Entscheidungsstichwort (Thema)

Vermittlungsunterstützende Leistungen. Förderung der Reisekosten für Vorstellungsgespräch in anderem Mitgliedstaat der EU. Europarechtskonformität. Verfassungsmäßigkeit

 

Orientierungssatz

1. Auch § 45 SGB 3 aF schließt eine Übernahme von Reisekosten für ein Vorstellungsgespräch in einem anderen Mitgliedstaat der EU nicht aus. Diese Auslegung wird durch die Neuregelung des § 45 Abs 2 SGB 3 idF vom 21.12.2008 gestützt.

2. Ein genereller Ausschluss der Förderung von Reisekosten in das EU-Ausland würde die in Art 39 EG garantierte Freizügigkeit der Arbeitnehmer in der Gemeinschaft verletzen.

3. Im Hinblick auf Art 3 Abs 1 GG ist kein ausreichender sachlicher Grund dafür zur erkennen, die Aufnahme einer Tätigkeit im Ausland nicht zu fördern.

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 24. November 2008 sowie der Bescheid der Beklagten vom 31. Oktober 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Januar 2006 aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

II. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig die Kostenübernahme für eine Reise zu einem Vorstellungsgespräch in Irland.

Der 1970 geborene Kläger war ab 1. Juli 2005 arbeitslos gemeldet. Am 16. August 2005 beantragte er bei der Beklagten die Gewährung von Reisekosten für ein Vorstellungsgespräch bei einer Firma in Dublin, Irland, am 22. August 2005. Der Kläger war dann von April 2006 bis Januar 2008 bei dieser Firma sozialversicherungspflichtig beschäftigt.

Mit Bescheid vom 31. Oktober 2005 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Der Widerspruch des Klägers vom 24. November 2005 wurde mit Widerspruchsbescheid vom 3. Januar 2006 mit der Begründung zurückgewiesen, für die Gewährung von Reisekosten ins Ausland sei keine rechtliche Grundlage vorhanden, auch nicht für ein Vorstellungsgespräch in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union.

Hiergegen hat der Kläger am 24. Januar 2006 bei dem Sozialgericht Frankfurt am Main Klage erhoben und geltend gemacht, die Rechtsauffassung der Beklagten verstoße gegen Europarecht. Demgegenüber ist die Beklagte der Auffassung, dass das Gesetz bei der Aufnahme einer Beschäftigung im Ausland ausdrücklich die Übernahme von Mobilitätshilfen vorsehe, nicht jedoch bei Reisen zu Vorstellungsgesprächen.

Mit Urteil vom 24. November 2008 hat das Sozialgericht Frankfurt am Main die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt: Aus der Regelung von § 53 Sozialgesetzbuch Drittes Buch -Arbeitsförderung -SGB III sei im Umkehrschluss zu schließen, dass, wenn das Gesetz nicht auch Leistungen für ein Vorstellungsgespräch im Ausland vorsehe, dies vom Gesetzgeber auch nicht gewollt sei. Eine solche Auslegung sei auch unter europarechtlichen Gesichtspunkten schlüssig. Die Grundfreiheit der Freizügigkeit stehe grundsätzlich nur Arbeitnehmern, nicht aber Arbeitsuchenden zu. Rein hypothetische berufliche Aussichten der Beschäftigung in einem anderen Mitgliedstaat, z. B. wie hier durch eine Bewerbung, genügten nicht, um einen hinreichend engen Bezug zu Artikel 39 EG-V herzustellen.

Gegen dieses dem Kläger am 18. Dezember 2008 zugestellte Urteil hat er am 14. Januar 2009 bei dem Hessischen Landessozialgericht die von dem Sozialgericht Frankfurt am Main zugelassene Berufung eingelegt.

Zur Begründung verweist er im Wesentlichen auf die seit 1. Januar 2009 geltende Neufassung von § 45 SGB III.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 24. November 2008 sowie den Bescheid der Beklagten vom 31. Oktober 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Januar 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den übrigen Akteninhalt Bezug genommen sowie auf den der Akten der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist zulässig und begründet.

Nach § 45 SGB III in der bis 31. Dezember 2008 geltenden Fassung können Arbeitslose und von Arbeitslosigkeit bedrohte Arbeitsuchende sowie Ausbildungsuchende zur Beratung und Vermittlung unterstützende Leistungen erhalten, soweit der Arbeitgeber gleichartige Leistungen nicht oder voraussichtlich nicht erbringen wird. Als unterstützende Leistungen können Kosten

1. ……

2. im Zusammenhang mit Fahrten zur Berufsberatung, Vermittlung, Eignung der Feststellung und zu Vorstellungsgesprächen (Reisekosten)

übernommen werden.

Im Rahmen des Ermessens können die Zweckmäßigkeit, die Erfolgsaussicht und der Kostenaufwand berücksichtigt und abgewogen werden.

Nach Auffassung der Beklagten gilt diese Vorschrift nic...

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