Entscheidungsstichwort (Thema)

Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 2 S 1 Nr 1 SGB 6. Yoga-Kursleiter. Abgrenzung zwischen beratenden und lehrenden Tätigkeiten. Tätigkeiten mit mittelbarer therapeutischer Zielsetzung

 

Orientierungssatz

1. Selbstständig und ohne die Beschäftigung eines versicherungspflichtigen Arbeitnehmers tätige Yoga-Kursleiter sind als Lehrer nach § 2 S 1 Nr 1 SGB 6 versicherungspflichtig in der gesetzlichen Rentenversicherung.

2. Insofern handelt es sich bei der Tätigkeit eines Yoga-Kursleiters nicht um eine Beratertätigkeit.

3. Zur Abgrenzung zwischen beratenden und lehrenden Tätigkeiten.

4. Therapeutische Ziele erhalten für die rechtliche Einstufung einer Tätigkeit erst dann Relevanz, wenn die Befriedigung eines therapeutischen Bedarfs das Vertragsverhältnis prägt und eine zur Heilung erfolgende Anleitung und Unterweisung nur als Mittel zum vorrangig angestrebten Therapieerfolg eingesetzt wird.

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Darmstadt vom 21. Juli 2022 wird zurückgewiesen.

2. Die Beteiligten haben einander auch in der Berufungsinstanz keine Kosten zu erstatten.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Versicherungspflicht der Klägerin in der gesetzlichen Rentenversicherung für ihre Tätigkeit als Yogalehrerin.

Die 1956 geborene Klägerin gibt seit Mai 1994 Yogakurse im Rahmen des Programms der Kreisvolkshochschule D. und der Volkshochschule C-Stadt. In einer Auskunft zur Feststellung der Pflichtversicherung vom 27. August 2014 gab die Klägerin an, sie sei Dozentin und Übungsleiterin als Yogalehrerin. Sie arbeite stundenweise und semesterbedingt. Sie sei Geringverdienerin und habe unterschiedlich hohes Einkommen je nach Anzahl der stattfindenden Kurse. Monatlich liege das Einkommen bei ca. 200,00 €.

Mit Bescheid vom 10. September 2014 stellte die Beklagte die Versicherungsfreiheit der Klägerin ab dem 1. Mai 1994 gemäß § 5 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) fest. Zur Begründung führte die Beklagte aus, dem Grunde nach bestehe für die Klägerin Versicherungspflicht gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI als selbständig tätige Lehrerin. Die Klägerin führe ihre Tätigkeit jedoch seit dem 1. Mai 1994 in geringfügigem Umfang aus, weshalb Versicherungsfreiheit nach § 5 Abs. 2 SGB VI bestehe. Die Klägerin sei verpflichtet, die Beklagte unverzüglich zu benachrichtigen, wenn ihre selbständige Tätigkeit regelmäßig mehr als geringfügig ausgeübt werde. Der Bescheid wurde in der Sache bindend.

Im Juni 2018 bat die Beklagte die Klägerin um Auskunft über ihr Arbeitseinkommen. Zugleich teilte das zuständige Finanzamt B.... mit Schreiben vom 11. Juni 2018 mit, die Klägerin habe seit 2015 ein Gewerbe als Yoga-Kursleiterin angegeben. Für das Jahr 2015 sei ein Einkommensteuerbescheid vom 7. März 2017 ergangen, der ein Einkommen aus selbständiger Tätigkeit in Höhe von 11.544,00 € berücksichtigt habe. Für die Jahre 2016 und 2017 lägen noch keine Einkommensteuerbescheide vor. Ergänzend gab das Finanzamt mit Schreiben vom 25. Juni 2018 an, für 2013 sei Einkommen aus selbständiger Tätigkeit in Höhe von 2.727,00 € sowie für 2014 in Höhe von 6.979,00 € in den Einkommensteuerbescheiden berücksichtigt worden. Laut Vermerk der Beklagten vom 29. Juni 2018 habe die Klägerin telefonisch angegeben, sie sei wegen einer Ehescheidung seit 2014 mehr als geringfügig selbständig tätig. Das Einkommen in 2016 und 2017 betrage auch ca. 11.000,00 €. Forderungen könne sie auf keinen Fall begleichen, sie hoffe auf Niederschlagung.

Mit Bescheid vom 27. September 2018 stellte die Beklagte den Wiedereintritt der Versicherungspflicht der Klägerin in der gesetzlichen Rentenversicherung ab dem 1. Januar 2014 fest. Ab diesem Zeitpunkt habe die Klägerin Pflichtbeiträge zu leisten, wobei ein einkommensgerechter Beitrag zu zahlen sei, dessen Höhe sich aus einer beigefügten Beitragsrechnung ergebe. Laut anliegender Beitragsrechnung wurde für den Zeitraum vom 1. Januar 2014 bis 30. September 2018 eine Beitragsschuld in Höhe von insgesamt 7.631,29 € festgestellt. Hiergegen legte die Klägerin am 24. Oktober 2017 Widerspruch ein und trug vor, bei der ausgeübten Tätigkeit handele es sich nicht um eine Lehrtätigkeit, sondern um therapeutische Maßnahmen, die zur Wiederherstellung der Gesundheit beitragen sollten. Sie verfüge nicht über eine pädagogische Ausbildung. Die Abhaltung solcher Kurse zur Gesundheitsvorsorge falle nicht unter die Versicherungspflicht. Neben der genannten Tätigkeit würden noch andere Tätigkeiten ausgeübt, u.a. Fußreflexzonentherapie, Metamorphose, Kinesiologie und autogenes Training. Bereits hieraus ergebe sich, dass keine Lehrtätigkeit ausgeübt werde. Zur Akte gelangten Bescheinigungen der Kreisvolkshochschule D. vom 29. Januar 2018 und der Volkshochschule C-Stadt vom 31. Januar 2018, wonach die Klägerin für das Kalenderjahr 2017 Honorare für nebenberufliche Lehrtätigkeit in Höhe von 3.344,00 € und 10.816,00 € erhalten h...

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