Entscheidungsstichwort (Thema)

Anforderungen an die Form einer Befristungsabrede. Rechtsnatur einer Vereinbarung zwischen einer Gewerkschaft und dem Arbeitgeber mit dem Inhalt der Übernahme der Auszubildenden eines Jahrgangs in ein unbefristetes Vollzeitarbeitsverhältnis nach Ablegung der Prüfung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Nach § 14 Absatz 4 TzBfG bedarf eine Befristungsabrede der Schriftform. Wird ein Vertrag von einem Vertreter im Sinne von § 164 Absatz 1 BGB unterzeichnet, muss das Vertretungsverhältnis in der Vertragsurkunde deutlich zum Ausdruck kommen. Die Zusätze "in Vertretung" oder "im Auftrag" werden häufig nur verwendet, um unterschiedliche Hierarchieebenen auszudrücken. Für die Wahrung der Schriftform kommt es nicht darauf an, ob der Unterzeichner tatsächlich bevollmächtigt war.

2. Zur Auslegung einer Vereinbarung zwischen einer Gewerkschaft und dem Arbeitgeber als Tarifvertrag oder als schuldrechtlicher Normenvertrag zugunsten Dritter.

3. Ein durch Vertrag zugunsten Dritter begründeter Anspruch hat keinen zwingenden Charakter wie ein tariflicher Anspruch gemäß § 4 Absatz 1 Satz 1 TVG.

4. Eine Vereinbarung zwischen einer Gewerkschaft und dem Arbeitgeber, wonach sämtliche Auszubildenden eines Jahrgangs nach erfolgreich bestandener Prüfung in ein unbefristetes Vollzeitarbeitsverhältnis übernommen werden, ist rechtlich weder als Tarifvertrag, noch als Gesamtbetriebsvereinbarung einzuordnen. Vielmehr handelt es sich um einen schuldrechten Normenvertrag zu Gunsten Dritter i.S. von § 328 BGB, der grundsätzlich dem genannten Adressatenkreis vor Vorliegen der entsprechenden Anspruchsvoraussetzungen ein Anspruch auf Abschluss eines unbefristeten Arbeitsvertrages in Vollzeit einräumt. Hat jedoch einer der Berechtigten ein befristetes Arbeitsverhältnis vereinbart, so handelt es sich um eine rechtsgeschäftliche Vereinbarung einer anderweitigen Absprache, die jedenfalls insoweit zulässig ist, als einem an sich für nicht geeignet gehaltenen Arbeitnehmer die Möglichkeit der Bewährung in einem befristeten Arbeitsverhältnis gegeben werden soll.

 

Normenkette

BGB § 164 Abs. 1, § 328; TVG § 4 Abs. 1 S. 1; TzBfG § 14 Abs. 4, 2

 

Verfahrensgang

ArbG Gießen (Entscheidung vom 25.11.2014; Aktenzeichen 9 Ca 47/14)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 12.04.2017; Aktenzeichen 7 AZR 446/15)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Gießen vom 25. November 2014 - 9 Ca 47/14 - wird zurückgewiesen.

Hinsichtlich der erstinstanzlich angefallenen Kosten bleibt es bei der Entscheidung des Arbeitsgerichts.

Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger zu sieben Achtel und die Beklagte zu einem Achtel.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Befristung.

Der am xxxxxxxx geborene Kläger begann am 10. August 2010 bei der A eine Berufsausbildung zur Fachkraft für Kurier-, Express- und Postdienstleistungen (FKEP), die ab 1. Januar 2012 von der Beklagten weitergeführt wurde. Insoweit wird auf den Berufsausbildungsvertrag vom 4. Juli 2010 (Bl. 83 d.A.) Bezug genommen.

Die Beklagte, die ver.di - vereinte Dienstleistungsgewerkschaft und der bei der Beklagten gebildete Gesamtbetriebsrat schlossen am 5. Oktober 2011 eine Vereinbarung (Bl. 84 d.A.), die Folgendes regelt:

"Vereinbarung

Die Parteien vereinbaren folgendes Vorgehen:

(...)

3. Allen geeigneten FKEP des Einstellungsjahrgangs 2010 der B und A wird nach erfolgreich bestandener Prüfung eine Übernahme bei der B ermöglicht, sofern sie im Besitz der erforderlichen Fahrerlaubnis sind. Die Übernahme erfolgt unbefristet und in Vollzeit. Zusätzlich werden die TOP-Azubis (mindestens 5 % des Anstellungsjahrgangs) der B in der jeweiligen Ausbildungsniederlassung übernommen."

Der Kläger, der seit September 2010 Mitglied der Gewerkschaft ver.di ist, ist seit 11. April 2011 im Besitz des Führerscheins. Er schloss die Berufsausbildung am 14. Juni 2012 erfolgreich ab (Bl. 85 d.A.). Am selben Tag vereinbarten die Parteien einen bis 14. Dezember 2012 befristeten Arbeitsvertrag; insoweit wird auf Bl. 120 d.A. Bezug genommen. Dieser wurde am 14. Dezember 2012 bis 30. Juni 2013, am 14. Juni 2013 bis 31. Dezember 2013 und am 27. Dezember 2013 bis 8. Februar 2014 verlängert; wegen der zuletzt vereinbarten Verlängerungsvereinbarung, die von den für die Beklagte Handelnden mit "i.A." unterschrieben wurde, wird auf Bl. 9, 10 d.A. verwiesen.

Der Kläger wurde in Vollzeit als Zusteller mit einer Bruttomonatsvergütung von 1.850 € beschäftigt. Mit Schreiben vom 25. März 2013 (Bl. 107, 108 d.A.) erteilte die Beklagte ihm eine Abmahnung.

Mit seiner am 28. Februar 2014 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger die Unwirksamkeit der zuletzt vereinbarten Befristung geltend gemacht.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die zuletzt vereinbarte Befristung sei wegen fehlender Schriftform unwirksam, weil die Unterzeichner des Vertrages auf Arbeitgeberseite nicht zeichnungsberechtigt gewesen seien.

Hierzu hat die Arbeitgeberseite vorgetragen, der Unterzeichner C se...

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