Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesamtbetriebsrat. Zuständigkeit. Gemeinesamer Betrieb mehrerer Unternehmen

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Gegenstand der Beauftragung gem. § 50 Abs. 2 BetrVG kann jedwede betriebsverfassungsrechtliche erhebliche Aufgabe sein, die in die Zuständigkeit der Einzelbetriebsräte fällt. Der Wortlaut des § 50 Abs. 2 BetrVG „eine” Angelegenheit) lässt lediglich die generelle Übertragung ganzer Zuständigkeitsbereiche nicht zu.

2. Der Gesetzgeber hat bei der Schaffung des Betriebsverfassungsreformgesetz vom 23.07.2001 die Kriterien für die Annahme eines gemeinsamen Betriebs als bekannt vorausgesetzt. § 1 Abs. 2 BetrVG zählt die Tatbestandsvoraussetzungen für die Annahme eines gemeinsamen Betriebs nicht abschließend auf. Auch nach Einführung des § 1 Abs. 2 BetrVG ist die Einheitlichkeit des Leitungsapparats das maßgebliche Kriterium für die Annahme eines gemeinsamen Betriebs. Insoweit hat das Betriebsverfassungsreformgesetz die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts aufgegriffen und bestätigt. Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist weiterhin maßgeblich für Zweifelsfragen bei der Prüfung von Voraussetzungen und Rechtsfolgen eines Gemeinschaftsbetriebs.

 

Normenkette

BetrVG § 1 Abs. 2, § 50

 

Verfahrensgang

ArbG Kassel (Beschluss vom 01.04.2003; Aktenzeichen 6 BV 1/03)

 

Nachgehend

BAG (Beschluss vom 22.06.2005; Aktenzeichen 7 ABR 30/04)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1) wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Kassel vom 01. April 2003 – 6 BV 1/03 – teilweise abgeändert.

Es wird festgestellt, dass die Beteiligten zu 2) und 3) einen gemeinsamen Betrieb im Sinne von § 1 Abs. 2 BetrVG führen.

Im Übrigen werden die Beschwerden zurückgewiesen.

Wegen des Antrages zu 6) wird das Verfahren eingestellt.

Die Rechtsbeschwerde wird für die Beteiligten zu 1) bis 3) zugelassen.

 

Tatbestand

Der Beteiligte zu 2) ist ein gemeinnütziger Verein, der Heime und Anstalten des D. betreibt. Er unterhält in K. zwei Betriebsstätten, nämlich zum einen die „D. Klinik K.”, S. und zum anderen das „D. Altenpflegeheim”, S.. Das Altenpflegeheim betreibt der Beteiligte zu 2) seit 1984. Für beide Betriebe werden getrennte Bilanzen und Gewinn- und Verlustrechungen erstellt. Im Küchenbetrieb im Gebäude der Klinik wird das Essen sowohl für die Klinikpatienten als auch für die Bewohner des Altenpflegeheims erstellt. Stellenplanmäßig werden die Mitarbeiter diesen beiden Betrieben und dem Bereich Heime und Anstalten zugeordnet.

Für jede dieser beiden Betriebsstätten besteht ein eigener Betriebsrat. Darüber hinaus ist ein Gesamt-Betriebsrat gebildet, der Antragsteller des vorliegenden Verfahrens ist, nachdem beide Betriebsräte beschlossen hatten, ihn mit der Durchführung des vorliegenden Verfahrens zu betrauen. Wegen Einzelheiten des Beschlusses des Betriebsrats des D. Altenpflegeheims K. vom 21. Nov. 2002 wird auf Bl. 55 d.A. Bezug genommen. Der Einzelbetriebsrat der Klinik fasste am 20. Nov. 2002 einen inhaltlich gleichlautenden Beschluss. Weitere Beschlüsse wurden am 16. und 19. Mai 2003 gefasst (Bl. 182 ff. d.A.).

Die Beteiligten streiten um die betriebsverfassungsrechtlichen Konsequenzen der Gründung der Beteiligten zu 3). Insoweit teilte der Geschäftsführer des Beteiligten zu 2), Herr S., mit Schreiben vom 12. Nov. 2002 (Bl. 7 d.A.) den beiden Betriebsräten und dem Gesamtbetriebsrat folgendes mit:

„Sehr geehrte Damen und Herren,

wir hatten Sie bereits mündlich darüber informiert, dass der Träger unserer Einrichtungen die Gründung einer S. GmbH plant. Die Mitgliederversammlung hat den Vorstand mit der Gründung dieser GmbH zum 1. Jan. 2003 beauftragt.

Dies ist aus verschiedenen Gründen notwendig:

  1. Ab dem 1. Jan. 2003 müssen alle geringfügig Beschäftigten bei der ZVK versichert werden Dies würde für unsere Einrichtungen eine Erhöhung der Personalkosten um ca. 5.000,00 Euro jährlich bedeuten. Aus diesem Grund werden ab dem 1. Jan. 2003 die Aushilfen aller Einrichtungen in die S. GmbH übergeleitet. Die Vergütung der Aushilfen erfolgt weiterhin zu den in unseren Einrichtungen üblichen und vereinbarten Stundensätzen. Für alle Aushilfen werden Zeitzuschläge für Sonntagsarbeit in Höhe von 25 % und für gesetzliche Feiertage, Heilig Abend und Silvester von 35 % gezahlt.
  2. Des weiteren werden ab 2003 alle freiwerdenden Stellen in den Bereichen Hausdienst und Küche unserer Einrichtungen mit Mitarbeitern besetzt, die über die S. GmbH beschäftigt werden. Eine Überleitung der derzeit beschäftigten Mitarbeiter ist gegenwärtig nicht geplant.

Die S. GmbH wird Mitglied im Arbeitgeberverband des Hotel- und Gaststättengewerbes und wendet den Tarifvertrag NGG (Nahrung, Genuss, Gaststätten) an. Auf die Arbeitsverhältnisse der Beschäftigten der S. GmbH, ausgenommen sind Aushilfen, werden die Regelungen dieses Tarifes angewandt.

Der Tarifvertrag der NGG sieht keine Zahlung von Zeitzuschlägen für Sonn- und Feiertagsarbeit vor. Es wird einzelvertraglich mit allen Beschäftigten die Zahlung von Zeitzuschlägen für Sonntagsarbeit in Höhe von 25 % und für gesetzl...

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