Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen der Hemmung der Verjährung durch Einreichung eines Mahnbescheides bei Beanstandungen durch das Mahngericht

 

Leitsatz (amtlich)

§ 691 Abs. 2 ZPO ist analog auf die Fälle anzuwenden, in denen das Amtsgericht als Mahngericht einen Mangel rügt und der Antragsteller daraufhin den Mangel behebt, so dass eine förmliche Zurückweisung überflüssig wird. Die Wirkung der Verjährungshemmung ist in analoger Anwendung des § 691 Abs. 2 ZPO aber nur dann gewahrt, wenn zwischen der Rüge des Gerichts und der Behebung des Mangels höchstens ein Monat liegt (vgl. BGH 21. März 2002 - VII ZR 230/01 - NJW 2002, 2794 f.). Erfolgt die Behebung des Mangels innerhalb eines Monats ist § 691 Abs. 2 ZPO auch bei einer formlosen Abgabe von Amts- und Arbeitsgericht anwendbar.

Eine Klage auf Annahmeverzugslohn ist trotz Hemmung der Verjährung derzeit unbegründet, wenn die zuvor ausgesprochene Kündigung, die Gegenstand einer Kündigungsschutzklage ist, weder offensichtlich rechtsunwirksam ist noch zugunsten des Arbeitnehmers ein erstinstanzlich obsiegendes Urteil vorliegt. Die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Annahmeverzugslohn aus dem Arbeitsvertrag iVm. §§ 611 Abs. 1, 615 Satz 1, 293 f. BGB liegen dann nicht vor.

 

Normenkette

ZPO § 691 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Gießen (Entscheidung vom 02.03.2016; Aktenzeichen 7 Ca 157/15)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Gießen vom 2. März 2016 - 7 Ca 157/15 - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise dahingehend abgeändert, dass die Klage als derzeit unbegründet abgewiesen wird.

Die Kosten der Berufung hat der Kläger zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten nach Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung ua. über die Verjährung von Annahmeverzugslohnansprüchen für den Zeitraum 12. Februar 2011 bis einschließlich November 2011.

Der am xx.xx.1961 geborene Kläger war bei der Beklagten auf Grundlage des Anstellungsvertrags vom 12. September 2007 (Bl. 40 ff. d. A.) seit dem 1. Januar 2008 als Leiter der Abteilung Personal und Recht zu einem Bruttomonatsgehalt in Höhe von insgesamt € 10.495,07 beschäftigt.

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 11. Februar 2011 außerordentlich, hilfsweise ordentlich zum nächstmöglichen Termin, sowie erneut am 28. Juni 2011 ordentlich zum 31. Dezember 2011. Seit dem 12. Februar 2011 zahlte die Beklagte an den Kläger keine Vergütung mehr. Er bezog ausweislich des Bescheids der Arbeitsagentur (Bl. 51 ff. d. A.) Arbeitslosengeld für Mai 2011 in Höhe von € 1.359,50 sowie für die Zeit von Juni 2011 bis einschließlich Dezember 2011 in Höhe von monatlich € 1.631,40.

Gegen die Kündigungen wandte sich der Kläger mit einer unter dem Az. 8 Ca 94/11 beim Arbeitsgericht Gießen anhängigen Kündigungsschutzklage. Nach erfolgloser Durchführung eines Gütetermins am 9. Mai 2011 beantragten die Parteien in diesem Rechtsstreit schriftsätzlich übereinstimmend das Ruhen des Verfahrens, weil der Ausgang eines Strafverfahrens abgewartet werden sollte. Seither ruht das Verfahren.

Am 27. Dezember 2014 beantragte ein Prozessbevollmächtigter des Klägers beim Amtsgericht Euskirchen den Erlass eines Mahnbescheides. In diesem Antrag wurde als Hauptforderung "Lohnanspruch aus Arbeitsvertrag vom 11.02.11 bis 31.12.11 110.339,79 EUR" genannt. Als Verfahrenskosten wurden Gerichtskosten, Auslagen des Antragstellers für dieses Verfahren sowie Rechtsanwaltskosten für die erste Instanz aufgeführt. Die in dem Antrag mitgeteilte Anschrift der Beklagten war seit dem 1. Oktober 2013 nicht mehr aktuell. Im Übrigen wurde das Landgericht Limburg als das Prozessgericht benannt, an das im Falle des Widerspruchs das Verfahren abgegeben werden sollte.

Am 5. Januar 2015 erließ das Amtsgericht Euskirchen im automatisierten Verfahren antragsgemäß den Mahnbescheid. Dieser wurde am selben Tag zur Zustellung an die in dem Antrag genannte, nicht mehr aktuelle Anschrift versandt.

Am 14. Januar 2015 ging die Zustellungsurkunde betreffend den Mahnbescheid beim Amtsgericht Euskirchen ein. Als Grund der Nichtzustellung war dort "Postleitzahl, Ort: 77756 Hausach" vermerkt.

Am 15. Januar 2015 übersandte das Amtsgericht an die Prozessbevollmächtigten des Klägers eine Nachricht über die Nichtzustellung des Mahnbescheids, die nach Behauptung der Beklagten am 16. Januar 2015, nach Behauptung des Klägers, der eine Kopie der Nachricht mit Eingangsstempel seiner Prozessbevollmächtigten vom 19. Januar 2015 (Bl. 143 d. A.) vorlegt, am 19. Januar 2015 zuging.

Am 22. Januar 2015 gab eine Prozessbevollmächtigte des Klägers auf der Zentralgeschäftsstelle des Amtsgerichts Euskirchen einen Antrag auf Neuzustellung des Mahnbescheids mit der Bitte ab, das Arbeitsgericht als Prozessgericht einzutragen. Auf BI. 13 d. A. wird insoweit Bezug genommen. Ihr wurde vom Amtsgericht Euskirchen mitgeteilt, dass das Verfahren beim dortigen Mahngericht nicht weitergeführt werden könne, wenn es sich um einen Anspruch handele, der v...

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