Entscheidungsstichwort (Thema)

Zulässigkeit der tarifvertraglichen Pauschalierung des Feiertagsentgelts

 

Leitsatz (amtlich)

Eine tarifvertragliche Pauschalierung des Feiertagsentgelts ist nicht zulässig, wenn sie nicht gegen den Grundsatz der Unabdingbarkeit gem. § 12 EFZG verstößt. Die Pauschalabgeltung muss so gestaltet sein, dass sie geeignet ist, den gesetzlichen Anspruch zu erfüllen und sie muss günstiger als die gesetzliche Regelung sein.

 

Normenkette

EFZG §§ 2, 12

 

Verfahrensgang

ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 23.02.2016; Aktenzeichen 4 Ca 7036/15)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 07.12.2017; Aktenzeichen 5 AZR 118/17)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 23.02.2016 - 4 Ca 7036/15 - abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

*Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen

*berichtigt gem. Beschluss vom 27.01.2017

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über Entgeltfortzahlung an Feiertagen.

Die Beklagte ist ein Unternehmen des A Konzerns. Die Klägerin ist bei ihr seit dem Jahr 2011 als "Fachreferentin Finanzen" und seit 01.05.2013 in Teilzeit mit einer jährlichen Arbeitszeit von 1018 Stunden beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der sogenannte funktionsspezifische Tarifvertrag für Tätigkeiten der Funktionsgruppe 6 - allgemeine Aufgaben - verschiedener Unternehmen des A Konzerns (FGr 6 - TV) Anwendung.

Die Klägerin arbeitet derzeit dienstags und mittwochs fünf Stunden, donnerstags sechs Stunden und jede zweite Woche an Montagen sieben Stunden. Ausgehend von der jährlichen Arbeitszeit hat die Beklagte eine tägliche Arbeitszeit von 3,54 Stunden errechnet. Auf dieser Basis erfolgen für gesetzliche Feiertage Gutschriften auf das Gleitzeitkonto der Klägerin unabhängig davon, ob sie an den Tagen üblicherweise eine Arbeitsleistung erbracht hätte. Mit ihrer Klage wendet sich die Klägerin gegen die pauschale Berechnung der Entgeltfortzahlung. Wegen des weiteren unstreitigen Sachverhalts, des Vortrags der Parteien im ersten Rechtszug sowie der dort gestellten Anträge wird im übrigen auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils - Blatt 75, 76 der Akten - Bezug genommen.

Mit dem am 23.02.2016 verkündeten Urteil hat das Arbeitsgericht antragsgemäß festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, auf das Arbeitszeitkonto der Klägerin für Wochenfeiertage, an denen sie dienstplanmäßig ohne den Feiertag zur Arbeit eingeteilt wäre, die tatsächlich an diesem Tag dienstplanmäßig anfallenden Arbeitsstunden gut zu schreiben. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht - kurz zusammengefasst - Folgendes ausgeführt: Gem. § 2 Abs. 1 EFZG sei die Beklagte verpflichtet, dem Gleitzeitkonto der Klägerin die aufgrund eines Wochenfeiertages ausgefallene Arbeitszeit gut zu schreiben. Soweit der Tarifvertrag demgegenüber verschlechternde Regelungen vorsehe und eine Stundengutschrift von lediglich 3,54 Stunden erlaube sei er unwirksam. Wegen der weiteren Begründung im Einzelnen wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils - Blatt 77, 78 der Akten - Bezug genommen. Gegen das am 22.04.2016 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 29.04.2016 Berufung eingelegt und diese - nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 22.07.2016 auf rechtzeitigen Antrag hin - mit dem beim Hessischen Landesarbeitsgericht am 22.07.2016 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Die Beklagte verfolgt unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens ihr Klageabweisungsbegehren weiter. Sie meint insbesondere, dass die tarifvertragliche Regelung rechtlich nicht zu beanstanden sei. Die Vorschrift trage den Besonderheiten Rechnung, die sich aus der Flexibilisierung der Arbeitszeit in Form einer Jahresarbeitszeit ergeben. Angesichts der in vielen Bereichen bei der Beklagten erforderlichen Schichtarbeit sei es angezeigt, vom konkreten Lohnausfallprinzip des § 2 Abs. 1 EFZG abzuweichen. Bei einer unregelmäßigen Arbeitszeit wäre nämlich jede Bestimmung eines konkreten Arbeitsausfalls an einem Feiertag nur zufällig. Eine Gleichbehandlung der Belegschaft (Büropersonal / Schichtpersonal bzw. Vollzeitkraft / Teilzeitkraft) wäre nicht sichergestellt.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main - 4 Ca 7036/15 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt unter Wiederholung und Ergänzung ihres erstinstanzlichen Vorbringens die Entscheidung des Arbeitsgerichts.

Wegen des weiteren Sachvortrags der Parteien wird auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze sowie auf die Sitzungsniederschrift über die mündliche Verhandlung am 24.11.2016 - Blatt 118, 118 R. - Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

A.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, insbesondere ist sie gem. §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, 2 und 3 Ziff. 1 ArbGG statthaft. Das Arbeitsgericht hat die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung ausdrücklich zugelassen. Zudem ist sie gem. §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG i.V.m. §§ 519, 520 Abs. 3 ZPO fo...

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