Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. Anspruch auf Erstattung von Vorverfahrenskosten. Beratungshilfe. Forderungsübergang auf Rechtsanwalt. Zulässigkeit der Aufrechnung des Kostenerstattungsanspruchs mit Darlehensforderung

 

Leitsatz (amtlich)

Die Regelungen der §§ 406, 412 BGB gelten auch im Falle eines gesetzlichen Forderungsübergangs nach § 9 BerHG (juris: BeratHiG) uneingeschränkt.

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 26. Juni 2017 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen zu tragen.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt als Bevollmächtigte von Frau B,. B. in einem Widerspruchsverfahren gegenüber dem Beklagten die Erstattung ihrer Kosten; zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beklagte diesen Kostenerstattungsanspruch mit Forderungen gegenüber der Widerspruchsführerin aufrechnen durfte.

Die Klägerin ist Rechtsanwältin und vertrat Frau B. bei einem Widerspruch gegen einen Bescheid des Beklagten vom 18. September 2012. In diesem Widerspruchsverfahren erließ der Beklagte mit Datum vom 12. Juni 2013 (Bl. 1233 der Verwaltungsakte) einen Teilabhilfe- und Widerspruchsbescheid, der eine Erstattung der zur Rechtsverfolgung notwendigen Kosten zu 17% vorsah. Der Widerspruchsführerin war für dieses Verfahren Beratungshilfe bewilligt worden (Beschluss des Amtsgerichtes Bad Homburg vom 4. Januar 2013, Bl. 1268 der Verwaltungsakte).

Die Klägerin stellte dem Beklagten (in eigenem Namen) die streitigen Kosten in Höhe von 52,60 Euro in Rechnung (Schreiben vom 19. Juni 2013, Bl. 1248, 1254 der Verwaltungsakte). Dazu erklärte der Beklagte mit Schreiben vom 24. Juli 2013 (Bl. 1259 der Verwaltungsakte) an die Widerspruchsführerin, die Kosten seien dem Grunde nach erstattungsfähig. Er erkläre jedoch die Aufrechnung des Kostenerstattungsanspruchs mit einer ihr gegenüber noch bestehenden Rückzahlungsforderung aus einem Darlehen an sie. Dieses Schreiben übermittelte der Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 24. Juli 2013 (Bl. 1258 der Verwaltungsakte).

Dem lag ein bestandskräftiger Darlehensbescheid des Beklagten vom 12. März 2009 (Bl. 366 der Verwaltungsakte) gegenüber der Widerspruchsführerin über die Gewährung eines Darlehens in Höhe von 3.700 Euro zugrunde. Zur Tilgung dieses Darlehens heißt es in diesem Bescheid, dass ab dem 1. April 2009 Raten in Höhe von 50 Euro monatlich von den zustehenden Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende einbehalten werde. Falls die Widerspruchsführerin aus dem Leistungsbezug ausscheide, bevor das Darlehen vollständig getilgt sei, würde der Restbetrag mit gesondertem Bescheid zurückgefordert. Außerdem heißt es, dass sich der Vermieter verpflichtet habe, die Geschäftsanteile nach Beendigung des Mietverhältnisses ausschließlich an den Hochtaunuskreis zu erstatten, wenn und soweit ihm keine Ansprüche aus dem Mietvertrag mehr zustünden. Diese Verpflichtung entfalle, sobald die Widerspruchsführerin das Darlehen in voller Höhe getilgt habe; der Anspruch auf Rückzahlung der Geschäftsanteile stehe dann der Widerspruchsführerin zu. Sei das Darlehen bei Beendigung des Mietverhältnisses teilweise getilgt, bleibe der Vermieter zwar zur Zahlung des Darlehens an den Hochtaunuskreis verpflichtet. Die Widerspruchsführerin habe aber einen Anspruch darauf, dass der Hochtaunuskreis die Geschäftsanteile - vorbehaltlich etwaiger Forderungen des Vermieters - bis zur Höhe des getilgten Betrages an sie weiterleite. Bis zur Erklärung der Aufrechnung mit Schreiben vom 24. Juli 2013 wurden auf diese Weise insgesamt 2.000 Euro getilgt (siehe Schriftsatz des Beklagten vom 1. November 2018, Bl. 127 ff. der Gerichtsakte).

Nachdem der Beklagte mit Schreiben vom 1. und 12. August 2013 (Bl. 1269, 1272 der Verwaltungsakte) die Auszahlung der Kosten an die Klägerin endgültig abgelehnt hatte, erhob die Klägerin mit einem beim Sozialgericht Frankfurt am Main am 8. Oktober 2013 eingegangenem Schriftsatz Klage.

Die Klägerin trug im Wesentlichen vor, die Aufrechnung des Erstattungsanspruchs sei ausgeschlossen, da der Anspruch durch die Gewährung einer Beratungshilfe vom 4. Januar 2013 gemäß § 9 Beratungshilfegesetz (BerHG) auf sie übergegangen sei. Der Beklagte trat dem entgegen. Die Aufrechnung sei wirksam erklärt worden. In Fällen des gesetzlichen Forderungsüberganges bleibe zugunsten des schutzwürdigen Schuldners dessen Aufrechnungsmöglichkeit auch gegenüber dem Neugläubiger (hier der Klägerin) bestehen.

Mit Urteil vom 26. Juni 2017 verurteilte das Sozialgericht Frankfurt Main den Beklagten, an die Klägerin 52,60 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 5% über dem Basiszinssatz seit dem 19. Juli 2013 zu zahlen. Das Sozialgericht Frankfurt am Main ließ die Berufung zu.

Zur Begründung führte das Sozialgericht aus, die allgemeine Leistungsklage sei zulässig und begründet, § 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Die Klägerin habe einen Anspruch ...

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