Entscheidungsstichwort (Thema)

Detektivkosten. außerordentliche Kündigung. Vortäuschen von Arbeitsunfähigkeit. Sachverständigengutachten. Wirksamkeit einer außerordentlichen Verdachtskündigung. Ersatz von Dedektivkosten

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Eine Verdachtskündigung ist rechtlich zulässig, wenn sich starke Verdachtsmomente auf objektive Tatsachen gründen, sie geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören und der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat.

2. a) Ein Arbeitgeber kann die durch das Tätigwerden eines Detektivs entstandenen notwendigen Kosten ersetzt verlangen, wenn er den Detektiv anlässlich eines konkreten Tatverdachts, z.B. wegen Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers, beauftragt hat und der Arbeitnehmer dann einer vorsätzlichen Vertragspflichtverletzung überführt wird.

b) Die Grenze der Ersatzpflicht richtet sich nach dem, was ein vernünftiger, wirtschaftlich denkender Mensch nach den Umständen des Falles zur Beseitigung der Störung oder zur Schadensverhütung nicht nur als zweckmäßig, sondern als erforderlich getan haben würde.

 

Normenkette

BGB § 626

 

Verfahrensgang

ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 21.02.2011; Aktenzeichen 2 Ca 3494/10)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 26.09.2013; Aktenzeichen 8 AZR 1026/12)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 21. Februar 2011 - 2 Ca 3494/10 - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen und der Berufung der Beklagten teilweise abgeändert und klarstellend wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 63,41 EUR (in Worten: Dreiundsechzig und 41/100 Euro) brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 16. Oktober 2010 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Auf die Widerklage wird der Kläger verurteilt, an die Beklagte 1.000,00 EUR (in Worten: Eintausend und 00/100 Euro) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 10. Juni 2010 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Widerklage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger 60%, die Beklagte 40% zu tragen.

Die Revision wird für den Kläger und die Beklagte in Bezug auf die Widerklage zugelassen. Darüber hinaus wird die Revision nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten auch im Berufungsverfahren um die Wirksamkeit außerordentlicher, hilfsweise ordentlicher Kündigungen und um Annahmeverzugsvergütung. Die Arbeitgeberin macht im Wesentlichen geltend der Arbeitnehmer habe seine Arbeitsunfähigkeit vorgetäuscht und verlangt widerklagend den Ersatz von Detektivkosten.

Die Beklagte ist ein Busunternehmen mit Sitz in A. Sie beschäftigt mehr als 10 Arbeitnehmer. Bei ihr ist ein Betriebsrat gebildet.

Der am XX.XX.19XX geborene Kläger ist verheiratet und hat Unterhaltspflichten gegenüber drei Kindern. Er ist seit 09. Oktober 2000 bei der Beklagten als Busfahrer im Schichtdienst mit einem Bruttomonatsgehalt von zuletzt ca. 2.100,00 € beschäftigt. Wegen des Inhalts des Arbeitsvertrages der Parteien wird auf den befristeten Vertrag vom 09. Oktober 2000 und den Anschlussvertrag vom 09. April 2001 verwiesen (Kopien s. Anlage zur Klageschrift, Bl. 12 ff., 19 d.A.).

Soweit die Beklagte dem Kläger das Vortäuschen von Arbeitsunfähigkeit vorwirft und daher am 14. Mai 2010 Kündigungen erklärte, welche diesem am 15. Mai 2010 zugingen, ist folgender unstreitiger Sachverhalt zu Grunde zu legen:

Der Kläger fehlte im Jahr 2009 insgesamt neunmal wegen ärztlich attestierter Arbeitsunfähigkeit für Zeitspannen zwischen 5 Tagen und mehr als 5 Wochen (vgl. vom Kläger im Berufungsverfahren vorgelegte Aufstellung der B, Anlage zum Schriftsatz vom 12. September 2011, Bl. 406 f. d.A.). Nach einer Arbeitsunfähigkeit, die vom 04. Januar 2010 bis 28. Januar 2010 andauerte, reichte der Kläger beginnend ab dem 22. Februar 2010 erneut eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bei der Beklagten ein, zunächst bis 06. März 2010. Auf Antrag der Beklagten vereinbarte die B für den Kläger einen Untersuchungstermin bei dem Medizinischen Dienst der Krankenkassen am 02. März 2010 und lud ihn dazu schriftlich ein. Der Kläger nahm den Termin nicht wahr, was der Beklagten mitgeteilt wurde. Am 09. März 2010 veranlasste die B einen weiteren Untersuchungstermin für den Kläger am 11. März 2010. Die Einladung zu der Untersuchung bei dem Medizinischen Dienst wurde dem Kläger am 09. März 2010 durch einen Mitarbeiter der B in den Briefkasten geworfen. Die Ehefrau des Klägers rief am 11. März 2010 bei der B an und teilte mit, dass ihr Ehemann die Einladung erst am 11. März 2010 erhalten habe. Auf Vorhalt eines Mitarbeiters der B, dass dieser Brief am 09. März 2010 eingeworfen wurde, gab sie an, sie schaue nicht täglich in den Briefkasten.

Nachdem der Kläger weitere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen bis einschließlich 22. März 2010 einreichte, ließ die Bek...

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