2.2.1 Begriff

Pflegebedürftig ist, wer gesundheitlich bedingte Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten aufweist und deshalb der Hilfe durch andere bedarf. Pflegebedürftige Personen können danach körperliche, kognitive oder psychische Beeinträchtigungen oder gesundheitlich bedingte Belastungen oder Anforderungen nicht selbstständig kompensieren oder bewältigen.[1]

2.2.2 Kriterienkatalog

Zur Konkretisierung des Pflegebedürftigkeitsbegriffs gilt ein differenzierter, von der Pflegewissenschaft erarbeiteter und erprobter Kriterienkatalog, der in die folgenden 6 Grundbereiche aufgeteilt ist:[1]

  • Mobilität (Kriterien sind z. B. Fortbewegen im Wohnbereich, Treppensteigen, Positionswechsel im Bett),
  • kognitive und kommunikative Fähigkeiten (Kriterien sind z. B. Erkennen von Personen, örtliche und zeitliche Orientierung, Treffen von Entscheidungen im Alltagsleben, Verstehen, Beteiligen am Gespräch),
  • Verhaltensweisen und psychische Problemlagen (Kriterien sind z. B. motorische Auffälligkeiten, aggressives Verhalten, Ängste, Antriebslosigkeit bei depressiver Stimmungslage),
  • Selbstversorgung (Kriterien sind z. B. An- und Auskleiden, Körperpflege, Essen und Trinken),
  • Bewältigung und selbstständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen (Kriterien sind z. B. Medikation, Verbandswechsel, Arztbesuche) und
  • Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte (Kriterien sind z. B. Gestaltung des Tagesablaufs, Kontaktpflege zu Personen).

Der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff umfasst damit auch kognitive Einschränkungen (z. B. Demenzerkrankungen), in deren Folge die Alltagskompetenz erheblich eingeschränkt ist.

2.2.3 Pflegegrade

Die Hilfe zur Pflege übernimmt neben den Kriterien für die Pflegebedürftigkeit aus der Pflegeversicherung[1] auch die geltende Grundeinteilung der Pflegebedürftigkeit in 5 Pflegegrade. Danach sind pflegebedürftige Personen nach den in einem Begutachtungsverfahren ermittelten Gesamtpunkten folgenden Pflegegraden zuzuordnen:[2]

 
Pflegegrad 1: geringe Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten (ab 12,5 bis unter 27 Gesamtpunkte)
Pflegegrad 2: erhebliche Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten (ab 27 bis unter 47,5 Gesamtpunkte)
Pflegegrad 3: schwere Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten (ab 47,5 bis unter 70 Gesamtpunkte)
Pflegegrad 4: schwerste Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten (ab 70 bis unter 90 Gesamtpunkte)
Pflegegrad 5: schwerste Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung (ab 90 bis unter 100 Gesamtpunkte)
 
Hinweis

Pflegegrad 5 bei besonderen Bedarfskonstellationen

Soweit ein außergewöhnlich hoher Hilfebedarf besteht, der mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung verbunden ist, kann eine Zuordnung zum Pflegegrad 5 auch dann erfolgen, wenn die Gesamtpunktzahl unterhalb von 90 Punkten liegt.[3] Dies ist z. B. bei Personen der Fall, deren Arme und Beine jeweils beide vollständig gebrauchsunfähig sind.

Sonderregelungen gelten bei Kindern im Alter bis zu 18 Monaten. Sie erhalten bei Vorliegen der o. a. Punktzahlen grundsätzlich einen um eine Stufe höheren Pflegegrad (ab 70 Punkte – Pflegegrad 5).[4]

Für die Ermittlung des Grades der Pflegebedürftigkeit verweist die Hilfe zur Pflege vollumfänglich auf die Regelungen und auf das Verfahren der Pflegeversicherung.[5] Eine Entscheidung der Pflegekasse über den Pflegegrad ist dabei für den Träger der Sozialhilfe bindend, soweit sie auf Tatsachen beruht, die bei beiden Entscheidungen zu berücksichtigen sind. Ziel ist die Vermeidung von unterschiedlichen Beurteilungen oder von Doppeluntersuchungen.[6] Die Bindungswirkung erstreckt sich jedoch nur auf die Einordnung in den Pflegegrad, d. h. der Umfang der Leistungen der Hilfe zur Pflege richtet sich allein nach den sozialhilferechtlichen Regelungen.[7]

Soweit keine Entscheidung der Pflegekasse über das Ausmaß der Pflegebedürftigkeit vorliegt, soll der Träger der Sozialhilfe auf Sachverständige, insbesondere den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung, zurückgreifen.[8]

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