Entscheidungsstichwort (Thema)

Versetzung eines Betriebsratsmitgliedes

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Berechtigung zur Versetzung in einen anderen Betrieb an einem anderen Beschäftigungsort bedarf einer ausdrücklichen und individualrechtlichen Vereinbarung.

2. Auf die Versetzung eines Betriebsratsmitgliedes in einen anderen Betrieb mit der Folge des Verlustes des Betriebsratsamtes ist § 103 BetrVG 1972 entsprechend anzuwenden.

 

Normenkette

BetrVG 1972 § 95 Abs. 3, §§ 99, 103

 

Verfahrensgang

ArbG Frankfurt am Main (Urteil vom 08.03.1995; Aktenzeichen 18 Ga 25/95)

 

Tenor

Die Berufung der Verfügungsbeklagten gegen dasUrteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom08. März 1995 – Az.: 18 Ga 25/95 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

 

Tatbestand

Der Verfügungskläger begehrt seine Weiterbeschäftigung als Distribution Coordinator in Kelsterbach.

Er ist aufgrund eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 16. August 1984 (Bl. 35 und 36 d. A.) seit 01. August 1984 bei der Beklagten beschäftigt. In Ziffer 1 des Arbeitsvertrages heißt es:

Wir behalten uns vor, Sie anderweitig einzusetzen, ohne daß eine Änderung Ihrer Bezüge eintritt.

Nachdem der Verfügungskläger zunächst vertragsgemäß als Transporter-Fahrer eingesetzt wurde, vereinbarten die Parteien am 28. April 1986 (Bl. 68 d. A.), daß der Verfügungskläger ab 21. April 1986 als Distribution Coordinator eingesetzt wurde. An seinem Arbeitsort, der Betriebsstätte Kelsterbach der Verfügungsbeklagten, wo der Kläger seit 01. August 1984 tätig war, ändert sich dadurch nichts. Diese Betriebsstätte gehört zur Region Mitte der Verfügungsbeklagten, zu der weitere Betriebsstatten in Frankfurt am Main Flughafen, Frankfurt am Main Stadt. Wiesbaden und Bad Homburg gehören. Für diese Region Mitte der Verfügungsbeklagten ist ein Betriebsrat gebildet, dem der Verfügungskläger seit Mai 1986 als Mitglied und seit August 1989 als Vorsitzender angehört. Weitere Betriebsräte existieren bei der Verfügungsbeklagten für deren Hauptverwaltung in Eschborn und ihre Stationen in Düsseldorf. Im Laufe des Jahres 1994 beschloß die Verfügungsbeklagte, ihre Abteilung Distribution, der unter einer Abteilungsleiterin der Verfügungskläger und weitere zwei Mitarbeiter angehören, von Kelsterbach zu ihrer Hauptverwaltung nach Eschborn zu verlegen. Zum 31. Dezember 1994 wurden die Räumlichkeiten dieser Abteilung der Verfügungsbeklagten in Kelsterbach aufgegeben. Verblieben ist dort in Kelsterbach noch ein Service-Center der Verfügungsbeklagten. Mit Schreiben vom 24. November 1994 (Bl. 18 und 19 d. A.) informierte die Verfügungsbeklagten den für ihre Hauptverwaltung in Eschborn gebildeten Betriebsrat, der mehr als 20 dort beschäftigte Arbeitnehmer vertritt, über die mit der Verlegung verbundene beabsichtigte Versetzung des Verfügungsklägers und der anderen Mitarbeiter der Abteilung Distribution mit Wirkung zum 15. Dezember 1994. Nachdem der genannte Betriebsrat der beabsichtigten Versetzung auch des Verfügungsklägers widersprochen hat, teilte die Verfügungsbeklagte dem genannten Betriebsrat am 10. Januar 1994 mit (Bl. 20 und 21 d. A.), daß sie die Versetzung des Verfügungsklägers von Kelsterbach nach Eschborn vorläufig im Sinne des § 100 Abs. 1 Betriebsverfassungsgesetz durchführen werde und beantragte beim Arbeitsgericht Frankfurt am Main die Ersetzung der Zustimmung zu den getroffenen Maßnahmen. Dieses Verfahren ist beim Arbeitsgericht Frankfurt am Main unter dem Aktenzeichen 18 BV 645/94 anhängig und war zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht noch nicht entschieden. Der für die Betriebsstätte in Kelsterbach zuständige Betriebsrat Region Mitte der Verfügungsbeklagten, dem der Verfügungskläger vorsitzt, wurde am 24. November 1994 (Bl. 17 d. A.) um Zustimmung zu dessen Versetzung angegangen. Mit Schreiben vom 26. Januar 1995 (Bl. 22 d. A.) wies die Verfügungsbeklagte den Verfügungskläger an, per 27. Januar 1995 9.00 Uhr seine Arbeit Distribution Coordinator im Betrieb der Beklagten in Eschborn aufzunehmen. Unter Protest, den der Verfügungskläger am 26. Januar 1995 gegenüber der Verfügungsbeklagten schriftlich erhob (Bl. 25 und 26 d. A.), trat er seinen Dienst weisungsgemäß an. Mit Schreiben vom 07. März 1995 (Bl. 69 d. A.) teilte die Verfügungsbeklagte dem Betriebsrat für die Region Mitte mit, daß sie beabsichtige, zum 03. März 1995 – befristet bis zum 01. Juni 1995 – für ihr Service Center in Kelsterbach einen Mitarbeiter für die Bereiche Service, Qualität, Distribution und Coordination einzustellen.

Der Verfügungskläger hat behauptet, im Betrieb der Verfügungsbeklagten in Kelsterbach bestehen nach wie vor Bedarf für die Tätigkeit eines Distribution Coordinators, wie sich aus der mittlerweile erfolgten Einstellung eines entsprechenden Mitarbeiters Sucker ergebe. Durch seine, des Verfügungsklägers Versetzung nach Eschborn werde dem für die Region Mitte gebildeten Betriebsrat sein Vorsitzender, nämlich er genommen. Zu einer einseitigen Maßnahme mit dieser Folge sei die Verfügungsbeklagte n...

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