Entscheidungsstichwort (Thema)

Grenzen der gerichtlichen Tarifauslegung bei eindeutigem Tarifwortlaut. Sachlicher Befristungsgrund gem. § 14 Abs. 1 Satz 1 TzBfG bei dauerhafter Flugdienstuntauglichkeit als auflösende Bedingung. Weitgehende Parallelentscheidung zu LAG Frankfurt/Main 17 Sa 1693/17 v. 17.12.2018

 

Leitsatz (amtlich)

Die in § 20 Abs. (1) lit. a) „Manteltarifvertrag Nr. 2 für das Kabinenpersonal in der Fassung vom 1. Januar 2013“ (MTV Nr. 2 Kabine) geregelte auflösende Bedingung knüpft einzig an die festgestellte dauerhafte Flugdienstuntauglichkeit an. Eine Auslegung der tariflichen Regelung dahingehend, dass zusätzlich zu der festgestellten Flugdienstuntauglichkeit noch das Fehlen einer Weiterbeschäftigungsmöglichkeit auf einem „Bodenarbeitsplatz“ hinzukommen muss, ist weder geboten noch möglich (entgegen BAG 16. Oktober 2008 - 7 AZR 185/17 -).

Für die auflösende Bedingung in § 20 Abs. (1) lit. a) MTV Nr. 2 Kabine ist der nach §§ 21, 14 Abs. 1 Satz 1 TzBfG erforderliche Sachgrund gegeben (entgegen BAG 16. Oktober 2008 - 7 AZR 185/17 -).

 

Normenkette

TzBfG §§ 21, 14-15, 17; KSchG § 6; GG Art. 12

 

Verfahrensgang

ArbG Frankfurt am Main (Urteil vom 07.02.2017; Aktenzeichen 16 Ca 5933/16)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 26.02.2020; Aktenzeichen 7 AZR 61/19)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 7. Februar 2017 (16 Ca 5933/16) wird das vorgenannte Urteil hinsichtlich der Entscheidung über den Bedingungskontrollantrag (erstinstanzlicher Klageantrag zu 3.) abgeändert und insoweit die Klage abgewiesen.

2. Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 7. Februar 2017 (16 Ca 5933/16) als unzulässig verworfen.

3. Die Anschlussberufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 7. Februar 2017 (16 Ca 5933/16) wird zurückgewiesen.

4. Von den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens hat der Kläger 80 Prozent und die Beklagte 20 Prozent zu tragen. Von den Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger 75 Prozent und die Beklagte 25 Prozent zu tragen.

5. Hinsichtlich der Entscheidung über die Bedingungskontrollklage wird die Revision zugelassen. Im Übrigen wird die Revision nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten noch um den Bestand des Arbeitsverhältnisses des Klägers und um die Erteilung eines qualifizierten Zwischenzeugnisses.

Der am xx. xx. 1973 geborene Kläger war bei der Beklagten, einem deutschen Luftfahrtunternehmen, auf der Grundlage des Arbeitsvertrags vom 30. Mai 2000 (Anlage B1 = Bl. 70 - 71 d.A.) seit dem 11. Juni 2000 als Flugbegleiter zu einer durchschnittlichen Bruttomonatsvergütung iHv. 3.644,45 Euro beschäftigt.

Bei der Beklagten sind nach § 117 Abs. 2 BetrVG aufgrund des Tarifvertrags Personalvertretung für das Bordpersonal vom 15. November 1972 (TV PV) Personalvertretungen gebildet.

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fand kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme der „Manteltarifvertrag Nr. 2 für das Kabinenpersonal in der Fassung vom 1. Januar 2013“ Anwendung (MTV Nr. 2 Kabine). Dieser enthält ua. folgende Regelungen:

„§ 19 Beendigung des Arbeitsverhältnisses wegen Erreichens der Altersgrenze

(1) […]

(2) […]

(3) Kabinenmitarbeiter können nach Erreichen der Altersgrenze, wenn und solange sie noch voll leistungsfähig sind, in einer anderen Tätigkeit innerhalb der Gesellschaft weiterbeschäftigt werden, sofern eine fliegerische Tätigkeit nicht mehr in Betracht kommt. In diesem Fall kann jedoch aus der vorangegangenen Tätigkeit als Bordmitarbeiter kein Anspruch auf Fortzahlung der bis dahin gezahlten Bezüge abgeleitet werden. Eine Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung besteht weder auf Seiten der DLH noch auf Seiten des Kabinenmitarbeiters.“

§ 20 Verlust der Flugdiensttauglichkeit, Beendigung des Arbeitsverhältnisses

(1) a) Wird durch eine fliegerärztliche Untersuchungsstelle festgestellt, dass ein Mitarbeiter wegen körperlicher Untauglichkeit seinen Beruf nicht mehr ausüben kann, so endet das Arbeitsverhältnis, ohne dass es einer Kündigung bedarf, zu dem Zeitpunkt, zu dem nach Feststellung und Bekanntgabe der Flugdienstuntauglichkeit an den Betroffenen eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses gemäß § 22 frühestens zulässig gewesen wäre.

Flugdienstuntauglichkeit im Sinne dieser Bestimmungen ist das auf einem unbehebbaren oder aller Wahrscheinlichkeit nach unbehebbaren körperlichen Mangel beruhende Unvermögen, eine fliegerische Tätigkeit nach den einschlägigen Vorschriften weiter auszuüben.

[...].

c) Dem Mitarbeiter steht von dem Tage an, an dem die dauernde Flugdienstunfähigkeit festgestellt wird, Grundvergütung (§ 5 Abs. (1) Buchstabe a)) zu, soweit er nicht gemäß § 13 Krankenbezüge beanspruchen kann.

(2) [...]

(3) Die Bestimmungen des § 19 Abs. (3) gelten für den Fall einer Weiterbeschäftigung als Angestellter mit einer nicht fliegerischen Tätigkeit entsprechend.

§ 21 Beendigung des Arbeitsverhältnisses wegen Verlust der behördlichen Erlaubnisscheine

(1) Verliert ein Mitarb...

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