Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfall des Urlaubsanspruchs auch bei befristeter Erwerbsunfähigkeitsrente. Darlegungs- und Beweislast des Arbeitgebers für verständliche Urlaubsaufforderung. Schadensersatzanspruch bei nicht gewährtem Urlaub

 

Leitsatz (amtlich)

1. Aufgrund unionsrechtskonformer Auslegung des § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG verfallen gesetzliche Urlaubsansprüche erst 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres, wenn der Arbeitnehmer im für die Urlaubsgewährung maßgeblichen Zeitraum zuvor aus gesundheitlichen Gründen an seiner Arbeitsleistung gehindert war (BAG, Urteil vom 7. August 2012 - 9 AZR 353/10, nach juris; im Anschluss an EuGH, Urteil vom 22. November 2011 - C-214/10 - [KHS], nach juris).

2. Dies gilt auch bei befristeter Erwerbsunfähigkeitsrente, in deren Folge das Arbeitsverhältnis fortbesteht.

 

Normenkette

BUrlG § 7 Abs. 3; ZPO § 256 Abs. 1; BGB § 275 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Frankfurt am Main (Urteil vom 13.12.2016; Aktenzeichen 3 Ca 8481/15)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 20.12.2022; Aktenzeichen 9 AZR 245/19)

BAG (EuGH-Vorlage vom 07.07.2020; Aktenzeichen 9 AZR 245/19 (A))

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 13. Dezember 2016 – 3 Ca 8481/15 – wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten der Berufung zu tragen.

Hinsichtlich des Feststellungsantrags zu 1. (Urlaub) wird die Revision zugelassen; im Übrigen wird sie nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Feststellung des Bestehens von Urlaubstagen aus den Jahren 2010, 2011 und 2014 sowie über die Anerkennung von Tätigkeitszeiten des Klägers bei einem anderen Arbeitgeber.

Die Beklagte ist die Betreiberin des Flughafens A.

Der am xx.xx. 1961 geborene Kläger leistete in der Zeit vom 1. September 1981 bis 30. Juni 1987 Wehrdienst; auf die Wehrdienstbescheinigung (Bl. 9 d.A.) wird Bezug genommen. Vom 17. Juli 1987 bis 31. März 1999 war der Kläger bei der B als Kraftfahrer tätig; auf deren Berechnung der Beschäftigungs- und Dienstzeiten vom 15. September 1987 wird verwiesen (Bl. 11 d.A.). Ab dem 17. Mai 1999 bis 31. März 2000 war der Kläger bei der C mbH in D beschäftigt.

Der Kläger wurde anschließend bei der Beklagten ab dem 10. April 2000 zuletzt auf Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 7. August 2000 (Bl. 3, 4 d.A.) als Frachtfahrer innerhalb des strategischen Geschäftsbereichs E beschäftigt. Der Arbeitsvertrag vom 7. August 2000 richtete sich zunächst nach dem BMT-G, Ausgabe Hessen, einschließlich der für die Flughafen A AG geltenden Zusatzbestimmungen, den betriebsüblichen Regelungen und den Dienstvorschriften. Nachdem der BMT-G zum 1. Oktober 2005 durch den Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst, Sparte Flughäfen (TVöD-F) ersetzt wurde, wurde der Kläger nach dem Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten der Kommunalen Arbeitgeberverbände in den TVöD und zur Regelung des Übergangsrechts TVÜ-VKA vom BMT-G in den TVöD-F übergeleitet. Der Kläger verdiente zuletzt durchschnittlich Euro 2.738,94 brutto. Der Kläger ist anerkannt als schwerbehinderter Mensch.

Die Beklagte und der bei ihr gebildete Betriebsrat schlossen eine Betriebsvereinbarung „Lebensarbeitszeitkonto“ mit Wirkung ab 1. April 2004 ab, auf die wegen ihrer Einzelheiten Bezug genommen wird (Bl. 62-68 d.A.). Unter § 3 sind Zeitkontingente des Lebensarbeitszeitkontos geregelt.

Der Kläger beantragte am 11. Oktober 2011 (Bl. 54 d.A.), einen Resturlaub von 5 Tagen auf das Lebensarbeitszeitkonto für Schicht- und Wechselschichtbeschäftigte zu verbuchen.

Mit Schreiben vom 1. September 2012 (Bl. 10 d.A.) gratulierte der Vorstand der Beklagten dem Kläger zum Jubiläum einer 25jährigen Tätigkeit im öffentlichen Dienst unter Ankündigung der Auszahlung einer tariflichen Jubiläumszuwendung in Höhe von Euro 350,00.

Der Kläger verlangte mit anwaltlichem Schreiben vom 24. Juni 2015 (Bl. 12 d.A.) die Berücksichtigung seiner Wehrdienstzeiten als Beschäftigungszeit. Die Beklagte teilte mit Schreiben vom 29. Juni 2015 (Bl. 13 d.A.) mit, sie erkenne die Bundeswehrzeit an, könne jedoch die Zeiten bei den B aufgrund einer schädlichen Unterbrechungszeit nicht anrechnen und verwies auf ihre neue „Festsetzung der Beschäftigungszeit gemäß § 34 Abs. 3 Satz 1 bis 4 des Tarifvertrages für die Dauer des Krankengeldzuschusses (§ 22 Abs. 3) und die Bemessung des Jubiläumsgeldes (§ 23 Abs. 2 )“, wonach die Beschäftigungszeit gemäß § 34 Abs. 3 Satz 1 bis 4 TVöD gemäß der ihrem Schreiben beigefügten Anlage vom 9. Juni 2015 (Bl. 14 d.A.) ab 11. April 1994 rechnet.

Am 2. Oktober 2015 (Bl. 55 d.A.) beantragte der Kläger bei der Beklagten für das Jahr 2014 die Verbuchung von 32 Tagen Resturlaub auf sein Lebensarbeitszeitkonto.

Mit Email vom 28. Oktober 2015 (Bl. 89 d.A.) teilte eine Mitarbeiterin der Beklagten mit, den LAZ-Antrag von 2014 zu bearbeiten und die Auszahlung von 5 Tagen zu veranlassen.

Auf Antrag bewilligte die Deutsche Rentenversicherung dem Kläger bereits mit Bescheid vom 22. September 2015 (Bl. 5 d.A.) Rente wegen voller Erwerbsminderung ...

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