Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten. Anspruch eines aus langjähriger Sicherungsverwahrung Entlassenen auf Leistungen in Form des betreuten Wohnens

 

Orientierungssatz

Von besonderen Lebensverhältnissen mit sozialen Schwierigkeiten iS des § 67 S 1 SGB 12 betroffen sind sowohl Personen, die aus der Strafhaft entlassen werden (vgl LSG München vom 17.9.2009 - L 18 SO 111/09 B ER), als auch solche die sich in der vergleichbaren Situation der Entlassung aus der langjährigen Sicherheitsverwahrung befinden.

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Kassel vom 14. März 2012 insoweit aufgehoben, als der Antragsgegner damit zur vorläufigen Übernahme der Kosten für ein möbliertes Zimmer verpflichtet wurde.

Im Übrigen wird die Beschwerde des Antragsgegners mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Antragsgegner dem Antragsteller vorläufig ab 18. Mai 2012 bis zur Bescheidung seines Widerspruchs gegen den Bescheid vom 7. Februar 2012 sowie bei Zurückweisung des Widerspruchs und anschließender fristgerechter Klageerhebung bis zur Entscheidung im 1. Rechtszug, längstens jedoch für ein Jahr, Leistungen nach § 67 SGB XII durch den Verein Soziale Hilfe e.V., A-Stadt, in Form des Betreuten Wohnens, mit nach den Betreuungsplänen des vorgenannten Vereins 20 Fachleistungsstunden/Monat für 6 Monate und 16,5 Fachleistungsstunden/Monat für dann zunächst vorläufig weitere 6 Monate zu gewähren hat.

Der Antragsgegner hat dem Antragsteller seine notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Dem Antragsteller wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin C. BX. bewilligt.

 

Gründe

I.

Zwischen den Beteiligten ist im einstweiligen Rechtsschutz streitig, ob der Antragsgegner verpflichtet ist, dem Antragsteller vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache ambulante Hilfeleistungen zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten nach § 67 Sozialgesetzbuch - Sozialhilfe (SGB XII) in der Form des Betreuten Wohnens einschließlich der Kosten eines möblierten Zimmers zu gewähren.

Der Antragsteller war zur Vollstreckung einer mit Urteil des Landgerichts Z. vom 25. Juni 1996 angeordneten Sicherungsverwahrung in der Justizvollzugsanstalt Q-Stadt untergebracht. Mit Beschluss des Landgerichts B-Stadt vom 21. Juni 2011, Az.: xxxxx, war die Entlassung des Antragstellers aus der Sicherungsverwahrung zwar bereits mit Ablauf des 30. September 2011 zur Bewährung angeordnet worden, diese Entlassung hatte das Landgericht B-Stadt dann mit weiterem Beschluss vom 27. September 2011 jedoch wieder aufgehoben, weil das insoweit geplante Entlassungssetting nicht umzusetzen war. Es fehle bereits an einer ordentlichen Wohnmöglichkeit; der Antragsteller müsse praktisch auf die Straße oder, was der Sache nach dasselbe sei, in ein unbetreutes Männerwohnheim entlassen werden. Insoweit liege es nahe, dass der Antragsteller den damit notwendig einhergehenden Belastungen nicht gewachsen wäre. Damit sei ein unverzichtbarer Teil der hinreichend günstigen Kriminalprognose im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) entfallen, ohne dass dem Antragsteller in diesem Zusammenhang ein Vorwurf zu machen sei, sondern es lediglich die zuständigen Stellen nicht vermocht hätten, ihm eine hinreichend stabile Umgebung anzubieten. Das Gericht werde die Aussetzung der Sicherungsverwahrung zur Bewährung unverzüglich erneut aussprechen, wenn eine hinreichende Entlassungssituation geschaffen worden sei.

Der Verein Soziale Hilfe e.V., A-Stadt, bot dem Antragsteller die Möglichkeit der Anmietung eines möblierten Zimmers sowie des betreuten Wohnens an.

Mit Schreiben vom 26. Januar 2012 beantragte der Antragsteller beim Antragsgegner eine Kostenzusage für eine solche Betreuung und konkretisierte unter dem 1. Februar 2012 sein Begehren auf die Gewährung von Leistungen nach § 67 SGB XII. Unter Darstellung der Hilfebedarfe wurde ein "Integrierter Behandlungs-/Rehabilitationsplan - IBRP" der Sozialen Hilfe e.V., A-Stadt, vorgelegt, wonach der erforderliche Hilfebedarf bei 20 Fachleistungsstunden pro Monat für 6 Monate, dann bei 16,5 Fachleistungsstunden für die nächsten 1,5 Jahre liege.

Mit ohne Rechtsmittelbelehrung versehenem Bescheid vom 7. Februar 2012 lehnte der Antragsgegner den Antrag ab. Aus den Beschlüssen des Landgerichts B-Stadt und einem weiteren Beschluss des Oberlandesgerichts JU. gehe zwar unzweifelhaft hervor, dass der Antragsteller vom Gericht u. a. die Auflage bekommen habe, eine Wohnung mit einem kontrollierenden sozialen Netzwerk (Betreutes Wohnen) für eine vorzeitige Entlassung aus der Sicherungsverwahrung nachzuweisen; hier liege jedoch eine Versorgungslücke vor, da nicht geregelt sei, wer für die Übernahme der Kosten zuständig sei, wenn ein in Sicherungsverwahrung Inhaftierter vorzeitig aus dieser entlassen werde. Diese Versorgungslücke sei zunächst zwischen Justiz- und Sozialministerium zu klären.

Hiergegen legte de...

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