Entscheidungsstichwort (Thema)

Kündigung. Beweiswürdigung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Gesichtspunkt prozessualer Waffengleichheit gebietet dann keine Vernehmung der beweisbelasteten Partei, wenn ein Zeuge vorhanden ist und dessen Vernehmung nicht das von der beweisbelasteten Partei gewünschte Ergebnis bringt (im Anschluss an BGH 19. April 2004 NJW 2002, 2247).

2. Zur Frage, ob die bewußt falsche Angabe des Arbeitnehmers über den Zugang eines Kündigungsschreibens in einem Kündigungsrechtsstreit geeignet ist, einen wichtigen Grund zu außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses nach § 626 BGB abzugeben.

 

Normenkette

BGB § 626; KSchG § 1; ZPO §§ 286, 398, 448

 

Verfahrensgang

ArbG Kassel (Urteil vom 01.10.2003; Aktenzeichen 9 Ca 32/03)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kassel vom 1. Oktober 2003 – 9 Ca 32/03 – wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit mehrerer Kündigungen der Beklagten, die in … ein Heilbad mit ca. 50 Arbeitnehmern betreibt, gegenüber der am … 1965 geborenen, ledigen und kinderlosen Klägerin, die seit 01.05.1988 bei der Beklagten als kaufmännische Angestellte zu einem Bruttomonatsentgelt von zuletzt EUR 2.127,39 beschäftigt war.

Am 30.12.2002 versuchte die Zeugin … der Klägerin einen Briefumschlag zu geben, die Klägerin lehnte die Annahme ab und bat um Zustellung nach Hause. Das entsprechende, auf den 30.12.2002 datierte Schreiben, das eine Kündigung der Beklagten gegenüber der Klägerin zum 30.06.2003 enthielt, wurde zu einem zwischen den Parteien streitigen Zeitpunkt in den Hausbriefkasten der Klägerin eingeworfen.

Nachdem die Klägerin gegen die Kündigung mit einem am 17.01.2003 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Klage erhoben und in der Klageschrift ausgeführt hatte, bei einer Nachschau im Briefkasten am 30.12.2002 weder um 17.30 Uhr noch um 19.30 Uhr ein Kündigungsschreiben vorgefunden und das Kündigungsschreiben erst am 02.01.2003 nach ihrer Rückkehr von ihrem Freund dem Briefkasten entnommen zu haben, kündigte die Beklagte mit Schreiben vom 28.02.2003 (Bl. 34 d.A.) nach Anhörung ihres Betriebsrats das Arbeitsverhältnis zur Klägerin erneut fristlos, hilfsweise ordentlich mit der Begründung, das Kündigungsschreiben sei am 30.12.2002 um 15.25 Uhr von der Zeugin … in den Hausbriefkasten der Klägerin eingeworfen worden, mit ihrem Vortrag in der Kündigungsschutzklage habe die Klägerin einen Betrugsversuch begangen, um unbeschadet des Ausgangs des Kündigungsrechtsstreits auf jeden Fall 3 weitere Monatsgehälter herauszuholen. Mit weiterem Schreiben vom 28.02.2003 (Bl. 35 d.A.) kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zur Klägerin erneut betriebsbedingt zum 30.09.2003.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 01.10.2003 nach Vernehmung der Zeugin den Klageanträgen der Klägerin,

  1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentliche Kündigung vom 28. Februar 2003 nicht aufgelöst worden ist;
  2. für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag unter Ziffer 1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die ordentliche Kündigung vom 30. Dezember 2002 zum 30. Juni 2003 nicht aufgelöst worden ist;
  3. für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag unter Ziffer 1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die hilfsweise ordentliche, verhaltensbedingte Kündigung vom 28. Februar 2003 zum 30. September 2003 nicht aufgelöst worden ist;
  4. für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag unter Ziffer 1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die ordentliche, betriebsbedingte Kündigung vom 28. Februar 1002 zum 30. September 2003 nicht aufgelöst worden ist.

stattgegeben. Wegen aller weiteren Einzelheiten des Sachverhalts, auch bezüglich des Verfahrens und der Anträge wird auf das Urteil des Arbeitsgerichts (Bl. 122–139 d.A.) Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil hat die Beklagte innerhalb der zur Niederschrift über die Berufungsverhandlung am 10.05.2004 festgestellten und dort ersichtlichen Fristen Berufung eingelegt.

Sie vertritt die Ansicht, entgegen dem Arbeitsgericht sei das Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche Kündigung vom 28.02.2003 aufgelöst worden, weil die Klägerin bewusst wahrheitswidrig behauptet habe, die von ihr, der Beklagten, am 30.12.2002 erklärte Kündigung sei ihr erst am 02.01.2003 zugegangen, obgleich tatsächlich das Kündigungsschreiben am 30.12.2002 in den Hausbriefkasten der Klägerin eingeworfen worden sei und diese das Schreiben bei Nachschau in den Briefkasten um 17.30 Uhr bzw. 19.30 Uhr auch hätte vorfinden müssen. Nachdem die Klägerin die Entgegennahme dieses Schreibens am 30.12.2002 abgelehnt habe, sei, entsprechend der Empfehlung ihres Prozessbevollmächtigten, beschlossen worden, die Kündigung durch Boten in den Briefkasten der Klägerin einzuwerfen. Entsprechend sei ihr Geschäftsführer mit der Zeugin … am 30.12.2002 zu dem Haus gefahren, in dem die Klägerin wohnte. Dort habe die Zeugin … den Br...

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