keine Angaben zur Anfechtbarkeit

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Streik. Streikziel. Streikforderung. Friedenspflicht. OT-Mitgliedschaft. Parteifähigkeit. Unterorganisation

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zur Parteifähigkeit (§§ 50 ZPO, 10 ArbGG) von Unterorganisationen (Bezirksleitung, Verwaltungsstelle) einer Gewerkschaft.

2. Die Friedenspflicht der tarifvertragsschließenden Gewerkschaft wird über die Vollmitgliedschaft im Arbeitgeberverband vermittelt. Bei einem Wechsel eines verbandsangehörigen Arbeitgebers in die OT-Mitgliedschaft endet die Friedenspflicht der Gewerkschaft diesem Arbeitgeber gegenüber hinsichtlich der Flächentarifverträge trotz gemäß § 3 Abs. 3 TVG angeordneter Fortgeltung dieser Tarifverträge.

3. Für die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Streikforderung sind die dem Arbeitgeber übermittelte Tarifforderung, der Streikbeschluss der Gewerkschaft und die sonstigen Verlautbarungen der Gewerkschaft (Streikaufruf, Stimmzettel für die Urabstimmung usw.) maßgeblich.

4. Die Forderung auf Wechsel des Arbeitgebers zur Vollmitgliedschaft im Arbeitgeberverband ist kein rechtmäßiges Streikziel.

5. Rechtmäßiges Streikziel ist die Forderung eines Anerkennungstarifvertrages hinsichtlich der Flächentarifverträge auch, soweit sie nach § 3 Abs. 3 TVG fortgelten.

6. Die Streikforderung ist nicht auf Umfang und Inhalt des gemäß § 3 Abs. 3 TVG fortgeltenden Flächentarifvertrages beschränkt.

 

Normenkette

BGB 823; BGB § 1004; GG Art. 9 III; TVG 3 I; TVG 3 III; ZPO § 50; ArbGG § 10

 

Verfahrensgang

ArbG Hanau (Urteil vom 12.09.2008; Aktenzeichen 3 Ga 3/08)

 

Tenor

Die Berufung der Verfügungsklägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hanau vom 12. September 2008 – 3 Ga 3/08 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

 

Tatbestand

Die Verfügungsklägerin begehrt die Untersagung eines Streiks.

Die Verfügungsklägerin ist eine der weltweit führenden Anbieter von magnetischen Spezialwerkstoffen. Sie ist in mehr als 40 Ländern aktiv und beschäftigt mehr als 4.000 Mitarbeiter, davon 1.500 an ihrem Stammsitz in A. Die Verfügungsbeklagte zu 1) ist eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft. Die Verfügungsbeklagten zu 2) und 3) sind als „Bezirksleitung” und „Verwaltungsstelle” Unterorganisationen der Verfügungsbeklagten zu 1).

Zum 9. Juni 2008 wechselte die Verfügungsklägerin aus einer Vollmitgliedschaft im Verband der Metall- und Elektro-Unternehmen Hessen (Hessenmetall) in eine sog. „OT-Mitgliedschaft”, also eine Verbandsmitgliedschaft ohne Verbandstarifbindung (4 Ziff. 2 b) der Satzung des Verbandes – BI. 39 d. A.). Diesen Statuswechsel der Mitgliedschaft bestätigte die Geschäftsführung des Arbeitgeberverbandes mit Schreiben vom 19. Juni 2008 (Bl. 33 d. A.). In der Folgezeit verlangte die Verfügungsbeklagte zu 2) den Abschluss eines Tarifvertrages, der u. a. die Anerkennung aller durch den Verband Hessenmetall mit der IG-Metall abgeschlossenen Tarifverträge zum Gegenstand hat. Zur der Verfügungsklägerin mitgeteilten Tarifforderung wird auf das Schreiben der Verfügungsbeklagten zu 2) vom 14. August 2008 (Bl. 46 d. A.) Bezug genommen. In der Folge kam es zu Warnstreiks. Die Verhandlungsgespräche zwischen den Parteien verliefen ergebnislos. Eine Urabstimmung zur Vorbereitung eines unbefristeten Streiks endete mit dem 9. September 2008, 24.00 Uhr. Zu Beginn der Urabstimmung erklärte der 1. Bevollmächtigte der Verfügungsbeklagten zu 3) u.a. folgendes:

„Der Fahrplan ist jetzt so, dass ab 21.30 Uhr die Urabstimmung beginnt. Erstmal in beiden mobilen Streiklokalen. Der Urabstimmungszettel ist ja hier auch eindeutig. Wir wollen unsere Tarifbindung wieder haben. Wir müssen den Abschluss eines Anerkennungstarifvertrages fordern juristisch aber wir wollen eigentlich wieder voll in den Arbeitgeberverband rein.” Seit 11. September 2008 wird der Betrieb der Verfügungsklägerin nach einem Aufruf der Verfügungsbeklagten unbefristet bestreikt.

Die Verfügungsklägerin hat den Arbeitskampf für rechtswidrig gehalten. Sie ist der Auffassung gewesen, es liege eine Verletzung der Friedenspflicht vor, weil der Arbeitskampf während der noch laufenden Tarifverträge, vor allem des Entgelttarifvertrags, geführt werde. Trotz ihres OT-Status ende die Tarifbindung und mit ihr zusammen auch die Friedenspflicht gemäß § 3 Abs. 3 TVG erst mit dem Ende der Tarifverträge. Dies sei vorliegend frühestens nach dem 31. Oktober 2008 der Fall. Bis dahin würde die Friedenspflicht gemäß § 3 Abs. 3 TVG fortgelten. Dies gelte nach Ansicht der Verfügungsklägerin auch beim Wechsel eines Vollmitglieds in den OT-Status während des laufenden Tarifvertrages. Die anders lautende Rechtsprechung im Falle eines Verbandsaustritts stehe dem nicht entgegen, weil der Statuswechsel in eine OT-Mitgliedschaft anders zu beurteilen sei. So bleibe die Verfügungsklägerin Mitglied im Arbeitgeberverband. Der Verband habe durch §§ 2, 5 und 7 seiner Satzung auch hinsichtlich der OT-Mitglieder noch entsprechende Einwirkungsmöglichkeiten. Der Verband sei weiterhin zur Wahrnehmung ihrer Belange verpflichtet. Zu diesen Belangen zähle auc...

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