Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitsschutz. Parallelentscheidung zum Beschluss des Gerichts vom 28.10.2010, 5 TaBV 43/10, der vollständig dokumentiert ist. Notwendigkeit der Durchführung einer Gefährdungsanalyse

 

Leitsatz (redaktionell)

Durch Betriebsvereinbarung kann nicht unter Verstoß gegen § 5 ArbSchG die Unterweisung zu Gefahren am Arbeitsplatz ohne vorherige Gefährdungsanalyse geregelt werden.

 

Normenkette

ArbSchG §§ 5, 12; BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 7

 

Verfahrensgang

ArbG Wiesbaden (Beschluss vom 08.01.2010; Aktenzeichen 8 BV 1/09)

 

Nachgehend

BAG (Beschluss vom 08.11.2011; Aktenzeichen 1 ABR 14/11)

 

Tenor

Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 8. Januar 2010 – 8 BV 1/09 – wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Tatbestand

A.

Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit eines Teilspruchs einer Einigungsstelle über die Unterweisung von Arbeitnehmern durch die Arbeitgeberin nach dem Arbeitsschutzgesetz sowie eine Regelung über die dafür notwendigen organisatorischen Vorkehrungen.

Die Beteiligte zu 1) (im Folgenden Arbeitgeberin) ist ein bundesweit tätiges Unternehmen, das sich mit der Herstellung, dem Vertrieb, der Installation und Wartung von Aufzügen, Fahrtreppen und anderen Transportsystemen befasst. Sie unterhält neben der Zentrale in A 39 Niederlassungen, unter anderem in B. Der dort gewählte örtliche Betriebsrat ist der Beteiligte zu 2) (im Folgenden Betriebsrat). Ferner ist ein Gesamtbetriebsrat gebildet.

Nach erfolglosen Verhandlungen zwischen der Arbeitgeberin und dem Gesamtbetriebsrat über Gefährdungsbeurteilungen und Unterweisungen nach dem Arbeitsschutzgesetz kam es zu gerichtlichen Auseinandersetzungen. Am 23. März 2007 schlossen die Arbeitgeberin und der Gesamtbetriebsrat vor dem Landesarbeitsgericht Berlin – Brandenburg einen Vergleich, in dem unter anderem Folgendes geregelt ist:

„… Zur unparteiischen Vorsitzenden einer Einigungsstelle zur Regelung der Gefährdungsbeurteilung, der Regelung von Unterweisungen sowie der erforderlichen organisatorischen Vorkehrungen nach §§ 3 Abs. 2; 5 ArbSchG i. V. m. § 3 BildschirmarbeitsVO und § 12 ArbSchG wird die vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht Berlin – Brandenburg Frau … bestellt, wobei die Bejahung der Zuständigkeit der Einigungsstelle nach § 50 Abs. 1 oder 50 Abs. 2 BetrVG der Einigungsstelle überlassen bleibt …”.

Wegen des weiteren Inhalts des Vergleichs wird auf die Kopie der Sitzungsniederschrift Blatt 28, 29 der Akten Bezug genommen. Durch Beschluss vom 05. Dezember 2007 wies das Arbeitsgericht Berlin den auf die Feststellung gerichteten Antrag, dass der Gesamtbetriebsrat nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG i. V. m. §§ 5, 12 ArbSchG i. V. m. § 50 Abs. 1 BetrVG zuständig ist, zurück. Das Landesarbeitsgericht Berlin – Brandenburg hat die Beschwerde vom 29. April 2008 – 12 TaBV 134/08 – zurückgewiesen. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf die Kopie Blatt 304 bis Blatt 316 der Akten Bezug genommen. Der Betriebsrat beauftragte den Gesamtbetriebsrat die Angelegenheit für ihn zu verhandeln. In dem Beschluss ist nicht geregelt, dass der Gesamtbetriebsrat auch ein Beschlussverfahren durchführen soll.

Mit Teilspruch vom 17. Dezember 2008 traf die Einigungsstelle eine Regelung über die „Unterweisung gem. § 12 ArbSchG und erforderliche organisatorische Vorkehrungen”. Wegen des genauen Inhalts wird auf die Kopie Blatt 7 Rs bis 16 Rs der Akten verwiesen. Der Teilspruch wurde der Arbeitgeberin mit Begründung am 12. Januar 2009 zugestellt. Mit dem am 26. Januar 2009 beim Arbeitsgericht Berlin eingegangenen Antrag begehrte sie die Feststellung der Unwirksamkeit des Teilspruchs. Neben dem Gesamtbetriebsrat wurde weitere 28 örtliche Betriebsräte, darunter der Betriebsrat B, in dem Beschlussverfahren beteiligt. Mit Beschluss vom 15. Juli 2009 erklärte sich das Arbeitsgericht Berlin hinsichtlich der Betriebsräte für örtlich unzuständig, trennte die Verfahren ab und verwies sie an die nach dem jeweiligen Sitz der Betriebsräte zuständigen Arbeitsgerichte, so auch an das Arbeitsgericht Wiesbaden. Eine Regelung über die Vornahme von Gefährdungsbeurteilungen hat die Einigungsstelle bislang nicht getroffen. Wegen des weiteren unstreitigen Sachverhalts, des Vortrags der Beteiligten im ersten Rechtszug sowie der dort gestellten Anträge wird im Übrigen entsprechend § 69 Abs. 2 ArbGG auf den tatbestandlichen Teil des angefochtenen Beschlusses – Bl. 362 – Bl. 366 d.A. – ergänzend Bezug genommen.

Durch Beschluss vom 08. Januar 2010 stellte das Arbeitsgericht fest, dass der Teilspruch der Einigungsstelle vom 17. Dezember 2008 unwirksam ist. Zur Begründung hat es – kurz zusammengefasst – ausgeführt: Der Teilspruch der Einigungsstelle sei unwirksam, da er gegen die gesetzlichen Regelungen der §§ 5, 12 ArbSchG verstoße. Der Betriebsrat habe ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG bei der Gefährdungsbeurteilung nach § 5 ArbSchG und § 3 BildschirmarbeitsVO und bei Unterweisungen nach § 12 ArbSchG. Die Einigung...

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