Entscheidungsstichwort (Thema)

Auslegung der in § 5 des Tarifvertrages enthaltenen Möglichkeit, bei wirtschaftlichen Schwierigkeiten die 2. Stufe der für den Zeitraum ab Mai 2009 vorgesehenen Tariflohnerhöhung durch eine Betriebsvereinbarung zu verschieben

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Betriebsparteien können auch durch nachträglichen Abschluss einer Betriebsvereinbarung die Tariflohnerhöhung wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten nach § 5 des Tarifvertrags über die Löhne, Gehälter und Ausbildungsvergütungen der hessischen Metallindustrie vom 17.11.2008 verschieben.

 

Normenkette

Tarifvertrag über Löhne, Gehälter und Ausbildungsvergütungen der hess. Metallindustrie vom 17.11.2008 § 5

 

Verfahrensgang

ArbG Offenbach am Main (Urteil vom 27.01.2010; Aktenzeichen 5 Ca 362/09)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 22.05.2012; Aktenzeichen 1 AZR 103/11)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Offenbach vom 13.01.2010 – 5 Ca 362/09 abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob eine tariflich geregelte Lohnerhöhung zu einer Lohnerhöhung führt.

Die Rechtsvorgängerin der Beklagten und Berufungsklägerin (im Folgen Beklagte) wurde als deutsche A im Jahre 1959 in B gegründet. Daher befand sich der Firmensitz zunächst in B. Im Jahre 1965 wurde der Firmensitz nach C in D verlegt. Die Beklagte ist ein Hersteller von technischen Elektronikbauteilen für verschiedene Industriezweige.

Der Kläger und Berufungsbeklagte (im Folgenden Kläger) ist seit März 1991 für die Beklagte als Arbeitnehmer in Vollzeit tätig.

Zwischen den Parteien ist streitig, ob eine Tariferhöhung, die zwischen dem E und der F (im Folgenden Tarifvertrag) auf das Arbeitsverhältnis anzuwenden ist. Auf den Inhalt des Tarifvertrages (Anlage B 6) wird Bezug genommen. Dieser Tarifvertrag sieht eine Erhöhung der Tariflöhne in zwei Schritten vor. In einem ersten Schritt sollte mit Wirkung ab dem 01. Februar 2009 eine Vorweganhebung des Grundlohns in Höhe von 2,1% erfolgen, in einem zweiten Schritt eine weitere Gehaltserhöhung mit Wirkung ab dem 01. Mai 2009. Nachdem die Beklagte an ihre Mitarbeiter die erste Stufe der Tariflohnerhöhung weitergegeben hat, ist streitig, ob dies auch für die zweite Stufe zu erfolgen hat.

Mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der deutschen A, schloss der damalige Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung unter dem 27. November 1963 ab, in dem es unter Ziffer 1 heißt:

„Betriebsüblich ist für das kaufmännische und für das gewerbliche Personal die Anwendung der jeweils gültigen Tarifverträge, die zwischen dem G. und der F für die Bundesrepublik Deutschland abgeschlossen sind.”

Auf den Inhalt der Betriebsvereinbarung (Anlage B 08/ Bl. 237 ff. d. A.) wird Bezug genommen. In einer weiteren Betriebsvereinbarung vom 14. März 1967 (Bl. 49) heißt es unter Hinweis auf einen Nachtrag zur Betriebsvereinbarung vom 27. November 1963:

„Betriebsüblich ist für das kaufmännische und für das gewerbliche Personal die Anwendung der jeweils gültigen Tarifverträge, die zwischen dem H und der F für die Bundesrepublik Deutschland, Bezirksleitung I abgeschlossen sind.

Im Jahre 1999 wurde die Rechtsvorgängerin deutsche A von der Beklagten übernommen.

Im Arbeitsvertrag des Klägers, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird (Bl. 25 d. A.), heißt es unter Absatz 4:

„Wir vereinbarten einen Bruttomonatslohn von DM 3.700,- der rückwirkend am Ende eines jeden Monats gezahlt wird. Dieser Betrag setzt sich wie folgt zusammen:

DM 3094,00 laut Tarif in Gruppe HL 09,

DM 606,00 freiwillige Zulage,

DM 3.700 brutto Monatslohn.

Wir behalten uns vor, die in Ihrem Entlohn enthaltene übertarifliche Zulage gegen eine evtl. Erhöhung des Tariflohns aufzurechnen.”

Der Kläger erhielt in den Jahren seit seiner Einstellung bis zum Jahre 2005 alle zwischen den Tarifvertragsparteien vereinbarten Lohnerhöhungen zum tariflich vereinbarten Zeitpunkt und in der tariflich vereinbarten Höhe ausgezahlt. Zuletzt erhielt er entsprechende Schreiben unter dem 22.4.2004 (Bl. 172 d.A) und 27.3.2005 (Bl. 171 d.A.)

In den Jahren 2006 bis 2008 kam es zwischen den Parteien zu Differenzen über die Weitergabe von Lohnerhöhungen. Die Beklagte gab diese Lohnerhöhungen zum Teil erst nach einer beim Arbeitsgericht anhängigen Klage weiter, wobei diese Verfahren durch Vergleich beendet wurden und im Vergleichstext jeweils nur die Zahlung der Erhöhung enthalten ist.

Streitig ist zwischen den Parteien die Zahlung der Lohnerhöhung von 2,1% für die Monate Mai bis Oktober 2009 in Höhe von zuletzt 66,85 Euro brutto monatlich sowie ein um 23.40 EUR brutto erhöhtes Weihnachtsgeld. Für diese zweite Stufe sieht der Tarifvertrag in § 5 eine Öffnungsklausel vor. Diese lautet wie folgt:

„Durch freiwillige Betriebsvereinbarung kann der Beginn der Tarifperiode entsprechend der wirtschaftlichen Lage des Betriebes vom 01. Mai 2009 bis längstens zum 01. Dezember 2009 verschoben werden. In diesem Falle gelten die Lohn- und Ge...

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