstlosen Zweck.[1] Dieser Zweck wird bei der Gründung festgelegt und ist später nur noch ausnahmsweise änderbar.
  • Dieser Zweck soll nachhaltig verfolgt werden, d. h., die Zweckverfolgung soll sich jedenfalls nicht in einem einmaligen Akt erschöpfen.
  • Zur nachhaltigen Zweckverfolgung werden finanzielle Mittel eingesetzt, die aus einer längerfristig verfügbaren Quelle stammen. Idealtypisch handelt es sich um die Erträge eines rentierlichen Vermögens.
  • Die Stiftung verfügt über ein Mindestmaß an Organisation, um über die konkrete Verwendung der Stiftungsmittel im Rahmen der Zwecksetzung zu entscheiden und diese Entscheidungen umzusetzen.
 

Rz. 3

Die Bestimmungsmerkmale Vermögen, Zweck und Organisation bilden zugleich den gemeinsamen Kern dessen, was in den europäischen Staaten als Stiftung verstanden wird.[2] In der Bundesrepublik Deutschland ist sowohl nach ihrer Verbreitung als auch nach allgemeiner Anschauung die gemeinnützige rechtsfähige Stiftung des Privatrechts i. S. d. § 80 BGB der Prototyp der Stiftung. Die Bindung an den Stiftungszweck und den Stifterwillen ist bei ihr in besonderer Weise ausgeprägt. Die staatliche Stiftungsaufsicht wacht über die Einhaltung der Satzung und die Respektierung des Stifterwillens. Das Finanzamt kontrolliert die ausschließliche Verwendung der Stiftungsmittel für den gemeinnützigen Zweck. Die Stiftung wird in aller Regel auf unbestimmte Zeit errichtet. Voraussetzung der behördlichen Anerkennung – und damit ihrer Existenz – ist die Ausstattung mit einem Vermögen, aus dessen Erträgen sich ihr Zweck nachhaltig verfolgen lässt. Die Stiftung ist juristische Person mit mindestens dem Vorstand als eigenem Organ. Somit verkörpert die gemeinnützige rechtsfähige Stiftung des Privatrechts alle oben skizzierten Elemente des Stiftungsbegriffs in idealer Weise.

 

Rz. 4

Mit Hilfe des Vertrags-, Gesellschafts- und Vereinsrechts lassen sich aber auch andere rechtliche Konstruktionen gestalten, die allen Anforderungen des Stiftungsbegriffs entsprechen oder ihm doch sehr nahe kommen. Man kann in Abgrenzung von der rechtsfähigen Stiftung als "Stiftung kraft Rechtsform" von "Stiftungen kraft Rechtsgestaltung" sprechen.[3]

 

Rz. 5

In diesem Handbuch werden alle wichtigen rechtlichen Erscheinungsformen von Stiftungen dargestellt. Dies sind:

  • die rechtsfähige Stiftung des Privatrechts,
  • die treuhänderische Stiftung des Privatrechts,
  • die Stiftungs-GmbH und
  • der Stiftungs-Verein.

Außer einem Exkurs zur Errichtung von Stiftungen durch die öffentliche Hand[4] werden weitere Sonderformen nicht behandelt.

 

Rz. 6

Neben dem Zivil- und Gesellschaftsrecht ist für die Praxis vor allem das Steuerrecht von großer Bedeutung. Die Darstellung trägt diesem Umstand Rechnung: Für jede Lebensphase der Stiftung werden zunächst die zivil- und gesellschaftsrechtlichen Regelungen dargestellt, sodann für alle Rechtsformen gemeinsam die steuerliche Behandlung in dieser Phase. Bei der Darstellung des Steuerrechts wird im Hinblick auf rechtsfähige Stiftungen zwischen steuerbegünstigten und steuerpflichtigen Stiftungen unterschieden. Steuerpflichtige treuhänderische Stiftungen, Stiftungs-GmbH und Stiftungs-Vereine spielen in der Praxis u. E. keine Rolle. Von einer Darstellung des Steuerrechts wird in diesen Fällen daher abgesehen. Soweit das Steuerrecht rechtsformspezifische Unterschiede aufweist, werden sie im jeweiligen Zusammenhang erörtert.

 

Rz. 7

Ergänzt wird der Band um eine rechtsformübergreifende Darstellung des Rechnungswesens der Stiftung (Kapitel XI). In diesem Teil werden in knapper Form sowohl die Grundlagen der Rechnungslegung behandelt als auch Lösungen für die spezifischen Probleme vorgeschlagen, die sich aus dem Stiftungs- und Gemeinnützigkeitsrecht ergeben.

 

Rz. 8

Der Schwerpunkt der Darstellung liegt auf der Beratungspraxis. Auf ausführliche Erörterungen von Grundsatzfragen wurde größten Teils verzichtet. Doch auch im Stiftungsrecht und mehr noch im Steuerrecht ergibt sich durch gesetzliche Änderungen und sich durchsetzende neuere Auffassungen Diskussionsbedarf. Ähnliches gilt für den Bereich des Rechnungswesens, in dem die stiftungsspezifischen Anforderungen in der Praxis bisher häufig höchstens – wenn überhaupt – als Problem erkannt sind. Soweit für die Praxis relevant, werden Streitstand und Auffassung der Autoren im Hinblick auf mögliche Auseinandersetzungen mit Behörden und zukünftige Entwicklungen in Verwaltungspraxis, Rechtsprechung und Gesetzgebung knapp referiert.

Nicht dargestellt werden Besonderheiten kommunaler oder kirchlicher Stiftungen. Diesbezü...

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