Entscheidungsstichwort (Thema)

Zurückweisung nach § 174 BGB, Tarifvertragsauslegung Gebäudereinigerhandwerk

 

Leitsatz (amtlich)

1. Geltendmachungsschreiben zur Wahrnehmung tariflicher Ausschlußfristen werden ab geschäftsähnlicher Handlungen von § 174 Satz 1 BGB erfasst.

2. Gewerkschaften sind nach der Verkehrsanschauung der im Arbeitsleben Beteiligten zur Geltendmachung von Arbeitnehmerrechten ihrer Mitglieder bevollmächtigt. Eine Zurückweisung nach § 174 Satz 1 BGB ist nach § 174 Satz 2 BGB ausgeschlossen.

3. Im Gebäudereinigerhandwerk haben die tarifgebundenen Arbeitnehmer im Jahr 2000 Anspruch auf 2/3 der im Rahmentarifvertrag vom 22. September 1995 geregelten Jahressonderverqütung.

 

Normenkette

BGB § 174; TVG § 4 Abs. 5

 

Verfahrensgang

ArbG Frankfurt am Main (Urteil vom 15.08.2001; Aktenzeichen 17/6 Ca 1486/01)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt vom 15. August 2001, 17/6 Ca 1486/01 abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 465,75 Euro brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 15. November 2000 zu zahlen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen und die Berufung zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu 1/3 und die Beklagte zu 2/3 zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Auslegung von Vorschriften der Rahmentarifverträge des Gebäudereinigerhandwerks sowie um die rechtzeitige Geltendmachung von Ansprüchen.

Die Klägerin ist bei der Beklagten, einem Unternehmen des Gebäudereiniger-Handwerks, seit dem 12. August 1996 mit einer Wochenarbeitszeit von 39 Stunden zu einem Stundenlohn von 17,08 DM brutto beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis finden die für allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträge des Gebäudereinigerhandwerks kraft beidseitiger Organisationszugehörigkeit Anwendung.

Mit Schreiben vom 16. Dezember 2000 (Bl; 7, 8 d.A.) machte die Klägerin die Zahlung der tariflichen Jahressondervergütung geltend, welche im Oktober 2000 nicht abgerechnet und ausgezahlt worden war.

Die Tarifvertragsparteien des Gebäudereinigerhandwerks haben am 22. September 1995 einen Rahmentarifvertrag (RTV 1995) abgeschlossen, der für allgemeinverbindlich erklärt worden ist. Dieser RTV 1995 ist zum 30. April 2000 gekündigt worden. Zu diesem Zeitpunkt ist auch die Allgemeinverbindlichkeit entfallen. Am 16. August 2000 schlossen die Tarifvertragsparteien den RTV 2000 ab, der zum 01. September 2000 in Kraft getreten ist.

In § 14 Ziffer 4 RTV 1995 war die Zahlung eines zusätzlichen Urlaubsgeldes ab dem Urlaubsjahr 1996 in Höhe von 30.00 DM je Urlaubstag und in einigen östlichen Bundesländern in Höhe von 10.00 DM für 1996, 24.00 DM für 1997, 28,00 DM für 1998 und 30,00 DM für 1999 geregelt. Für Teilzeitbeschäftigte betrug das zusätzliche Urlaubsgeld ab 1996 je Urlaubstag 1/8 des vollen Tagessatzes mal der regelmäßig geleisteten Arbeitsstunden, also ab 1996 3,75 DM mal regelmäßig geleistete Arbeitsstunden je Urlaubstag.

Nach § 15 RTV 1995 galt:

„1. Der/die Beschäftigte hat nach einer 6-monatigen Betriebszugehörigkeit Anspruch auf Zahlung einer Jahressondervergütung durch den Arbeitgeber. Stichtag ist der 30. November, jedoch ab 1996 der 31. Oktober.

2. Die Höhe der Zahlung beträgt 1995 das 60-, 1996 das 65-, 1997 70-, 1998 75, 1999 das 80fache des zum Zeitpunkt der Fälligkeit geltenden Tarif stundenlohnes des/der Beschäftigten….

3. Bei Teilzeitbeschäftigten vermindert sich der Anspruch auf die Zahlung der Jahressondervergütung im Verhältnis seiner/ihrer vereinbarten wöchentlichen Arbeitszeit zur tariflichen wöchentlichen Arbeitszeit…

4. Anspruchsberechtigte Beschäftigte bzw. Auszubildende, deren Beschäftigungs- bzw. Ausbildungsverhältnis im Kalenderjahr wegen Inanspruchnahme des Erziehungsurlaubs ruht, erhalten keine Leistungen gemäß Absatz 2 und 3. Ruht dieses Beschäftigungs- bzw. Ausbildungsverhältnis teilweise, so erhalten sie eine anteilige Leistung.

5. Ausscheidende Beschäftigte haben nach Erfüllung der Wartezeit (§ 15 Ziff. 1) einen Anspruch auf je 1/12 der Jahressondervergütung für jeden angefangenen Monat.

6. …

7. Die Jahressondervergütung ist mit dem Lohn für den Monat November, jedoch ab 1996 für den Monat Oktober, auszuzahlen …

8. Die Jahressondervergütung kann auf betrieblich gewährtes Weihnachtsgeld, 13. Monatseinkommen oder Zahlungen, die diesen Charakter haben, angerechnet werden.”

In § 25 RTV 1995 war geregelt: „Für Beschäftigte günstigere Vereinbarungen werden durch diesen Rahmenvertrag nicht berührt.”

Nach § 23 RTV 1995 galt:

„Alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, verfallen, wenn sie nicht innerhalb von 2 Monaten nach der Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden.

Lehnt die Gegenpartei den Anspruch ab oder erklärt sie sich nicht innerhalb von 2 Wochen nach der Geltendmachung des Anspruchs, so verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb von 2 Monaten nach der Ablehnung oder dem Fristablauf gerich...

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