Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine nachträgliche Übernahme von Kosten für eine selbstbeschaffte medizinische Rehabilitationsmaßnahme durch den Rentenversicherungsträger. Inanspruchnahme einer durch die Klinik organisierten sofortigen Anschlussrehabilitation. Fehlen eines vorherigen Antrags bzw einer vorherigen Kostenzusage durch Rehabilitationsträger. keine Ermessensreduzierung auf Null

 

Orientierungssatz

1. Der Rentenversicherungsträger hat bei Vorliegen der allgemeinen Leistungsvoraussetzungen und bei zu verneinendem Leistungsausschluss nach § 13 Abs 1 SGB 6 im Wege pflichtgemäßen Ermessens zu entscheiden, ob eine beantragte medizinische Rehabilitationsmaßnahme geeignet, erforderlich, zumutbar, wirtschaftlich und sparsam ist. Eine uneingeschränkte gerichtliche Überprüfung der Ermessensausübung findet nur statt, soweit eine Reduzierung des Ermessens auf Null vorliegt.

2. Einer Bewilligung der Leistung hat ein entsprechender Antrag des Leistungsempfängers vorauszugehen. Die gesetzliche Regelung setzt voraus, dass dem Rehabilitationsträger vor der geplanten Selbstbeschaffung eine Mitteilung gemacht und eine angemessene Frist zur Entscheidung über den Rehabilitationsantrag gesetzt worden ist.

3. Die Annahme einer Ermessensreduzierung auf Null setzt voraus, dass keine Umstände vorliegen, die eine anderweitige Entscheidungsfindung rechtsfehlerfrei zuließen.

4. Die Selbstbeschaffung einer unaufschiebbaren medizinischen Rehabilitationsleistung setzt nach § 15 Abs 1 S 4 Alt 1 SGB 9 voraus, dass eine Leistungserbringung im Zeitpunkt ihrer Durchführung so dringlich ist, dass aus medizinischer Sicht keine Möglichkeit eines nennenswerten zeitlichen Aufschubs bis zur Entscheidung des Versicherungsträgers mehr besteht.

 

Normenkette

SGB VI § 9 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, § 13 Abs. 1 S. 1, § 15 Abs. 1 Sätze 2-4, Abs. 2 S. 1, § 115 Abs. 1, 4; SGB IX § 9 Abs. 1 S. 1, §§ 14, 15 Abs. 1 S. 4, § 21; SGB I § 39 Abs. 1; SGG § 54 Abs. 2 S. 2; BGB § 323

 

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Marburg vom 2. Dezember 2014 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander auch für das Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Erstattung bzw. Übernahme von Kosten für eine selbstbeschaffte medizinische Rehabilitationsmaßnahme streitig.

Die 1958 geborene Klägerin wurde in der Zeit vom 11. April 2013 bis 26. April 2013 in der Praxisklinik F. stationär behandelt und dort am 12. April 2013 am Knie operiert (Einsatz einer Knie-TEP). Am Tag der Entlassung am 26. April 2013 begab sich die Klägerin in die H. Rehaklinik C-Stadt zur Durchführung einer Anschlussrehabilitation (AHB), die bis zum 17. Mai 2013 währte.

Bei der Beklagten ging am 10. Mai 2013 ein Antrag der Klägerin auf Bewilligung einer Anschlussrehabilitation ein. Dem Antrag waren ein Befundbericht der Praxisklinik F. (Dr. D.) sowie der OP-Bericht vom 12. April 2013 beigefügt. In dem Antrag sowie dem Befundbericht wurde als AHB-Einrichtung die Helios Klinik in C-Stadt benannt.

Die Beklagte bewilligte daraufhin durch Bescheid vom 15. Mai 2013 eine stationäre Anschlussrehabilitation als Leistung zur medizinischen Rehabilitation für die Dauer von drei Wochen in der Klinik E. in A-Stadt, deren Träger die Beklagte ist.

Aus einem Schreiben der Postbeamtenkrankenkasse vom 7. Juni 2013 geht hervor, dass diese das Begehren der Klägerin auf Erstattung der Kosten für die stationäre Rehabilitationsmaßnahme mit der Begründung abgelehnt hat, die hierfür erforderliche vorherige Genehmigung sei nicht erfolgt.

Mit Schreiben vom 12. Juni 2013, eingegangen bei der Beklagten am 17. Juni 2013, teilte die Klägerin mit, die Anschlussrehabilitation habe in der H. Rehaklinik C-Stadt direkt nach der Entlassung aus der Praxisklinik F. stattgefunden. Die Rehabilitationsmaßnahme sei durch die Praxisklinik F., Dr. D., beantragt und die Unterbringung in der Rehaklinik in C-Stadt vermittelt worden. Ergänzend legte die Klägerin die Rechnung der H. Rehaklinik C-Stadt vom 17. Mai 2013 vor und beantragte die Übernahme der Kosten in Höhe von 2.575,44 €.

Durch Bescheid vom 19. Juni 2013 lehnte die Beklagte eine Kostenübernahme ab und führte zur Begründung aus, eine nachträgliche Kostenübernahme für eine Rehabilitation, die die Klägerin ohne vorherige Kostenzusage durchgeführt habe, könne nicht erfolgen. Vielmehr sei aufgrund des am 10. Mai 2013 eingegangenen Antrages eine Anschlussrehabilitation in der Klinik E. in A-Stadt bewilligt worden. Da die Klägerin die Behandlung in A-Stadt nicht angetreten habe, werde die Kostenzusage für die Klinik E. wieder zurückgenommen.

Nachdem die Klägerin telefonisch mitgeteilt hatte, sie habe sich um eine Kostenzusage nicht gekümmert, da ihr in der Klinik mitgeteilt worden sei, es sei alles geregelt, befragte die Beklagte die H. Rehaklinik C-Stadt zu den Gründen für die Aufnahme, obwohl keine entsprechende Kostenübernahme durch sie erteilt worden sei. Die H. Rehaklinik C-Stadt...

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