Entscheidungsstichwort (Thema)

Freistellung von Betriebsrats-Mitgliedern

 

Leitsatz (amtlich)

1. § 19 Abs. 2 Satz 2 BetrVG ist bei allen den organisatorischen Kernbereich der Betriebsratsarbeit betreffenden Wahlen analog anzuwenden.

2. Steht im Zeitpunkt der Durchführung der Freistellungswahlen nach § 38 Abs. 2 BetrVG fest, daß der Arbeitgeber über die Staffel des § 38 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG hinaus der weiteren Freistellung einer bestimmten Anzahl von BR-Mitgliedern (pauschal) zustimmt, so sind diese mit den zur Ausfüllung der Mindeststaffel zu wählenden BR-Mitglieder in einem einheitlichen Wahlgang nach den Grundsätzen der Verhältniswahl zu wählen.

 

Normenkette

BetrVG § 58

 

Verfahrensgang

ArbG Kassel (Beschluss vom 31.01.1991; Aktenzeichen 4 BV 14/90)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Betriebsrats wird der Beschluß des Arbeitsgerichts Kassel vom 31.1.1991 – 4 BV 14/90 – abgeändert.

Unter Zurückweisung des Hauptantrages der Antragsteller wird auf deren Hilfsantrag festgestellt, daß die nach § 38 BetrVG mindestens freizustellenden und die vom Arbeitgeber darüber hinaus zugestandenen weiteren freizustellenden Betriebsratsmitglieder in einer einheitlichen Wahl nach den Grundsätzen der Verhältniswahl zu wählen sind. Im übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit der am 31. Oktober 1990 durchgeführten Wiederholungswahl zur Freistellung von Betriebsratsmitgliedern.

Die Beteiligten zu 1) und 2) gehören der Minderheitsgruppe … an, deren Liste bei den BR-Wahlen 1990 im … Werk der … 4 von 23 Sitzen errang. Dem BR gehören 18 Vertreter der Arbeiter und 5 der Angestellten an.

Vorausgegangen war diesem Verfahren ein weiteres Wahlanfechtungsverfahren betreffend die am 19. April 1990 in der konstituierenden Sitzung des BR durchgeführte Wahl der nach § 38 Abs. 1 BetrVG mindestens freizustellenden 5 BR-Mitglieder sowie der am 24. April 1990 vorgenommenen Wahl von 3 zwischenzeitlich vom Arbeitgeber ergänzend bewilligten Freizustellenden.

Dieses Vorverfahren endete im Hinblick auf die zwischenzeitlich erfolgte, hier streitige Wiederholungswahl vor dem Landesarbeitsgericht Frankfurt im November 1990 mit einem Erledigungsvergleich (Bl. 100 d. BeiA.) 4 BV 6/90 Arbeitsgericht Kassel = 12 TaBV 147/90 LAG Frankfurt.

Bei der ersten Wahl am 19.04.1990 kandidierten 2 Listen, eine der … und eine der „Alternativen”. Auf erstere entfielen bei der Auszählung nach d'Hondt 5 Gewählte, die zweite ging leer aus. Bei der Wahl der weiteren 3 freizustellenden BR-Mitglieder am 24.04.1990 entfielen … auf die …-Liste 3 Gewählte, während die „Alternativen” erneut ohne Erfolg blieben.

In der BR-Sitzung am 31.10.1990 standen u.a. als Tagesordnungspunkt (TOP) 2 die „Wahlwiederholung von Freistellungen nach § 38 Abs. 2 BetrVG” und als TOP 3 die „Wahlwiederholung von weiteren Freistellungen außerhalb des Betriebsverfassungsgesetzes” an (Sitzungsniederschrift vom 09.11.1990 = Hülle Bl. 15 und Bl. 58 d. A.). Ein Antrag, die beiden TOP zusammenzubehandeln, wurde mit 19:4 Stimmen abgelehnt. Sodann wählte der BR in zwei Wahlgängen mit den gleichen Kandidaten-Listen wie bei den Wahlen vom 19./24.04.1990 zunächst 5 und hernach weitere 3 freizustellende BR-Mitglieder. In beiden Wahlgängen blieb die jeweilige Liste der „Alternativen” erfolglos.

Die Beteiligten zu 1) und 2) haben dieses Wahlverfahren für gesetzwidrig gehalten und mit der am 10.12.1990 beim Arbeitsgericht eingegangenen Antragsschrift beantragt,

1.) die Wahlen zur Freistellung von Betriebsratsmitgliedern vom 31.10.1990 für unwirksam zu erklären.

2.) hilfsweise

festzustellen, daß über die Zahl der freizustellenden Betriebsratsmitglieder nach § 38 BetrVG hinaus weitere zugestandene Freistellungen von Betriebsratsmitgliedern in einer einheitlichen Wahl nach den Grundsätzen der Verhältniswahl zu wählen sind.

Der Beteiligte zu 3) (BR) hat gemeint, die getrennten Wahlgänge seien rechtmäßig gewesen und um Antragszurückweisung gebeten.

Ergänzend wird wegen des erstinstanzlich ermittelten sonstigen Streitstoffs auf den tatbestandlichen Teil des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen (Bl. 28–30 d. A.).

Das Arbeitsgericht hat dem Hauptantrag in vollem Umfang stattgegeben. Für die dafür gegebene Begründung wird auf Bl. 30–32 d. A. verwiesen.

Mit seiner hiergegen gerichteten Beschwerde verfolgt der BR sein auf Antragszurückweisung gerichtetes Verfahrensziel weiter. Er rügt, das Arbeitsgericht habe zu Unrecht die Versäumung der Wahlanfechtungsfrist (entspr. § 19 Abs. 2 Satz 2 BetrVG) nicht beachtet. Außerdem sei nicht ausreichend berücksichtigt, daß es sich bei den ergänzend vom Arbeitgeber zugestandenen 3 Freistellungen um in Diskussionen mit diesem für konkrete Aufgabengebiete ausgehandelte konkrete Freistellungen nicht nach § 38 BetrVG sondern nach § 37 Abs. 2 BetrVG gehandelt habe, die für bestimmte Aufgabenfelder, nämlich

  • analytische Arbeitsplatzbewertung
  • Verwaltung des Betriebsrats

    (Einladungen)

  • Vorstellung neuer Arbeitsplätze

    (Überprüfung ...

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