Entscheidungsstichwort (Thema)

Eigenkündigung. Unwirksamkeit, venire contra factum proprium

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Treuwidrigkeit der Berufung auf den Schriftformmangel einer eigenen Willenserklärung zum Aufhebungsvertrag kann nicht allein damit begründet werden, dass die Parteien ihre Erklärungen wenn auch nicht auf derselben Urkunde so doch schriftlich abgegeben haben und beide Parteien die Willenserklärungen nicht übereilt abgegeben haben sondern tatsächlich wollten.

 

Normenkette

BGB § 242

 

Verfahrensgang

ArbG Frankfurt am Main (Urteil vom 13.10.2010; Aktenzeichen 6 Ca 1190/10)

 

Nachgehend

BAG (Aktenzeichen 9 AZN 797/11)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 13.Oktober 2010, 6 Ca 1190/10, teilweise abgeändert.

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien über den 31. Januar 2010 hinaus fortbesteht.

Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin zu den bisherigen Bedingungen als Flugbegleiterin tatsächlich weiterzubeschäftigen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu ¼ und der Beklagte zu ¾.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten im Berufungsrechtszug noch darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis aufgrund Arbeitnehmerkündigung beendet wurde, und um Weiterbeschäftigung. Wegen des unstreitigen Sachverhalts, der Vortrags der Parteien im ersten Rechtszug und der dort zuletzt gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen (Bl. 87 bis 92 d.A.). Dies erfolgt mit der Ergänzung, dass die Beklagte auf die Eigenkündigung der Klägerin vom 11. Dezember 2009 mit hiermit in Bezug genommenen Schreiben vom 21. Dezember 2009 (Bl. 66 d.A.) reagierte und hierin ua. ausführte:

…, Ihr Kündigungsschreiben vom 11.12.2009 haben wir erhalten.

Ihr Arbeitsverhältnis endet vereinbarungsgemäß ohne Einhaltung der Kündigungsfrist mit Ablauf des 31.01.2009.

Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main hat die Klage durch am 13. Oktober 2010 verkündetes Urteil, 6 Ca 1190/10, abgewiesen. Zur Begründung hat es, soweit für das Berufungsverfahren noch von Belang, im Wesentlichen ausgeführt, das Arbeitsverhältnis der Parteien sei durch die Kündigung der Klägerin vom 11. Dezember 2009 zum 31. Januar 2010 beendet worden, denn die Klägerin habe ihre Kündigungserklärung nicht wirksam angefochten und es sei ihr jedenfalls nach Treu und Glauben und wegen des Verbots widersprüchlichen Verhaltens verwehrt, sich auf das Fehlen eines wichtigen Grundes für die außerordentliche Eigenkündigung zu berufen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 92 bis 102 d.A.) verwiesen.

Gegen dieses ihr am 18. Januar 2011 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 16. Februar 2011 Berufung eingelegt und diese sogleich begründet.

Sie wiederholt und vertieft ihr Vorbringen und hält an ihrer Auffassung fest, ihre Eigenkündigung vom 11. Dezember 2009 sei bereits deshalb unwirksam, weil ein wichtiger Grund für sie nicht bestanden habe. Auch bei Zugrundelegung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts liege jedenfalls ein Ausnahmefall vor, bei dem sich der Arbeitnehmer auf die Unwirksamkeit der eigenen außerordentlichen Kündigung berufen dürfe. Die Initiative zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses sei nicht von ihr, sondern von der Beklagten ausgegangen. Nur unter dem Druck der Ereignisse sei die Klägerin zur Erklärung der außerordentlichen Eigenkündigung bereit gewesen, wobei beide Vertragspartner gewusst hätten, dass für diese ein Grund nicht vorlag. Da die Beklagte auch gewusst habe, dass die Willenserklärung der Klägerin, das Arbeitsverhältnis zu beenden, nicht aufgrund eigener freier Entscheidung sondern der massiven und drohenden Vorhaltungen der Beklagten erfolgt sei, liege auch eine andere Situation vor als bei einem Arbeitgeber, der aus heiterem Himmel mit einer außerordentlichen Kündigung des Arbeitnehmers konfrontiert werde. Daher bestehe kein schützenswertes Vertrauen der Beklagten in die abgegebene Erklärung, denn sie habe wissen müssen, dass diese Erklärung nicht aus eigenem Antrieb abgegeben worden sei.

Die Klägerin bleibt dabei, es sei ihr nicht nur mit dem Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung gedroht worden. So habe die Beklagte gedroht, ihr den Zugang zum Flugscheinkauf zu sperren, bis ihre Kündigung eingereicht sei, was zur Folge gehabt hätte, dass sie ihren Sohn zum bevorstehenden Weihnachtsfest nicht hätte sehen können. Sie trägt unter Beweisantritt vor, zwei Mitarbeiter der Beklagten könnten bezeugen, dass sie nach dem Gespräch völlig aufgelöst gewesen sei und ihnen von dem Druckmittel der Beklagten berichtet habe. Dass die Beklagte den Zugang zum Ticketkauf von der Kündigungserklärung abhängig gemacht habe, sei auch daran ersichtlich, dass die Klägerin bereits unmittelbar nach dem Gespräch vom 10. Dezember 2009 vom System bezüglich des Ticketkaufs gesperrt gewesen sei, zu allen anderen Systemen aber noch Zugang gehabt habe, sowie daran, dass sie ein Flugticket erst ca. 24 Stunden ...

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