Entscheidungsstichwort (Thema)

Beitragspflicht eines Unternehmens mit dem Gegenstand der Montage von Fassaden nach dem Sozialkassenverfahren in der Bauwirtschaft

 

Leitsatz (redaktionell)

Ein Unternehmen, das von Polen aus Arbeitnehmer entsendet, die auf Baustellen Fassadenteile montieren, fällt unter das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe.

Das gilt auch dann, wenn diese Tätigkeit nur einen Teil der gewerblichen Tätigkeit des Unternehmens darstellt, es sich jedoch um eine selbständige Betriebsabteilung i.S. von § 1 Abs. 2 Abschn. VI Unterabs. 1 S. 3 VTV handelt. Dass diese Arbeitnehmer organisatorisch vom Hauptbetrieb abgegrenzt sind, ist nicht erforderlich (BAG - 10 AZR 500/11 - 17.10.2012; BAG - 10 AZR 737/08 - 25.11.2009).

 

Normenkette

VTV § 1 Abs. 2 Abschn. VI Unterabs. 1 S. 3; AEntG a.F. § 1

 

Verfahrensgang

ArbG Wiesbaden (Entscheidung vom 31.07.2013; Aktenzeichen 7 Ca 2998/11)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 22.06.2016; Aktenzeichen 10 AZR 536/14)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 31. Juli 2013 - 7 Ca 2998/11 - abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 102.169,62 EUR (in Worten: Einhundertzweitausendeinhundertneunundsechzig und 62/100 Euro) nebst Zinsen aus einem Betrag von 78.866,49 EUR (in Worten: Achtundsiebzigtausendachthundertsechsundsechzig und 49/100 Euro) in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 16. Februar 2012 zu zahlen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt von der Beklagten für die Monate Januar bis Oktober 2007 Beiträge zum Urlaubskassensystem der Bauwirtschaft. Zwischen den Parteien besteht dabei erneut Streit darüber, welche Konsequenzen die Einschränkung der Allgemeinverbindlichkeitserklärung gegenüber dem Geltungsbereich der Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie für den Einsatz von entsandten Arbeitnehmern der Beklagten hatte.

Der Kläger ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes. Er hat nach den für allgemeinverbindlich erklärten tarifvertraglichen Regelungen des Baugewerbes (Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe [BRTV-Bau], Tarifvertrag für das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe [VTV]) insbesondere die Aufgabe, die Auszahlung der tarifvertraglich vorgesehenen Urlaubsvergütungen zu sichern. Zu diesem Zweck haben die den Bautarifverträgen unterfallenden Arbeitgeber monatliche Beiträge in Höhe eines bestimmten Prozentsatzes der Bruttolohnsumme der beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmer an den Kläger zu zahlen.

Die Beklagte ist eine polnische Gesellschaft mit beschränkter Haftung und Sitz in A/Polen. Seit 2007 ist sie - anders als in den Vorjahren - Mitglied im Essener Unternehmensverband e.V., welcher Mitglied im Verband METALL NRW, Verband der Metall- und Elektro-Industrie Nordrhein-Westfalen e.V., ist. An ihrem Unternehmenssitz in A ist die Beklagte mit ca. 100 Arbeitnehmern in der Stahlproduktion tätig.

Im Jahr 2007 entsandte die Beklagte Arbeitnehmer nach Deutschland. Dabei fielen in den Monaten Januar bis Oktober 2007 bei Fassadenbauarbeiten insgesamt 43.197 Arbeitsstunden gewerblicher Arbeitnehmer auf den Baustellen B in C und D in E an. Sowohl die Elemente der die Fassadenteile tragenden Metallkonstruktionen als auch die Fassadenteile aus Metall, Glas oder anderen Stoffen waren von Dritten hergestellt und geliefert worden, nicht von der Beklagten. Daneben betrieb die Beklagte als Subunternehmerin Stahl- und Metallbau in Werken deutscher Unternehmen. Zur Wiedergabe dieser Aufträge, der Auftraggeber, Auftragsorte und angefallenen Arbeitsstunden wird auf die Anlage 1 zum Schriftsatz der Beklagten vom 15. März 2012 verwiesen (Bl. 21 f. d.A.). Hierzu ist klarzustellen, dass im Verhandlungstermin vor der Berufungskammer am 04. Juni 2014 nicht endgültig geklärt werden konnte, ob von den in der Anlage angegebenen insgesamt 46.559,55 "Werkstattstunden" für den Auftrag "Fa, F" nicht 19.347,00 Stunden in Polen statt in Deutschland gearbeitet wurden (vgl. Sitzungsniederschrift Bl. 231 d.A.).

Die Beklagte erteilte dem Kläger 2007 keine Meldungen und zahlte keine Beiträge zum Urlaubskassensystem.

Die Beklagte unterhält in Deutschland keine im Handelsregister eingetragene Niederlassung. Sie hatte bereits vor 2007 ein Büro in G. Von dort aus werden nach ihren Angaben nur alle notwendigen organisatorischen Arbeiten in Zusammenhang mit den Entsendungen sowie gegenüber dem Finanzamt und der Agentur für Arbeit erledigt, nicht jedoch die Montagearbeiten koordiniert.

Die Parteien haben bereits zwei Rechtstreite bis zum Bundesarbeitsgericht über die Beitragspflicht der Beklagten wegen der Tätigkeit ihrer Arbeitnehmer im Fassadenbau geführt.

In Bezug auf die Jahre 2001 und 2002 verneinte das Bundesarbeitsgericht durch Urteil vom 25. Januar 2005 (- 9 AZR 154/04 - NZA 2005., 1376) eine Geltung des VTV für die in Deutschland auf Baustellen eingesetzten Arbeitnehmer der Beklagten. Ihr Betrieb sei in diesen Jahren unter die in der A...

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